Seilbahn in BonnDeutschlandweit einzigartiges Projekt kommt großen Schritt voran

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Trasse_Seilbahn_Bonn

Das Seilbahnprojekt in Bonn hat eine wichtige Hürde genommen.

Bonn – Das Bonner Seilbahn-Projekt hat in der Analyse ihrer Nutzen und Kosten durch ein Ingenieurbüro eine sehr gute Bewertung erhalten. Das teilte Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) am Montag mit. Das Projekt hat damit eine entscheidende Hürde auf dem Weg zu seiner Verwirklichung genommen.

Denn nur mit einer positiven Bewertung in diesem „Standardisiertes Verfahren“ genannten volkswirtschaftlichen Gutachten kommt ein solches Projekt des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) überhaupt in Betracht für eine finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand. Dörner sagte zu dem Ergebnis: „Eine Seilbahn wäre ein Meilenstein für nachhaltige Mobilität.“

Die Oberbürgermeisterin wies darauf hin, dass es in ganz Deutschland bislang keine in den ÖPNV integrierte Seilbahn gebe. Zwar gebe es verschiedentlich auch andernorts Initiativen dafür, aber: „Keine andere Stadt mit einem Seilbahnprojekt soweit wie Bonn.“

Im Ergebnis der Standardisierten Bewertung durch das Büro Spiekermann Ingenieure GmbH erhält die Bonner Seilbahn eine Bewertungszahl von 1,6. Die Bewertung bezieht sich ausschließlich auf die favorisierte „Nordtrasse“, andere Varianten waren nicht Teil der Untersuchung.

Der Bonner Stadtbaurat Helmut Wiesner begründete das während der Vorstellung der Analyse damit, dass die untersuchte Trasse fast ausschließlich über öffentlichen Grund verlaufe. Das minimiere mögliche Konflikte mit privaten Grundstückseigentümern.

Die Nordtrasse verläuft vom Gelände der Universitätsklinik auf dem südlich der Bonner Innenstadt gelegenen Venusberg auf etwa 4,3 Kilometern Länge über den Rhein hinweg bis in den rechtsrheinischen Stadtteil Ramersdorf. Inklusive der beiden Endhaltestellen hätte die Seilbahn fünf Haltepunkte. Drei davon – die Endhaltestelle am künftigen S-Bahnhaltepunkt in Ramersdorf, die Haltestelle Loki-Schmidt-Platz in Kessenich und die Haltestelle UN-Campus am gleichnamigen Regionalbahnhaltepunkt – würden die Seilbahn direkt mit der Straßenbahn und dem Regionalbahnverkehr verbinden.

Fahrtzeit würde sich halbieren

An der Endhaltestelle Venusberg und am Haltepunkt in der Bonner Rheinaue wäre die Verknüpfung mit Buslinien gegeben. Nach Angaben von Kathrin Küppers, Projektleiterin für konzeptionelle Verkehrsplanung beim Büro Spiekermann Ingenieure, würde sich die Fahrtzeit vom Schießbergweg in Ramersdorf bis zum Venusberg um etwa die Hälfte verringern. 

Die Stadtverwaltung will dem Stadtrat nun vorschlagen, dass dieser wiederum in seiner Sitzung am 9. Dezember die Verwaltung beauftragt, für das Seilbahnprojekt einen Antrag für den ÖPNV-Bedarfsplan des Landes zu stellen, damit das Projekt auch mit Geld aus der Landeskasse gefördert wird. Parallel soll auch ein Beihilfeverfahren an die Europäische Union in Gang gebracht werden. Für das nötige Planfeststellungsverfahren, die Ausschreibung des Projekts und den Bau der Seilbahn rechnet Stadtbaurat Wiesner mit insgesamt etwa sechs Jahren Zeit. „Wenn es gut laufen würde, könnte die erste Seilbahn in sechs Jahren fahren“, so Wiesner. Das wäre im Jahr 2027.

Wiesner warnte allerdings, dass das nun bekannt gegebene Ergebnis des Standardisierten Verfahrens ausschließlich für die untersuchte Trassenvariante gelte. „Eine Änderung der Linienführung würde das Projekt weit zurückwerfen“, so der Stadtbaurat, weil dann das Standardisierte Verfahren nochmals ganz von vorn gestartet werden müsste.

Oberbürgermeisterin Dörner: „Weit überwiegend positives Feedback“

Angesprochen auf mögliche Verzögerung im Projekt durch den Einspruch privater Grundstückseigentümer teilte Wiesner mit, dass der einzige direkt von der Trasse berührte private Eigentümer der Süßwarenkonzern Haribo in Kessenich sei, mit dem man sehr frühzeitig Kontakt wegen des Projektes aufgenommen habe. Zwar gebe es in Bonn auch Gegner der Seilbahn. Diese hätten sich aber bisher gegen das Projekt insgesamt gewandt und nicht als Grundstückseigentümer Einspruch erhoben.

Die Oberbürgermeisterin, deren Partei die Vierer-Ratskoaltion mit SPD, Linkspartei und Volt anführt, zeigte sich optimistisch, was die Haltung der Bonnerinnen und Bonner zur Seilbahn betrifft. „Das Feedback ist weit überwiegend positiv, weil viele Bonnerinnen und Bonner den verkehrspolitischen Nutzen sehen, aber auch, weil die Seilbahn sehr gut mit anderen ÖPNV-Angeboten verknüpft ist. Ich glaube, dass es möglich ist, eine sehr große Unterstützung für die Seilbahn zu erhalten.“


Die Bonner Seilbahn - technische Daten

Die Bonner Seilbahn soll täglich knapp 15.000 Menschen transportieren. Die insgesamt 95 Kabinen mit zehn Sitzplätzen sollen pro Stunde 1500 bis 1800 Fahrgäste befördern bei täglich 17 Stunden Betriebszeit. Die Fahrtzeit zwischen Schießbergweg in Ramersdorf und Uniklinikum auf dem Venusberg soll weniger als 20 Minuten betragen.

An den Haltestellen sollen alle 20 bis 24 Sekunden Kabinen ankommen. Für den Bau der Anlage mit ihren insgesamt 34 je 28 Meter hohen Stützen und den Haltepunkten veranschlagt das Büro Spiekermann Ingenieure eine Summe von 66 Millionen Euro, wobei in diese Summe bereits ein 30-prozentiger Zuschlag mit Blick auf Preissteigerungen für Material und Arbeit eingerechnet ist. Die Stadt Bonn müsste davon allerdings nur einen Teil selbst tragen. (ps)


Das Standardisierte Verfahren

Kathrin Küppers vom Büro Spiekermann Ingenieure wies am Montag in Bonn darauf hin, dass mit dem Bau der Seilbahn jährlich 12,4 Millionen mit dem Auto gefahrene Kilometer vermieden werden könnten. Der von ihr geleiteten Standardisierten Bewertung des Seilbahnprojektes zufolge stehen 5,62 Millionen Euro an jährlichen Kosten für die Seilbahn (Investitionen und Betrieb) 6,91 Millionen Euro an Nutzen pro Jahr gegenüber. Das Projekt habe damit ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,6. Der Nutzenüberschuss von 1,29 Millionen Euro jährlich sei ein „sehr, sehr gutes Ergebnis“. Zum Vergleich: Die rechtsrheinische Straßenbahnverbindung zwischen Niederkassel und Köln-Porz-Zündorf hat in der Standardisierten Bewertung nur ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,03 erreicht. (ps)

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