Musische BildungStadt Kerpen kritisiert Musikschule und zieht sich aus Projekt zurück

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Männer mit Hüten und Sonnenbrillen spielen Blasinstrumente. Vor ihnen stehen Schulkinder mit ihren Notenständer.

Die Stadt Kerpen will aus der Musikschule La Musica aussteigen. Die Schüler präsentieren auf Konzerten - wie hier 2019 im Medio - regelmäßig ihr Können.

Das interkommunale Musikprojekt im Rhein-Erft-Kreis ist gefährdet, weil nun nach Bedburg auch Kerpen die Mitgliedschaft kündigen will.

In drei Jahren droht der Musikschule La Musica das Aus. Der Rat der Kolpingstadt will Ende 2025 aus dem Zweckverband aussteigen. Kerpen ist damit nach Bedburg die zweite Kommune, die sich nicht mehr am interkommunalen Musikprojekt beteiligen möchte. Das gefährdet die Finanzierung der Musikschule.

Dennoch hält die Kolpingstadt weiter an der musikalischen Früherziehung fest – und arbeitet an einem Konzept, wie Kinder und Jugendliche auch ohne die Schule musikalisch gefördert werden können. „Ich begrüße die Entscheidung des Stadtrates und stehe inhaltlich voll hinter diesem Beschluss“, sagt Bürgermeister Dieter Spürck. Auch deshalb, weil der Beschluss nicht das Ende der musikalischen Früherziehung in Kerpen bedeute.

Stadtverwaltung wirft Musikschule Stillstand vor

Laut einer Verwaltungsvorlage aus Kerpen habe sich in den vergangenen Jahren zu wenig in der Musikschule getan. Es sei nicht erkennbar, dass sich La Musica positiv entwickele, heißt es in einer Vorlage. Wegen der schlechten Haushaltslage sei nun der Fall eingetreten, dass die Kolpingstadt nicht mehr auf Veränderungen warten könne.

Der Abwärtstrend der Schülerzahlen lässt sich nicht nur mit Corona-Pandemie erklären. Er setzte bereits in der zweiten Jahreshälfte 2013 ein. Von 2018 bis 2019 gab es zwar einen leichten Aufschwung. Dann aber kamen Corona und Lockdowns – und wirkten auf die sinkenden Schülerzahlen wie ein Brandbeschleuniger. Im vergangenen Jahr zahlte die Kolpingstadt eine Umlage von rund 118.000 Euro an die Musikschule La Musica. Das ist zwar weniger als 2020, aber trotzdem etwa 14.000 Euro mehr als 2019.

Zuschuss pro Schüler enorm gestiegen

Weil die Schülerzahlen aus der Kolpingstadt gleichzeitig sinken, steigen dementsprechend die Kosten je Schüler drastisch. 2022 kostete jeder der 169 Kerpener Musikschüler die Kolpingstadt rund 700 Euro – fast doppelt so viel wie 2013. Damals kostete jeder der 210 Schüler aus Kerpen die Stadt 400 Euro pro Kopf – das galt 2013 dem Rat schon als hoch genug, um über einen Ausstieg aus dem Zweckverband nachzudenken.

Den Anstoß für eine erneute Ausstiegsdiskussion lieferten die Ratsfraktionen von CDU und Grünen. Die Fraktionsvorsitzenden Klaus Ripp (CDU) und Peter Abels (Grüne) kritisierten schon vor zwei Jahren die hohen Verwaltungskosten – nicht aber die musikalische Ausbildung. „Das Verhältnis Verwaltung zu effektiver Ausbildung muss erheblich verbessert werden“, fordern beide noch immer.

Sowohl für CDU als auch Grüne ist klar, dass die Stadt nach einer Alternative suchen muss, wenn sie aus dem Zweckverband aussteigt. Im Rat sprach sich Abels nun erneut dafür aus, bis Ende 2024 ein Konzept für eine „deutlich kostengünstigere“ Alternative zu beschließen. „So, dass wir rechtzeitig reagieren können.“ Mittlerweile teilen auch andere Fraktionen die Meinung. „Das ist kein Sparvorschlag auf Kosten der Kultur. Sondern ein Bürokratieabbauvorschlag, der die Musikförderung um Jahre nach vorne bringt“, sagt etwa Oliver Niederjohann von der FDP.

Orchesterleiterin fühlt sich überrumpelt von Beschluss

Bürgermeister Spürck sieht keinen Grund zur Sorge: Er sei zuversichtlich, dass es in Kerpen auch nach dem 31. Dezember 2025 eine Förderung musikalischer Früherziehung geben werde. Renate Clemens, Lehrerin an der Musikschule und Leiterin des Orchesterprojekts, fühlt sich überrumpelt von der Entscheidung des Rates.

Informiert habe der Rat die Schule erst nach dem Beschluss, sagt sie. Eine bessere Form der musikalischen Früherziehung als La Musica gibt es laut Clemens im Kreis nicht. „Private können nicht im Entferntesten leisten, was wir leisten. Vor allem im sozialen Bereich.“ Clemens schätzt, dass kreisweit etwa 900 Schüler die Musikschule besuchen.

Die hohen Kosten für die Schulverwaltung sieht aber auch Clemens kritisch. „Da gibt es definitiv Einsparpotenzial“, sagt Clemens. Bei den Lehrern allerdings nicht: 22 von 24 ihnen arbeiten auf Honorarbasis. Schon der für 2023 angekündigte Ausstieg der Stadt Bedburg aus dem Zweckverband traf die Musikschule hart.

Bedburg begründete den Ausstieg damals unter anderem damit, dass sich Mitglieder des Zweckverbands gegen eine stärkere Unterstützung von Schülern aus finanzschwachen Familien gewehrt hätten. Auf die Ausstiegsankündigung reagierte die Musikschule La Musica im Februar mit einer Imagekampagne. Zu dem Zweckverband gehören neben Kerpen und Bedburg noch Elsdorf, Bergheim und Pulheim.

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