Eva Zoske-Dernóczi gibt Schülern die Möglichkeit, offen über ihre Probleme zu sprechen – auch, indem sie selbst tabuisierte Themen anspricht.
Depressionen, Diskriminierung, sexuelle GewaltSchulpfarrerin am Hennefer Berufskolleg spricht über Tabuthemen

Eva Zoske-Dernóczi ist Ansprechpartnerin für rund 2600 Schülerinnen und Schüler, die mit unterschiedlichsten Themen in ihre Sprechstunde kommen.
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Psychische Erkrankungen, sexualisierte Gewalt, Rassismus und Diskriminierung: Eva Zoske-Dernóczi spricht über Themen, die man nicht ignorieren kann. Sie möchte enttabuisieren und aufklären, Schüler ermutigen und stärken. Die 55-Jährige ist Schulpfarrerin am Carl-Reuther-Berufskolleg in Hennef und ist gemeinsam mit einem großen Beratungsteam Ansprechpartnerin für rund 2600 Schülerinnen und Schüler.
„Viele Schüler kommen hierher und haben schon Mobbing erlebt, verbinden mit Schule nichts Gutes“, sagt die Leiterin der Courage-AG am Berufskolleg. Es sei daher grundlegend, dass diese sich vertrauensvoll an jemanden wenden können, egal worum es geht. Diesen Job macht Eva Zoske-Dernóczi seit zwölf Jahren.
Rassismuserfahrungen in ihrer eigenen Jugend prägten das Engagement der Schulpfarrerin
Als Leiterin des Projekts „Schule mit Courage“ lädt sie außerdem Referentinnen und Referenten zu Themen wie Menschenrechten, Extremismusprävention, Rassismus oder Diskriminierung ein – auch Comedians, die diese Themen auf humorvolle Weise aufgreifen.
Wenn junge Frauen in ihre Sprechstunden kommen, geht es nicht selten um sexualisierte Gewalt. In solchen Fällen nimmt sie Kontakt zu externen Fachberatungen auf, „da gegebenenfalls noch eine Anzeige raus muss, Untersuchungen und vor allem professionelle Hilfe erforderlich ist“. Wenn sich die Schülerinnen unsicher fühlen, begleitet Zoske-Dernóczi diese auch nach Bedarf nach ihrer Arbeitszeit zu Terminen.
Ich hatte keine leichte Kindheit und Jugend. Ich weiß, was Gewalt ist, ich weiß, was Diskriminierung und Rassismus ist.
Aus ihrer Beratungstätigkeit kommt auch der Impuls, Schüler und Kollegen zu motivieren, anlässlich des „Orange Day“ orangefarbene Bänke zu bauen, um auf sexualisierte und häusliche Gewalt gegen Frauen und auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen. In den schuleigenen Werkstätten sind inzwischen 33 solche Bänke entstanden, derzeit werden weitere gefertigt.

Die orangefarbene Bank in Königswinter haben Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs Hennef gebaut, um auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.
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Bei Männern gehe es in den Beratungen häufig um den Umgang mit Emotionen. „Ich nehme das als großes Kompliment wahr, dass mich männliche Schüler aufsuchen und bei mir weinen können – und wissen, dass ich das niemandem erzählen werde“, so die Seelsorgerin. „Nach ihrem Gefühl ist es so: Sie dürfen so nicht sein, sie dürfen das nicht zeigen. Das sind leider oft diese Männlichkeitsbilder in den Köpfen.“
Dass die Schülerinnen und Schüler sich ihr öffnen können, komme vermutlich auch daher, dass sie selbst vieles von sich teile, was sie nahbar mache: „Ich hatte keine leichte Kindheit und Jugend. Ich weiß, was Gewalt ist, ich weiß, was Diskriminierung und Rassismus sind, ich habe nicht nur Therapie hinter mir und rede offen darüber, sondern auch eine dreijährige Weiterbildung zur personenzentrierten Beraterin“, so Zoske-Dernóczi. „Wenn wir als Lehrkräfte immer nur Stärke zeigen und so tun, als wären wir so, wie wir hier sitzen, geboren worden, kommen wir nicht weiter.“
Psychische Erkrankungen möglichst früh erkennen und gemeinsam mit Betroffenen Wege finden
Eva Zoske-Dernóczi wuchs in einem kleinen Vorort von Koblenz auf. Als Kind migrantischer Eltern habe ein „komischer Nachname“ in den 1970er und 1980er Jahren schon ausgereicht, um rassistisch diskriminiert zu werden. Wegen solcher Anfeindungen habe sie sogar einmal die Schule wechseln müssen.
Über psychische Erkrankungen spreche sie auch offen im Religionsunterricht, sagt sie. So wolle sie es den Schülern erleichtern, in ihre Beratung zu kommen, wenn sie sich in dem Besprochenen eventuell selbst wiedererkennen. Auch ein Projekttag zum Thema „Gesundheit und Resilienz“ habe viel Positives bewirkt.
Ich stelle keine Diagnosen, helfe aber, den Weg zu einem Arzt zu finden.
Manchmal gehe sie auch auf auffällige Schülerinnen und Schüler zu – so beispielsweise bei einem Schüler, der sehr hohe Fehlzeiten hatte. „Ich habe ihm immer wieder gesagt: ‚Reden hilft.‘ Irgendwann kam er dann in die Sprechstunde, und alles, was er erzählt hat, klang nach einer Depression. Ich stelle keine Diagnosen, helfe aber, den Weg zu einem Arzt zu finden.“
Dann habe sie gemeinsam mit ihm erarbeiten können, was er benötigte: einen Arzt, therapeutische Hilfe, bezahlbare Nachhilfe, eine Lerngruppe. „Es gibt immer viele Wege“, unterstreicht die Schulpfarrerin. Es sei ihr wichtig, keine Ratschläge zu erteilen, sondern immer mit den jungen Menschen gemeinsam herauszufinden, was sie tun möchten.
Ihre Sprechstunden seien immer gefüllt. Das Beratungsteam des Berufskollegs bestehe aus elf Personen – neben den Berufsschulpfarrern auch aus Schulsozialarbeitern, Beratungslehrern und Förderpädagogen – „und alle elf haben gut zu tun.“ Diese große Gruppe an Vertrauenspersonen mache es möglich, im Team zusammenzuarbeiten, bei einzelnen Schülerinnen und Schülern genauer hinzuschauen und Probleme früh zu erkennen.
Wenn Schülerinnen und Schüler zur Beratung gehen möchten, ohne dass andere dies mitbekommen, vereinbart Eva Zoske-Dernóczi auch mal Termine außerhalb der Schulzeit. Sie wolle die Gespräche immer so gut es geht möglich machen – der erste Beratungstermin sei oft entscheidend dafür, ob eine Person auch weitere Formen der Hilfe annimmt.

