An zwei Tagen präsentierten Sängerinnen und Sänger das gesamte Spektrum der Chormusik. 30 Singgemeinschaften bestritten die Konzerte in Hennef.
90 Jahre ChorverbandMehr als 900 Menschen sangen beim Chorfestival Rhein-Sieg

Der Quartettverein Heisterschoß stand am Sonntag auf der Bühne in der Halle Meiersheide.
Copyright: Andrea Enzenberger
Wenn an einem Wochenende an einem Ort mehr als 900 Menschen ihre Stimmen erheben, ist das eine sehr leidenschaftliche Versammlung – oder ein Chorfestival. In diesem Fall Letzteres. Zwei Tage, 30 Chöre, eine Halle voller Klang, Kraft und vielen Halsbonbons – zum 90-Jahr-Jubiläum des Chorverbands Rhein-Sieg wurden Bühne und Saal der Hennefer Meiersheide zum musikalischen Mittelpunkt des Rhein-Sieg-Kreises.
Von romantischen Balladen bis zu Pop-Perlen war alles dabei
Schon beim Blick aufs Programm zeigte sich: Das wird kein müder Aufguss altbekannter Klassiker, sondern ein Fest der Vielfalt. Von romantischen Balladen bis zu rhythmischen Pop-Perlen war alles dabei. Und da standen sie am Samstagabend, klein im Namen und groß im Auftritt, die Young Hope Kids aus Eitorf. Mit Präzision und ungebremster Freude überzeugten sie nicht nur stimmlich, sondern auch mit einer mitreißenden Bühnenpräsenz, die – mit einem Medley aus Titeln von Mark Foster, Farytail und Dreamer– irgendwo zwischen Musicalbühne und Kinderdisco lag, im allerbesten Sinne.

Auch die Formation „La Voce“ aus Honrath war in Hennef mit von der Partie.
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Was danach kam, war eine Art musikalischer Staffellauf, bei dem der Stab aus Tönen zwischen Kirchturmklassik und Broadway-Flair hin und her flog. Die Chöre zeigten, wie wandelbar die Chorlandschaft längst ist. Mal tänzelte ein Ensemble durch ein Beatles-Medley, mal donnerte ein Männerchor mit sonorer Wucht durch „Santiano“. Und zwischendrin: spontane Mitsingmomente, mitklatschende Hände und anerkennende Kommentare bei etlichen Fortefortissimos.
Die Vielfalt des Programms spiegelte nicht nur unterschiedliche Stile, sondern auch Generationen. Seniorenchöre wie der MGV Alzenbach sangen mit der Gelassenheit eines gereiften Barolos, machten auch vor Selbstironie nicht Halt, während gemischte Ensembles wie die „Große Chorgemeinschaft Hennef“ mit peppigen Arrangements wie „Alles was du kannst“ der puristisch in tiefschwarz gehaltenen Bühne musikalische Farbtupfer verpassten. Leonard Cohens „Hallelujah“ in schlichter Schönheit verleitete zum Mitsingen, man lobte sich gegenseitig oder eben auch nicht.

Unter anderem „Über sieben Brücken“ sang der Chor „Vocal Mix Oberhauer Klänge“.
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Wer Gänsehautmomente suchte, fand sie bei den „Klangfarben“ aus Eitorf. Der Ausnahme-Chor, wie Moderatorin Sandra Krist-Rösgen ankündigte, kam mit einer Mission. Unter der Leitung von Ruslan Aliyev, seines Zeichens Opernsänger und musikalischer Feinschmecker, lieferte die A-cappella-Formation eine Vorstellung ab, die irgendwo zwischen Konzertsaal und Stadion lag. Besonders Rammsteins „Engel“ war ein Ereignis: kraftvoll, präzise bis in die letzte Silbe und mit immenser Intensität interpretiert. Da bebte nicht nur die Bühne, das Festival bebte.

Der Vorsitzende des Chorverbandes Rhein-Sieg: Frank Heuser.
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Spaß haben, sich mit anderen Austauschen, Bekanntschaft schließen. Der Dreiklang spielt für Frank Heuser, den Vorsitzenden des Chorverbandes Rhein-Sieg, die erste Geige beim Festival zum Neunzigsten. Vom vielbeweinten Chorsterben hält der Sänger nichts, „Chöre formieren sich neu“, sagte er am Rand, anders als früher. So werden Projektchöre beliebter, „man probt gemeinsam, singt ein, zwei Konzerte gemeinsam und geht danach wieder auseinander“, auch dafür sollte die Veranstaltung eine Plattform bieten.
Chöre müssten zudem zusammenkommen, um ein Konzert stemmen zu können. Saalmiete, Ton- und Lichttechnik, Logistik – auch der Kosten wegen. Um die Aufnahmetechnik musste sich in der Meiersheide nicht jeder Chor Gedanken machen. So stellte „Young Hope“ das vereinseigene Equipment samt hochwertiger Mikrofone zur Verfügung, und auch am Mischpult schoben kundige Hände die Regler und den Sound in die Halle, Sonderwünsche waren dabei nicht vorgesehen.
So warf das Jubiläum nicht nur Schlaglichter auf 90 Jahre Chortradition, sondern auch auf eine Zukunft, in der jeder Ton zählt. Und manchmal auch ein Flügelpaar aus Eitorf.