Karneval in Corona-Zeiten„Kölsche Evergreens“ machen auch in schweren Zeiten Hoffnung

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Den „Kulturpreis der Deutschen Fastnacht (r.) erhielt Reinold Louis 2014. Sein Moriskentänzer hält ein Notenblatt mit der Liedzeile „Am Dom zo Kölle" in der Hand.

Den „Kulturpreis der Deutschen Fastnacht (r.) erhielt Reinold Louis 2014. Sein Moriskentänzer hält ein Notenblatt mit der Liedzeile „Am Dom zo Kölle" in der Hand.

Rhein-Erft-Kreis – Traditionen zu leben ist in Pandemie-Zeiten herausfordernd wie so vieles. Wegen der Corona-Krise wird es den Sitzungs- und Straßenkarneval, wie wir ihn bisher kennen, nicht geben. Im Rhein-Erft-Kreis sorgen üblicherweise mehr als 90 Karnevalszüge für ein fröhliches Treiben in den Orten.

„Das werden diesmal sicher viele schmerzlich vermissen“, sagt der Heimatforscher und ehemaliger Kommentator des Kölner Rosenmontagszuges, Reinold Louis. Mit dem Brauchtum hat er sich sein ganzes Leben lang beschäftigt.

Louis bei einem Auftritt im Blessemer Eck vor Pandemie-Zeiten.

Louis bei einem Auftritt im Blessemer Eck vor Pandemie-Zeiten.

„Es begann bereits in jungen Jahren, als mir meine Oma ihre Schellackplatten mit kölschen Liedern vermachte“, sagt er. Jahrzehntelang berichtete er als Buchautor, Festredner im Karneval, Moderator für Rundfunk und Fernsehen informativ und unterhaltsam über die Kulturgeschichte Kölns und der Region. Von 1973 bis 2014 brachte er die Schallplatten- und CD-Serie „Kölsche Evergreens“ heraus.

Zur Person

Reinold Louis, Kenner des kölschen Brauchtums, wurde 1940 in Köln geboren und lebt er in Kerpen. Mehr als 40 Jahre arbeitete bei der Kreissparkasse (KSK) Köln, zuletzt als Bereichsdirektor. In dieser Zeit übernahm er die Geschäftsführung einiger Kulturstiftungen der KSK. Zudem war er und auch nach seinem Vorruhestand 1998 als WDR-Radio- und TV-Moderator, Kommentator und Begleiter des Rosenmontagszugs, Festredner im Karneval sowie Autor von Hörspielen und Features zu überwiegend stadtkölnischen Themen aktiv. Er schrieb 15 Bücher. Als Produzent veröffentlichte er zusammen mit der KSK von 1973 bis 2014 die Schallplatten- bzw. CD-Serie Kölsche Evergreens. Im Jahr 2000 erhielt er den Köln-Literatur-Preis und ist Träger vieler Auszeichnungen, unter anderem des Rheinland-Talers, der Ostermann-Medaille in Gold, der Goldenen Muuz und des Goldenen Römers.

Orden kommen mit der Post

Für den heute 80-Jährigen, der mit seiner Frau in Kerpen lebt, zeigen bestimmte Riten, dass die Menschen hier zu Hause sind. „Sie bekunden Kontinuität und weisen über die Gegenwart hinaus“, betont er. „Denn Brauchtumsfeste machen nicht nur Spaß, sondern sie tragen das mit, was für eine Gesellschaft wichtig ist, nämlich das Miteinander, das Zusammentun, das sich gegenseitig verantwortlich fühlen“, so Louis.

Karnevalsorden bekommt Reinold Louis derzeit mit der Post ins Haus.

Karnevalsorden bekommt Reinold Louis derzeit mit der Post ins Haus.

„Gerade während des Karnevals liegen sich die Leute in den Armen, trinken, feiern, reden zusammen und können auch hier seelischen Müll abladen. Das fehlt nun“, führt er aus. „Aber aus diesem Verlust kann ein neuer Gewinn entstehen“, ist er überzeugt.

Derzeit freut er sich beispielsweise darüber, morgens seinen Briefkasten zu öffnen. Immer wieder liegen die neuesten Orden von Gesellschaften in der Post. Die Dinge würden jetzt etwas privater und leiser. Was im Großen gefeiert wurde, funktioniere im kleineren Kreis. So habe das Kölner Festkomitee in der Pandemie-Session notgedrungen die Prinzenproklamation im Gürzenich mit anschließendem Besuch im Kölner Dom anders begehen müssen, erzählt er. Aus dem gesellschaftlichen Großereignis wurde eine Zusammenarbeit mit dem WDR.

Kölner Originale wie das Fleuten-Arnöldche, der Orgels-Palm oder der Fressklötsch, über die Reinold Louis ein Buch geschrieben hat, stehen bei ihm als Figuren auf seiner Flurgalerie.

Kölner Originale wie das Fleuten-Arnöldche, der Orgels-Palm oder der Fressklötsch, über die Reinold Louis ein Buch geschrieben hat, stehen bei ihm als Figuren auf seiner Flurgalerie.

Entstanden ist ein Film mit vielen Informationen und Hintergründen zum beliebten Fest im Rheinland. „Es war fantastisch und ergreifend, besonders das Finale“, sagt Louis. „Allein der Einzug in den Kölner Dom, vorbei an den Flaggen der Gesellschaften, war schon außergewöhnlich und das, was sich am Altar abspielte bis hin zur Unterquerung des Schreins der Heiligen Drei Könige. Wer Tränen in den Augen hatte, braucht sich dessen nicht zu schämen“, kommentierte er anschließend das Ereignis in den sozialen Medien.

Die CD

Anlässlich seines 80. Geburtstages hat Reinold Louis die CD mit dem Titel „Ich well verzälle, wie schön et ens en Kölle wor“ produziert. Sie nimmt die Zuhörer mit auf eine sowohl persönliche als auch historische Zeitreise von 1940 bis heute. Dazu gibt es 18 kölsche Lieder zu hören und ein 40-seitiges farbigen Booklet. Erhältlich ist sie im Online-Handel und im Internet.

www.reinold-louis.de

Um den Menschen in diesen Tagen im Internet etwas an die Hand zu geben, schöpft er aus seinem umfangreichen Wissen. „Ich verfüge über viele Zeichnungen von prachtvollen Festwagen der verschiedenen Gesellschaften zum Rosenmontagszug. Daraus habe ich jetzt einen filmischen Rosenmontagszug zusammengestellt und im Internet veröffentlicht.“ Für ihn ist dieser Zug „das schönste Gesamtkunstwerk mit Musik, Literatur, darstellender und bildender Kunst und Jecke, Jecke, Jecke.“

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Die Möglichkeit von Online-Sitzungen, „finde ich gut“, äußert Louis. „Doch das schönste Online-Event kann nicht die persönliche Begegnung ersetzen. Er bietet etwas für das Auge, aber zu wenig für das Herz“, ergänzt er. Künftig werde es vielleicht ein stärkeres Nebeneinander von Online und Präsenz geben. Aber es werde wieder zusammen gefeiert. „Denn die Feste werden wieder entstehen, weil sie gebraucht werden und die Menschen sich danach sehnen.“

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