Eine Wiederholung der Stichwahlen peilen die betroffenen Städte bisher nicht an. Jedoch ist der Verantwortliche der Panne noch nicht geklärt.
BriefwahlWeder Post noch Städte in Rhein-Erft sehen sich verantwortlich für „Wahlskandal“

In Kerpen, Brühl und Pulheim kamen Briefwahlunterlagen nicht bei den Bürgern an (Symbolfoto).
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Die Deutsche Post weist Vorwürfe zurück, sie sei verantwortlich dafür, dass bei den Stichwahlen für das Amt des Bürgermeisters in fünf Städten und für das Amt des Landrats Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig bei Wählerinnen und Wählern angekommen seien. „Wir haben die Sendungen mit höchster Priorität zugestellt“, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Die Aussagen von Thomas Marner, dem Ersten Beigeordneten der Stadt Kerpen, 1,5 Prozent der Briefwählerinnen und -wähler hätten ihre Unterlagen nicht erhalten, sei für sie in dieser pauschalen Form nicht nachvollziehbar. „Was uns übergeben worden ist, ist alles zugestellt worden.“
„Wenn es belastbare Beschwerden gibt, gehen wir der Sache nach und gucken, ob in unserem Bereich etwas falsch gelaufen ist“, so die Pressestelle der Post. Dafür bräuchte die Post die konkreten Adressen derjenigen, die keine Unterlagen erhalten haben. Dann könne sie überprüfen, ob es Abbrüche oder Unregelmäßigkeiten gab. Bisher seien keine der Städte auf das Unternehmen zugekommen. „Wir versuchen im Nachgang zu gucken, ob wir in irgendeiner Form nachvollziehen können, was zu diesen Aussagen geführt hat.“
Rhein-Erft: Post wirbt mit Briefwahl auf ihrer Webseite
Die Deutsche Post wirbt auch auf Ihrer Website für die Briefwahl als bequeme und flexible Möglichkeit, von der eigenen Stimme Gebrauch zu machen. „Nutzen Sie die Briefwahl. Unsere 108.200 Briefkästen stehen für Ihren Wahlbrief bereit“, heißt es da. „Und damit die Briefwahlunterlagen sicher an ihr Ziel kommen, sorgen wir als Deutsche Post für den sicheren Transport und die zuverlässige Zustellung“.
Wie werden die betroffenen Städte mit der Briefwahlpanne umgehen? Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus Kerpen etwa hatten bemängelt, dass ihre Briefwahlunterlagen nicht angekommen seien. Am Abend der Stichwahl war von 220 fehlenden Stimmen die Rede. Am Montag berichtete Marner, ihm seien 250 Fälle bekannt. Für eine Wahlwiederholung sieht er keinen Anlass. „Die Briefwähler haben unseren Recherchen nach ähnlich gewählt wie die Urnenwähler.“ Es sei davon auszugehen, dass die Verteilung der Stimmen bei den Briefwählern, die keine Wahlunterlagen erhalten hatten, ähnlich aussehe.
Kerpen: Abstand zwischen Kandidaten zu groß
Auch sei der Abstand zwischen den beiden Kandidaten, Harald Stingl (CDU) und Thomas Jurczyk (SPD) selbst, wenn alle fehlenden Briefwähler sich für Stingl ausgesprochen hätten, nicht mehr aufzuholen. Schwerpunkte der Wahlpanne machte die Stadt in Teilen von Horrem, Sindorf und Kerpen-Stadt aus.
Sollten einzelne Wahlberechtigte die Stichwahl anfechten, weil ihnen die Stimmabgabe verwehrt blieb, so rechne er erst einmal dennoch nicht mit einer Wahlwiederholung, sagt Marner. Anders sieht es womöglich bei vielen Anfechtungen aus. Konkrete Aussagen zu einer Wiederholung kann die Stadt am Montag noch nicht treffen. Bisher ist sie aber nicht vorgesehen.
Bereits am Sonntag hatte Marner angekündigt, Kreis und Land von der Wahlpanne zu berichten. Ihm zufolge lag der Fehler bei der Post. Auch sei nun zu überdenken, in welcher Form die Briefwahlsendungen bei der nächsten Wahl zum Wähler gelangen.
Brühl: Niedrige Rücklaufquote der Briefwahl in Vochem
In Brühl häuften sich am Sonntag ebenfalls die Beschwerden über nicht zugestellte Briefwahlunterlagen. Wie viele Menschen exakt betroffen waren, ist offen. 2475 Stimmen von Briefwählern seien nicht zurückgekommen, so die Stadt. Das könne aber auch andere Gründe haben. Die Rücklaufquote aus der Briefwahl liege bei 76,4 Prozent. In Vochem, im Stimmbezirk 14.0, sei diese Quote mit 35,7 Prozent auffällig niedrig, was gegebenenfalls auf nicht zugestellte Briefwahlunterlagen in dieser Gegend zurückzuführen sei, so die Verwaltung.
Die Stimmzettel habe man am Donnerstagvormittag, 18. September, vom Kreis erhalten. „Mit der Zusammenstellung der Briefwahlunterlagen wurde bereits am Donnerstag begonnen, so dass die erste Charge schon am Donnerstag an die Post übergeben wurde. Der große Schwung wurde für Freitag fertiggestellt und am Nachmittag an die Post übergeben. Am Samstag wurden die restlichen Unterlagen vorbereitet, die dann am Montagfrüh fertig waren. Zeitliche Verzögerungen gab es keine“, so die Stadt, die an die Landesregierung appelliert, für zukünftige Stichwahlen ein Zeitfenster von drei Wochen einzuplanen.
Bei der Suche nach möglichen anderen Dienstleistern für die Zustellung stelle sich die Frage nach deren Zuverlässigkeit. Eine Alternative sei auch eine Zustellung durch eigenes Personal.
Unterlegene Kandidatin will Ergebnis nicht anfechten
Die in der Stichwahl unterlegene Bürgermeister-Kandidatin Simone Holderried sieht in der Wahlpanne einen Schaden für das Ansehen der Demokratie. Angesichts des klaren Wahlausgangs verschwende sie aber keinen Gedanken an eine Anfechtung des Ergebnisses. „Das Vertrauen in bürokratische Abläufe ist ohnehin bei vielen überstrapaziert. Wir müssen genau hinschauen und klären, woran es lag und dann sehen, was wir daraus lernen können“, erklärte sie.
CDU-Fraktionschef Holger Köllejan sagt: „Fehler können passieren. Aber das ist ein sensibles Thema. Angesichts der zeitlichen Brisanz hätte man für den schnellen Versand alle Kräfte bündeln müssen. Dies ist nach meinen Kenntnissen anders als in Brühl in der Hürther Verwaltung geschehen.“
Pulheimer FDP fordert schonungslose Aufarbeitung
Die Pulheimer FDP fordert von der Stadtverwaltung eine schonungslose Aufarbeitung der zahlreichen Pannen rund um die Stichwahl. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger hätten nicht wählen können, weil sie von organisatorischen Fehlern und widersprüchlichen Informationen der Verwaltung daran gehindert worden seien, teilte die Parteivorsitzende Christina Caruana-Rinkewitz mit.
Sie spricht von „nicht zugestellten Briefwahlunterlagen, falsch ausgehändigten Wahlkoffern, mangelhaft vorbereiteten und zu wenigen Wahlhelfenden sowie einer späten und unklaren Kommunikation“. Caruana-Rinkewitz ruft Bürgerinnen und Bürger auf, ihre Erfahrungen öffentlich zu machen und deutlich zu benennen, wo sie auf Hindernisse gestoßen sind: „Nur wenn diese Stimmen gehört werden, kann verhindert werden, dass sich ein solcher Wahlskandal in Pulheim wiederholt.“
Eine Rathaussprecherin weist die Vorwürfe zurück. Die Verwaltung habe der Post ein besonderes Porto gezahlt, womit die Zustellung innerhalb von 24 Stunden nach Abgabe bei der Post sichergestellt werden sollte. Zudem seien ab dem 24. September, also vier Tage vor dem Wahltermin, Briefwahlunterlagen nur noch durch das Ordnungsamt zugestellt worden. Eine Beantragung war bis Freitagnachmittag möglich gewesen. Die Stimmzettel hätten noch am Samstag im Rathaus abgegeben werden können.
Die Sprecherin bestätigt, dass am Wahlsonntag 34 Wählerinnen und Wähler dokumentiert worden, die angaben, ihre Briefwahlunterlagen nicht erhalten zu haben und deshalb im Wahllokal wählen wollten. Richtig sei auch, dass ein Wahlkoffer versehentlich einem vermeintlichen Wahlvorstand ausgehändigt wurde. Das Missverständnis habe sich aber rasch aufklären lassen.
Den Vorwurf der FDP bezüglich der Wahlhelfenden will sie nicht stehen lassen. Es seien ausreichend Helfer vor Ort gewesen, die durch eine Onlineschulung eingewiesen worden seien. Zudem sei auf der städtischen Homepage zusätzlich Schulungsmaterial in Form von Videos eingestellt worden.