In 104 Fällen angeklagtEx-Lehrer aus dem Rhein-Sieg-Kreis gesteht Kindesmissbrauch

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Zu Beginn der Verhandlung verbarg der Ex-Pädagoge sein Gesicht hinter einem Aktenordner. 

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis – Anfangs ging es ums Spiel, später wollte er mehr, nämlich Sex mit den minderjährigen Mitspielern. „World of Tanks“ heißt das Computerspiel, in das sich ein heute 30-jähriger Ex-Lehrer aus dem Rhein-Sieg-Kreis eingeloggt hatte und das er als Einstieg genutzt haben soll, um mit Jungen Kontakt aufzunehmen.

Davon geht die Staatsanwaltschaft Bonn aus, die den inzwischen suspendierten Pädagogen wegen Kindesmissbrauchs in insgesamt 104 Fällen angeklagt hat. Seit Dienstag muss er sich vor der 2. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts verantworten. In einer schriftlichen Einlassung, die sein Verteidiger Maximilian Klefenz verlas, räumte der Angeklagte die Vorwürfe im Wesentlichen ein und bat die Opfer um Entschuldigung.

Angeklagter sei von Mutter misshandelt worden

Der Mann wuchs bei seiner Mutter auf, die ihn misshandelt habe, ihn mit Gürtel, Teppichklopfer und Besen geschlagen, ihn erniedrigt und bespuckt habe, während sie „mit Typen rumgemacht“ habe. „Ich kann ihr nicht verzeihen“, sagte der Angeklagte unter Tränen. Erst vor fünf Jahren habe er seinen Vater kennengelernt, der jetzt ebenso wie seine drei Geschwister zu ihm stehe.

In der Schule sei er Außenseiter gewesen, sei gehänselt worden. 2011 machte er Abitur, studierte Mathematik und Erziehungswissenschaft auf Lehramt, lebte von Bafög und jobbte als Zugbegleiter und studentische Hilfskraft. Nach dem Referendariat wurde er 2019 an einem Gymnasium im Rhein-Sieg-Kreis als Beamter auf Probe eingestellt.

Bezirksregierung hat Beamtenstatus aberkannt

Die Arbeit sei, vor allem wegen der Konferenzen, „stressig“ gewesen, er habe oft nicht mehr als drei Stunden geschlafen, aber „ich unterrichte gerne“, sagte der 30-Jährige. Damit ist es vorbei, die Bezirksregierung hat ihm nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe den Beamtenstatus aberkannt. Er sitzt in Untersuchungshaft.

Zwischen März und August 2020 soll der Angeklagte mit Hilfe des Spiels vier damals neun, zwölf und 13 Jahre alte Jungen kennengelernt haben, mit denen er bald in private Whatsapp-Chats wechselte und sie aufforderte, ihm Nacktfotos zu schicken. Was die Kinder auch taten. Der Missbrauch fiel auf, als die Mutter des Neunjährigen ihren Sohn beim Chat erwischte und den Lehrer anzeigte.

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Die Polizei beschlagnahmte Handy und PC. Bei ihren Ermittlungen stießen die Beamten auf einen zurückliegenden Fall, bei dem der Angeklagte ab 2014 über vier Jahre lang einen zu Beginn der Taten Zehnjährigen missbraucht haben soll. Er hatte den Jungen in einem Feriencamp, in dem er als Betreuer arbeitete, kennengelernt und sich offenbar in ihn verliebt.

Wechselseitige Besuche folgten. Die Staatsanwaltschaft geht von 90 Missbrauchsfällen aus, der Angeklagte widersprach, es seien höchstens 30 sexuelle Handlungen gewesen. Offenbar hatte er darüber Buch geführt. Der Ex-Lehrer hat diesem Opfer eine Entschuldigung und auch Geld angeboten, was dessen Eltern aber abgelehnt haben. „Ich habe nie jemanden unter Druck gesetzt und wollte nie jemandem weh tun“, erklärte er. Er hoffe, dass den Geschädigten eine Aussage vor Gericht erspart werde.

„Das war schon mal ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Kammervorsitzender Wolfgang Schmitz-Justen. „Wir wollen Sie verstehen“, fügte der Richter an, machte aber auch klar: „Verständnis werden Sie nicht kriegen.“ Das Strafmaß sieht bis zu zehn Jahre Haft vor. Der Prozess wird fortgesetzt. 

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