Gezeiten Haus WesselingWie Traumatherapie Menschen mit Depressionen helfen kann

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Symbolbild Traumatherapie

Oftmals versuchen die von Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen Betroffenen,  ihr Leid zu verbergen. Doch es gibt Therapiemöglichkeiten.

Wesseling – Hilflosigkeit, Antriebslosigkeit, Depression, Erschöpfung und eine posttraumatische Belastungsstörung. Das alles sind Probleme, mit denen sich der 54-jährige Herbert Baumann (Name geändert) seit Jahren konfrontiert sieht. Er habe seine eigene Gefühlswelt nicht zugelassen, sagt er. Als Überlebensstrategie, damit er weitermachen konnte. Doch irgendwann hat die Strategie nicht mehr funktioniert, und Baumann entschied sich für eine Therapie.

Zunächst ambulant, doch als es dort keine Fortschritte mehr gab, entschloss er sich zu einem Klinikaufenthalt. Herbert Baumann war fünf Monate im Gezeiten Haus Bonn in Behandlung und kam im Mai für einen Monat als Traumapatient in die Tagesklinik des Gezeiten Hauses Schloss Eichholz in Wesseling. Mit Erfolg.

Hilfe zu suchen ist ein mutiger Schritt

„Ich litt unter einer schweren Depression, die eine Bewältigung des Alltags unmöglich machte“, erzählt er. „Mir fehlte der Antrieb zu allem. Als Depressiver versucht man, seine Probleme zu kaschieren, was sehr anstrengend ist.“ Es war ein mutiger Schritt, sich Hilfe zu suchen. Die psychische Gesundheit ist gesellschaftlich immer noch häufig ein Tabuthema. Darüber wird nicht gern geredet, und Betroffene fühlen sich mitunter stigmatisiert, wenn sie offen über ihre Probleme sprechen.

Herbert Baumann erzählt seine Geschichte, doch namentlich oder bildlich in Erscheinung treten möchte er nicht. „Durch die Therapien habe ich sehr viel über mich gelernt, Verhaltensmuster aufgespürt und Traumata bearbeitet“, sagt Baumann. Auf sich selbst zu achten, die eigenen Verhaltensmuster zu erkennen, aber auch, die eigenen Gefühle zuzulassen und sie zu reflektieren sind Teile des Schlüssels zur Trauma-Aufarbeitung. Baumann hielt zuerst den Verlust seiner Kinder durch die Scheidung von seiner Frau für den Ursprung seiner Probleme.

Wut und Trauer durch Automatismus unterdrückt

Mit 24 wurde er Vater, ging in den Erziehungsurlaub und kümmerte sich um seine Töchter. Weil seine Frau unter einer postnatalen Depression litt, und „sich nicht helfen lassen wollte“, habe er sich jedoch von ihr getrennt. „Ich wurde wenige Monate nach der Trennung aus dem gemeinsamen Haus ausgesperrt. Die Kinder konnte ich dann noch rudimentär sehen. Aber Absprachen wurden von der Mutter nicht eingehalten.“

Traumata behandeln

Die Einrichtung

Das Gezeiten-Haus Schloss Eichholz in Wesseling ist eine private Fachklinik für Psychosomatik und Traditionelle Chinesische Medizin. Sie beherbergt drei Abteilungen: eine Tagesklinik, eine stationäre Traumaklinik und eine Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der Schwerpunkt liegt auf der Behandlung von psychischen und psychosomatischen Störungen, insbesondere von Traumafolgestörungen wie PTBS,  Angst- und Panikstörungen und Depressionen sowie Stressfolgeerkrankungen und Burn-out.

Die Behandlun

Traumata werden im Gezeiten-Haus in drei Phasen bearbeitet. Zunächst lernt der Patient, das Trauma und dessen Auswirkungen auf den Körper und die Psyche zu verstehen. Im nächsten Schritt geht es an die Konfrontation. Hier setzen sich die Patienten mit den negativen Erlebnissen aus der Vergangenheit und den daraus resultierenden Gefühlen in der Gegenwart auseinander. Gefühle und Gedanken werden mit Hilfe der Therapeuten neu beurteilt, aus anderen Perspektiven betrachtet. So können die Betroffenen wieder die Kontrolle über ihre Erinnerungen und ihre körperlichen und emotionalen Reaktionen zurückgewinnen. In der dritten Phase geht es darum, durch Akzeptanz und Aussöhnung ein neues Selbstverständnis zu entwickeln, zum Beispiel von „Ich bin ein Opfer“ zu „Ich habe überlebt und bin ein Kämpfer“. So können die Patienten es schaffen, sich von traumatischen Erlebnissen zu lösen und die eigene Zukunft aktiv gestalten.

Es folgten gerichtliche Auseinandersetzungen. Herbert Baumann versuchte, als Hauptbezugsperson der Kinder das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu erlangen. Dies gelang ihm jedoch nicht, er fühlte sich ungerecht behandelt. „Seitens des Oberlandesgerichts Düsseldorf wurde einfach nach dem Motto »Kinder zur Mutter« entschieden.“ Die Depressionen seien erst Jahre später aufgetreten, berichtet der heute 54-Jährige. Und trotzdem: „Dieses Ereignis hat mich mein weiteres Leben nicht mehr losgelassen. Ich habe in dieser Zeit viele Gefühle wie Wut und Trauer durch einen Automatismus unterdrückt.“

Für Baumann: EMDR-Therapie war Durchbruch

Während der Therapie in der Klinik stellte sich jedoch heraus, dass ein noch viel früheres Trauma Baumanns Automatismus ausgelöst hatte, seine Gefühle zu unterdrücken – eine Gewalterfahrung als Kind im Elternhaus. „Ich habe die Entscheidung als Kind getroffen, in einer Situation keinen Schmerz und keine Wut zu empfinden.

Für Baumann war der Durchbruch die sogenannte EMDR-Therapie. Dadurch habe er gelernt, „eine andere Sichtweise auf meine Traumata zu bekommen und die Grundbelastung zu reduzieren.“ So konnte er Trigger und Flashbacks in den Griff bekommen, die seinen Alltag massiv beeinflusst hatten. EMDR, das steht für „Eye Movement Desensitization and Reprocessing“ und ist ein Therapieverfahren, das vor allem bei der Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen angewendet wird.

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Während einer EMDR-Sitzung wird der Patient dazu angeleitet, sich kurzzeitig an das belastende Ereignis zu erinnern – also an den Ursprung für das eigene Trauma. Dabei wird der Betroffene jedoch immer vom Therapeuten begleitet. Beispielsweise folgen die Patienten dem Finger des Therapeuten mit den Augen. So würden beide Gehirnhälften der Patienten „bilateral stimuliert“, was es erleichtere, schmerzhafte Gedanken und Gefühle neu zu beurteilen und einzuordnen. „In den EMDR-Sitzungen erlangte ich wieder Zugang zu meinen Gefühlen“, sagt Baumann.

„Man könnte sagen, der Aufenthalt in den Kliniken bedeutet für mich eine Zeitenwende, die meine Lebensqualität enorm verbessert hat.“

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