Zwei Zeitzeugen erinnern sichAls in Seelscheid der Krieg endete

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Emmi Hassel (l.) blättert zusammen mit Klemens Krumm in einer umfangreichen Dokumentation über den Zweiten Weltkrieg, die der Heimatforscher sorgfältig zusammengestellt hat.

Emmi Hassel (l.) blättert zusammen mit Klemens Krumm in einer umfangreichen Dokumentation über den Zweiten Weltkrieg, die der Heimatforscher sorgfältig zusammengestellt hat.

  • Am 11. April 1945 wurde das KZ Buchenwald von der US-Armee befreit.
  • Am 10. April zogen die deutschen Soldaten in Seelnscheid ab, am Abend kamen die Amerikaner.
  • Heimatforscher Klemens Krumm und Zeitzeugin Emmi Hassel erinnern sich an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Seelnscheid.

Neunkirchen-Seelscheid – Emmi Hassel hat Tränen in den Augen, als sie von einem Erlebnis im April 1945 erzählt. „Mein Vater musste die toten deutschen Soldaten im Wald einsammeln, die Amerikaner hatten ihm das aufgetragen. Doch plötzlich fand er Männer, die noch am Leben waren. Schnell brachte er sie zu uns auf den Hof, wo sie vom amerikanischen Truppenarzt versorgt wurden. Zum Glück haben alle überlebt.“ 13 Jahre war die Zeitzeugin damals alt. Emmi Jansen hieß die Tochter des Landbriefträgers noch mit ihrem Mädchennamen.

Sechs Tote wurden provisorisch hinter der Scheue des Hofes vergraben. Darunter war auch eine Frau. „Sie starb, weil eine Gruppe beim Einmarsch der Amerikaner aus dem Keller heraus gerufen hatte: Wir sind keine Nazis“, berichtet Klemens Krumm. Die Amerikaner hätten allerdings nur das Wort „Nazis“ verstanden und schnell eine Handgranate in den Keller geworfen. Eine Frau starb, ihre Tochter wurde verletzt.

Amerikaner kamen durch das Wahnbachtal

Krumm war damals fünf Jahre alt und hat als Heimatforscher die Ereignisse „des unsinnigen Kampfes um Seelscheid“ dokumentiert. Soldaten hätten „ihr junges Leben gelassen, weil sie dem unheimlichen Geschick der Nazipropaganda erlegen waren“.

Jansen erinnert sich genau, wie die Amerikaner durchs Wahnbachtal nach Kotthausen kamen. Zuvor habe es Kämpfe gegeben. „Bei einem Granatenangriff wurden ein Ochse und ein Kuh getroffen“, erinnert sich die Zeitzeugin an die ersten Tage im April. Zum Glück sei eine Metzgersfrau aus Köln im Ort einquartiert gewesen. Sie konnte die Tiere notschlachten. „Das Fleisch haben wir bei unseren Nachbarn verteilt.“ Mit Strom betriebene Kühlschränke gab es damals nicht.

Krumm erinnert sich an den Abzug der deutschen Soldaten nach Much am 10. April. Die Männer seien zu Fuß und ohne schwere Waffen unterwegs gewesen. „Meine Mutter hatte als Zeichen der Aufgabe ein weißes Betttuch aus dem Fenster gehängt“, erzählt Krumm.

Amerikaner verhielten sich korrekt

Plötzlich habe ein Nazioffizier an der Tür geklopft und seine Mutter aufgefordert, das Laken hereinzuholen. Sie habe dies getan, das Betttuch jedoch sofort wieder herausgehängt, als die deutschen Soldaten verschwunden waren. Abends gegen 18 Uhr erreichten die Amerikaner den Ort Leienkreuz.

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„Die Soldaten haben sich korrekt verhalten, es gab keinen Vandalismus“, erinnert sich der Zeitzeuge. Später erfuhr er, dass die meisten von ihnen deutsche Vorfahren hatten. So ganz vertrauten die Amerikaner den Menschen im Dorf jedoch nicht. „Beim Durchsuchen der Gebäude auf unserem Hof musste mein 13-jähriger Bruder Kunibert als Kugelfang vor den Soldaten gehen“, berichtet Krumm. Auch das Wasser, das die Amerikaner aus dem Brunnen geschöpft hatten, mussten sein Vater und sein Bruder vorher trinken, damit die Soldaten erkennen konnten, ob es vergiftet war.

Eine andere Erinnerung ist Krumm besonders im Gedächtnis geblieben: Pfarrer Peter Simons wurde von den Amerikanern beauftragt, drei gefallene deutsche Soldaten zu beerdigen. Am 12. April 1945 fand die Beisetzung statt. Krumm, sein Bruder Heinrich und Leo Stümper aus dem Dorf wurden dafür als Ministranten verpflichtet. Es habe keine Särge gegeben. Die Toten wurden beerdigt, nur von Tüchern bedeckt.

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