FörderungRhein-Sieg-Programm für schnelles Internet vor dem Aus – weil eine Kommune aussteigt

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Mast mit Mobilfunk-Antennen

Der Rhein-Sieg-Kreis erwartet eine Millionenförderung aus dem Graue-Flecken-Programm. Steigt eine Kommune aus, sind alle raus. (Symbolbild)

55 Millionen Euro sind bewilligt für schnelles Internet. Doch weil eine Kommune „Nein“ sagt, könnten sieben weitere in die Röhre schauen.

Gewerbetreibende, Privatleute im Homeoffice sind angewiesen auf schnelles Internet. Mit dem Graue-Flecken-Programm sollten rund 55 Millionen Euro in acht Rhein-Sieg-Kommunen fließen. Das Geld von Bund und Land ist bereits bewilligt. Doch weil die Gemeinde Neunkirchen-Selscheid nun nachträglich ausschert, steht das komplette Förderprojekt auf der Kippe. Der Unmut im Kreis ist groß.

Lohmar, Windeck, Eitorf und die anderen würden dann in die Röhre gucken, der Breitband-Ausbau, in schwach besiedelten Ortslagen nicht aus eigener Kraft zu finanzieren, rückte in weite Ferne. Das „Nein“ im Gemeinderat sei für Bürgermeisterin Nicole Berka (SPD) und die Verwaltung komplett überraschend gekommen, sagte Pressespecherin Anna Peters gestern auf Anfrage der Redaktion, die Bürgermeisterin war wegen ihres erkrankten Kindes nicht zu sprechen. Der Ortsausschuss hatte noch einstimmig dafür gestimmt.

In Neunkirchen-Seelscheid gibt es die meisten Adressen mit sehr schlechter Internetversorgung

Die Frist für den Förderantrag sei so knapp gewesen, dass die Gemeinde auf dieser Grundlage ihre Beteiligung erklärte, so Peters. Der 20-prozentige Eigenanteil beträgt knapp vier Millionen Euro, fast 16 Millionen Euro würden Land und Bund beisteuern. Sieben weitere Rhein-Sieg-Kommunen sind dabei: neben Lohmar, Windeck und Eitorf auch Bad Honnef, Königswinter, Rheinbach und Swisttal.

Eigenanteil und Fördersumme berechnen sich anhand der Haushalte mit sehr schlechter Internetversorgung, die laut ohne Förderung in den kommenden drei Jahren definitiv nicht ausgebaut würden. Laut eines Markterkundungsverfahrens sind dies in Neunkirchen-Seelscheid knapp 2000 von etwa 7400 Adressen, die höchste Zahl im Rhein-Sieg-Kreis. Andere Städte und Gemeinden wie Siegburg, Troisdorf und Ruppichteroth hatten im Vorfeld bereits abgewinkt: Entweder weil der Glasfaserausbau gut laufe oder weil die finanzielle Lage miserabel sei.   

Im Gemeinderat Neukirchen-Seelscheid gab es keine Rückfragen von den Kritikern

Das Thema stand schon auf der Oktobersitzung des Gemeinderats Neunkirchen-Seelscheid, der Beschluss des Ortsausschusses sollte lediglich formell bestätigt werden. Doch wegen Informationsbedarf der Grünen sei der Punkt verschoben worden, so Peters. Zur folgenden Ratssitzung habe die Verwaltung alle Informationen zusammengestellt, zudem sei ein Mitarbeiter der Wirtschaftsförderung beim Rhein-Sieg-Kreis eingeladen gewesen - für etwaige Rückfragen. Die gab es nicht.   

Bei der Abstimmung kam die Überraschung: Lediglich die SPD und  Bürgermeisterin Berka stimmten für das Graue-Flecken-Programm, für das der Antrag längst lief. Die Mehrheit lehnte ab wegen der finanziellen Belastung und möglicherweise drohenden Steuererhöhungen. Berka beanstandete diesen Beschluss und setzte eine Sondersitzung an. Begründung: Um Schaden vom Wohl der Gemeinde abzuwenden.  

Am kommenden Montag steht das Graue-Flecken-Programm nun erneut auf der Tagesordnung im Ratssaal, die Sitzung beginnt um 18 Uhr. Im Hintergrund sollen bereits ernste Gespräche laufen zwischen Parteikollegen aus den anderen Kommunen mit den Ratsmitgliedern der CDU, Grünen und FDP aus Neunkirchen-Seelscheid. Verwaltung und Bürgermeisterin hofften auf ein Umdenken, sagt Peters: „Uns sprechen täglich unzufriedene Bürger auf den Glasfaser-Ausbau an.“

Im 20.000-Einwohner-Ort gibt es laut einer Datenerhebung von Creditreform ein Dutzend unmittelbar Intenet-abhängige Firmen, dazu kommen zahlreiche Großhandelsunternehmen und Mittelständler, Steuerberater, Rechtsanwälte, Architekten und eine Vielzahl von Beschäftigten im Homeoffice. Laut Experten drohe die Abwanderung etlicher Betriebe.

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