Die Kreistagswahl hätte fast ohne Elmar Gillet stattgefunden. Der Fraktionsvorsitzende brauchte einen zweiten Wahlgang. Der Grüne polarisiert.
Kandidatur fast gescheitertWesselinger Gillet (Grüne) räumt eigene Fehler ein

27.10.2022 Porträt von Elmar Gillet, Bürgermesiterkandidat der Grünen für Wesseling.
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Dass Mitgliederversammlungen bei diskussionsfreudigen Grünen nicht immer frei von Überraschungen sind, ist hinlänglich bekannt. Doch das, was am vorigen Samstag (16. Mai) in Brühl bei der Wahl der Kandidaten für die Kreistagswahl am 14. September geschah, verbuchen selbst langjährige Parteimitglieder als größeres Beben: Der langjährige Fraktionsvorsitzende Elmar Gillet (Jahrgang 1965) und 2022 auch Bürgermeisterkandidat in Wesseling fiel im ersten Wahlgang durch und erhielt im zweiten Anlauf mit 52 Prozent gerade eben die erforderliche Mehrheit. Im Gespräch mit Jörn Tüffers äußerte sich Gillet zu dem der denkwürdigen Versammlung.
Waren Sie überrascht, dass Sie im ersten Wahlgang keine Mehrheit und im zweiten auch nur 52 Prozent haben?
Ja, das hat mich überrascht. Ich hatte nicht mit einer überragenden Zustimmung gerechnet, da ich meine Meinung immer sehr klar vertrete und damit anecke. Mit diesem Ergebnis hatte ich allerdings nicht gerechnet, da eine solche Unzufriedenheit vorher nicht offen kommuniziert wurde. Es hat ja auch niemand gegen mich kandidiert, zumal ich im Vorfeld klar kommuniziert hatte, dass dies meine letzte Wahlperiode ist.
Sehen Sie das Wahlergebnis als Kritik an Ihrer Arbeit im Kreistag?
Die Erfolge der Grünen Kreistagsfraktion unter meinem Vorsitz in den vergangenen Jahren sind völlig unbestritten. Auch war mit allen Kandidierenden, die sich ernsthaft für eine Arbeit im Kreistag interessieren, im Vorfeld ein Einvernehmen erzielt worden. Eine tolle Grundlage für ein gemeinsames, starkes und durchsetzungsfähiges Grünes Auftreten im kommenden Kreistag. Ich sehe meine Aufgabe unter anderem darin, den Übergang an die nächste Generation einzuleiten und die Grünen in der Gestaltungsmehrheit zu halten.
Worauf führen Sie diese geringe Zustimmung dann zurück?
Ein entscheidender Faktor war sicherlich mein Umgang mit den für mich provozierenden Fragen eines Mitglieds. Erst hinterher wurde mir klar, dass nur wenige in der Wahlversammlung wissen können, was mich an den Fragen empört hat. Ja, ich hätte hier deutlich souveräner und nicht so ungehalten reagieren dürfen, das war sicherlich ein entscheidender Fehler meinerseits, aber vielleicht menschlich nachvollziehbar.
Als Sie vor fünf Jahren als Landratskandidat antraten, hatten Sie noch hohe Zustimmungswerte – warum sind diese in nur fünf Jahren so gefallen?

Gillet mit den anderen Fraktionsvorsitzenden der Jamaika-Koalition (v.l.): Dr. Christian Pohlmann (FDP) und Gregor Golland (CDU) im Kreishaus.
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An den wirklich guten Ergebnissen der Grünen Kreistagsfraktion, beispielsweise in den Bereichen ÖPNV, Umwelt- und Naturschutz, hat es sicherlich nicht gelegen. Da muss ich die Fehler, wie gesagt, bei mir suchen. Die Erfolge sind auch ein Ergebnis einer sehr pragmatischen Ausrichtung der Grünen im Kreistag, die gerade ich innerparteilich auch sehr offensiv vertrete, so dass ich bei einigen in der Partei nicht immer die volle Zustimmung erhalte. Vielleicht muss ich auch manchmal etwas mehr Geduld mitbringen, Entscheidungen ausführlicher erläutern und auch die Erfolge noch besser nach innen und außen kommunizieren.
Sie haben nach der Wahlversammlung in Brühl gesagt, Sie würden polarisieren – woran machen Sie das fest?
Eine liebe Parteikollegin sagte mir dies nach dem ersten Wahlgang. Nach meiner Wahl erhielt ich ein Glückwunschschreiben eines ehemaligen Landtagsabgeordneten. Er sah keinen Makel, dass es eines zweiten Wahlgangs bedurfte und er schrieb mir „Anstöße kann nur geben, wer anstößig ist“. Mein klarer Fehler dabei ist es, oft zu wenig emphatisch vorgegangen zu sein und damit als konfrontativ rüberzukommen.
Betrachten Sie das Ergebnis als Denkzettel und werden etwas ändern?
Die Botschaft ist angekommen. Ich habe den Vorsitzenden der Ortsverbände bereits einen offenen und ehrlichen Austausch in den kommenden Tagen angeboten.
Gesetzt den Fall, die Grünen kommen erneut in den Kreistag – sehen Sie mit 52 Prozent Zustimmung der Grünen-Mitglieder eine Basis, ihre Arbeit als Fraktionsvorsitzender fortzuführen?

Seit 1991 macht Gillet - mit kurzen Unterbrechungen - im Kreistag in Bergheim Politik für die Grünen.
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Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass die Grünen in den Kreistag kommen. Ich bin sogar ziemlich zuversichtlich, dass unsere Fraktion in ungefähr gleicher Stärke im Kreistag vertreten sein wird. Ich habe nun für den offenen Top-Listenplatz eine Mehrheit, ja mit deutlichem Dämpfer, bekommen. In der derzeitigen Fraktion habe ich gerade in den letzten Tagen großen Rückhalt gespürt. Ich gehe davon aus, dass dies auch in der nächsten Fraktion der Fall sein wird, aber über die Ämter wird nach der Wahl entschieden.
Dem Vernehmen nach waren Sie die treibende Kraft für das Votum, dass die Grünen auf einen eigenen Landratskandidaten verzichten. Was ist der Grund dafür?
Nun, dieses Vernehmen muss so sicher sein, wie die Information aus Parteikreisen vor einigen Wochen, dass die Partei definitiv einen Landratskandidaten aufstellt. Vor längerer Zeit wurde ich gefragt, ob ich erneut die Grüne Landratskandidatur machen würde. Dies habe ich aus persönlichen Gründen abgelehnt. Danach hat der Kreisvorstand viele Gespräche geführt. Wir haben da tolle Leute in petto, aber wir brauchen ja auch Grüne Bürgermeisterinnen. Nach der Empfehlung des Kreisvorstandes hat die Fraktion darüber lebhaft diskutiert und sich einstimmig der Empfehlung für Frank Rock angeschlossen. An den Gesprächen mit der CDU zu diesem Thema war ich nicht beteiligt.
Wie stehen Sie zu Rock und dem Verzicht?

Ein solch uneinheitliches Bild wie zuletzt in Brühl gaben die Grünen im Rhein-Erft-Kreis schon lange nicht mehr ab.
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Ich befürworte es, Frank Rock als Landrat zu unterstützen. Gerade in der aktuellen Situation halte ich es für ausgesprochen wichtig, den Kompromiss im demokratischen Spektrum zu finden. Eine Polarisierung zwischen Links und Rechts zulasten der demokratischen Mitte hatte in Deutschland schon einmal fatale Folgen. Das bedeutet daher auch, einen Kandidaten der demokratischen Mitte zu unterstützen, mit dem man die eigenen Punkte am besten umzusetzen gedenkt. Bei allen auch bestehenden Unterschieden zur CDU überwiegen doch die gute Zusammenarbeit in der Koalition und mit Frank Rock als Person in den letzten fünf Jahren und das aufgebaute Vertrauen. Im übrigen haben Grüne schon oft Kandidaten anderer Parteien unterstützt und dabei nicht ihre Eigenständigkeit verloren.
Wie bewerten Sie, dass Frank Rock zunächst eine Vorstellungsrunde absolvieren muss?
Er hatte von sich aus angeboten, in unsere Mitgliederversammlung zu kommen. Wir Grüne wollten aber erst einmal unter uns darüber beraten. Im Fokus unserer Debatte am letzten Samstag standen Verfahrens- und Strategiefragen. Ich denke, es wird ein respektvoller Austausch sein, in dem Frank Rock die Gelegenheit hat, seine Ziele und Vorstellungen für die nächsten 5 Jahre zu präsentieren und dass wir gemeinsam ein klares Zeichen gegen die AfD setzen werden.