Krieg trübt Karnevals-Stimmung in Rhein-Erft„Unsere Gedanken sind bei der Ukraine“

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Rainer Nieschalk, Präsident des Festausschuss Brühler Karneval, und Bürgermeister Dieter Freytag halten eine gemeinsame Ansprache vor den Karnevalisten.

Rhein-Erft-Kreis – Nicht nur die anhaltende Corona-Krise trübt an Weiberfastnacht die Karnevalsstimmung im Rhein-Erft-Kreis. In der Nacht auf Donnerstag hat Russland begonnen, die Ukraine anzugreifen. Der Krieg in Europa beschäftigt auch die Karnevalsvereine und Stadtoberhäupter in Rhein-Erft.

Ansprache vor dem Brühler Rathaus zum Krieg in Europa

In Brühl versammelten sich um 11.11 Uhr rund 100 Jecken vor dem Rathaus. Der Präsident des Festausschusses Brühler Karneval Rainer Nieschalk und Bürgermeister Dieter Freytag fiel es schwer, am heutigen Tag die richtigen Worte zu finden. „Die Rede, die ich vorbereitet hatte, hat sich diese Nacht erledigt“, so Freytag. „Im östlichen Europa ist ein Krieg ausgebrochen, der noch schlimmere Signale als die Corona-Krise sendet", sagte Nieschalk. „Aber für uns Rheinländer ist heute ein ganz besonderer Tag, wenn auch anders als sonst, wenn der Platz vor dem Rathaus durch den Rathaussturm eigentlich voll wäre.“ 

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Rund 100 aktive Karnevalisten der Brühler Karnevalsvereine versammelten sich an Weiberfastnacht vor dem Rathaus.

Wegen der Corona-Krise hatten sich auf Initiative des Festausschusses Brühler Karneval und in Zusammenarbeit mit der Stadt Brühl vor dem Rathaus aktive Karnevalisten getroffen, um einen kurzem Umzug durch die Innenstadt zu veranstalten. „Wir sollten trotz der Ereignisse die gemeinsamen Stunden genießen und dabei nicht zurückschauen auf das, was wir durch die Corona-Krise alles verpasst haben“, so Nieschalk.  

Ein zurückhaltendes „Alaaf“ für das designierte Brühler Kinderdreigestirn

Bürgermeister Dieter Freytag verzichtete bewusst auf ein „Alaaf“. Lediglich auf das Brühler designierte Kinderdreigestirn, Prinz Ben, Bauer Benjamin und Jungfrau Amelie, gab es einen leisen Ausruf. Freytag sprach von einem „machtbesessenen Politiker“, der den Krieg nach Europa gebracht habe. „Da sind Menschen, die genau wie wir feiern wollen. Kinder, die spielen wollen und nun in Bunkern Schutz suchen müssen. Unsere Gedanken sind jetzt natürlich dort“, sagte er. Trotzdem wolle auch er zuversichtlich auf die Karnevalstradition schauen und ein Zeichen setzten für Karneval, Brauchtum und Frieden. 

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Danny Wabnik, Leitung der Pänz und Jugend der Bröhler Falkenjäger, hätte sich für diesen Tag lieber andere Umstände gewünscht. „Ich muss ganz ehrlich sagen, mein Karnevalistenherz blutet“, erzählt sie vor der Rathausansprache. Die aktuelle Krise in der Ukraine überschatte die Stimmung deutlich.

Christian Karaschinski, Präsident des Festkomitees Bergheimer Karneval, war ebenfalls davon überzeugt, Karneval wie geplant zu feiern. „Man muss das Ganze natürlich kritisch betrachten“, sagte er. „Aber wir sollten versuchen, nicht noch mehr zu reglementieren in dieser ohnehin schon schweren Corona-Zeit.“

Lechenicher Stadtgarde wollte Versprechen trotz der Kriegsgeschehnisse halten

Die Stadtgarde mit Gardekommandant Alexander Klement und die Wagenbaugemeinschaft der Lechenicher Narrenzunft waren an Weiberfastnacht schon recht früh auf den Beinen. Auch wenn ihnen in Anbetracht der Geschehnisse in der Ukraine so gar nicht nach Feiern zumute war, wollten sie ihr Versprechen halten und die Kinder der Grundschulen und der Kindergärten in Lechenich besuchen. „Wir hatten allerdings heute Morgen alle einen richtig dicken Kloß im Hals“, sagte Presseoffizier Claus Neunzig.

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Die Lechenicher Stadtgarde hielt ihr Versprechen und besuchte die Kindergärten an Weiberfastnacht. 

Doch seien gerade die Kinder ja diejenigen, die am Allerwenigstens für den Krieg und für die ganze Situation können. Ihnen hätten sie den Besuch versprochen und dieses Versprechen wollten die Karnevalisten auch halten. 

Zu einem karnevalistischen Biergarten mit Karnevalsmusik aus der Konserve hatte die GK Fidelio an die Festhalle in Elsdorf geladen. „Wir feiern trotz Corona und Krieg. Das Geschehen in der Ukraine kann man mal für ein paar Stunden ausblenden, und was Corona angeht, halten wir uns an die Regeln die uns auferlegt wurden. Die Leute wollen feiern und sich treffen“, sagte der Ex-Präsident und Vize-Literat Wolfgang Teichert.

Stommelner Buure zogen für die Kinder los

Er sei sehr erschrocken gewesen als er  am Morgen die Nachrichten gehört habe, sagt Marcel Paas, Geschäftsführer der KG Stommeler Buure. „Ich war hin- und hergerissen, ob wir die Kitas und Schulen im Ort tatsächlich besuchen sollen.“ Die kleine Abordnung der Buure entschied sich letztendlich dafür, der Kinder wegen. „Wir wollten ihnen eine Freude machen. Und von einem Menschen wie Herrn Putin möchten wir uns nicht vorschreiben lassen, wie wir zu leben haben.“ Es sei schön gewesen, die strahlenden Kinder zusehen und für ein paar Stunden auf andere Gedanken zu kommen.

In Hürth empfing der stellvertretende Bürgermeister Peter Prinz die einzige amtierende Tollität in der Stadt, Prinzessin Alexandra aus Gleuel, mit Gefolge im Bürgerhaus und hängte ihr einen Orden um.

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Prinzessin Alexandra aus Gleuel mit dem Veteranen-Korps Gleuel und Vizebürgermeister Peter Prinz am Hürther Otto-Räcke-Platz.

Anschließend zog die närrische Gemeinde, angeführt vom Gleueler Veteranencorps,  zum Markt auf dem Otto-Räcke-Platz. Dort stießen die anderen Tollitäten dazu, die erst im nächsten Jahr durch die Säle ziehen werden.

Spendenbox für ukrainische Partnerstadt

Die Stimmung war deutlich weniger ausgelassen als sonst.  Prinz, der seine Krawatte an die jecken Wiever einbüßte, wies auf eine Spendenbox zugunsten der ukrainischen Partnerstadt Peremyschljany hin. Heinz-Gert „Bärchen“ Sester, Kommandant der Funken Rot-Weiß Gleuel und Moderator vieler Veranstaltungen im Kölner Karneval, erklärte, er könne  jeden verstehen, dem jetzt nicht nach Karneval feiern zumute sei.

„Aber die Menschen brauchen auch Ablenkung“, meint Sester. „Man darf sich auch freuen und das Brauchtum pflegen, gerade jetzt nach zwei Jahren voller schlechter Nachrichten. Am Karneval hängt ja auch eine Menge dran, gerade für die vielen kleinen Vereine.“

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