Behinderten Mann erstochenKeine Sicherungsverwahrung für Ex-Soldat nach Totschlag

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Justitia vor blauem Himmel

Der 32-Jährige Angeklagte fand eine milde Richterin. (Symbolbild)

Bonn – Die grausame Tötung eines 30-jährigen Bewohners im Haus Müllestumpen gehört zu den besonders verstörenden Verbrechen, die am Bonner Landgericht verhandelt wurden. Zum Abschluss eines fünfmonatigen Prozesses wurde ein damals 19-jähriger ehemaliger Bundeswehrsoldat im April 2016 wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu acht Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Die Möglichkeit einer anschließenden Sicherungsverwahrung hatte sich das Gericht vorbehalten, falls er sich nicht dem Verbrechen stelle. „Wenn der Grund für die Tötung nicht erkannt wird, ist eine solche Tat jederzeit wieder von ihm zu erwarten“, hieß es damals im Urteil.

Über diese Frage der Sicherungsverwahrung musste die Kammer jetzt entscheiden, denn im April 2023 endet die Haft für den 26-Jährigen. Ergebnis: Eine Sicherheitsverwahrung wurde nicht verhängt.

Der Täter stach unvermittelt neun Mal zu

Der Mann war im April 2015 gezielt mit einem Messer losgezogen, um einen Menschen zu töten. Dem Behinderten mit Down-Syndrom, der in der betreuten Einrichtung lebte, war er zuvor nur einmal begegnet; Freunde hatten ihm erzählt, dass er wunderbar Keyboard spielen könne.

Der 30-Jährige öffnete dem 19-Jährigen ahnungslos die Tür – und hatte keine Chance: Der Täter stach unvermittelt neun Mal zu, hinterließ auf der Flucht eine Blutspur bis nach Hause. Das Opfer starb noch in der Nacht in Folge des hohen Blutverlustes.

Der Angeklagte hatte Tötungsphantasien

Der anschließende Mordprozess vor dem Bonner Jugendschwurgericht konnte die Gründe nicht aufklären: Der Angeklagte schwieg. Dass er die Tat begangen hatte, war unstrittig: Er hatte das Verbrechen einem Freund gestanden, dem er zuvor auch von seinen Tötungsfantasien erzählt hatte. Ein Motiv war indes nicht zu erkennen.  Entsprechend konnte die 8. Große Strafkammer ihn nicht wie angeklagt wegen Mordes zur Verantwortung ziehen.

In dem jetzigen Prozess zur Sicherheitsverwahrung wurde ein psychiatrischer Sachverständiger gehört, die Beurteilung eines Gefängnispsychologen wurde verlesen. Die Fachleute kamen zu dem einhelligen Ergebnis, das der Angeklagte auf „einem guten Weg“ sei.

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Demnach habe der damals 19-Jährige in den Wochen vor der Tat an einer „schizoaffektiven Störung“ gelitten und sich in einem psychotischen Ausnahmezustand befunden.

Fünf Jahre habe es gedauert, bis der Häftling in der Lage war, über sich und das Geschehen zu sprechen: Er vertraute sich erstmals einem JVA-Therapeuten an und erarbeitete mit diesem einen Notfall-Plan, falls er noch mal in eine solche psychiatrische Störung geraten sollte.

Mit dem Luftgewehr auf Passanten geschossen

Diesmal sprach der Angeklagte auch mit den Richtern: „Eine logische Erklärung für die Tat habe ich nicht“, bekannte er. Damals habe er an „massiver Selbstaggression und auch großer Leere gelitten“ und Angst gehabt, dass man ihn in die Psychiatrie einsperre. Vor der Tat bereits hatte er Suizidversuche unternommen. Und noch einen Abend vor der Tat schoss er mit einem Luftgewehr auf Passanten.

Eine hohe Gefahr, dass er eine solche Tat erneut begehen könnte, gebe es derzeit nicht, hieß es am Ende des Verfahrens. Im letzten Wort zeigte sich der 26-Jährige dankbar: „Ich freue mich, dass Sie mir eine Chance geben, zu beweisen, dass ich ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft sein kann.“

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