ÜberblickWas die Weihnachtsgans direkt vom Hof in diesem Jahr im Rhein-Sieg-Kreis kostet

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Gänse stehen auf einem Feld.

In vielen Familien kommt an den Festtagen traditionell eine Gans auf den Tisch.

Ist die Weihnachtsgans direkt vom Hof noch erschwinglich? Wir haben mit Landwirten aus Lohmar, Hennef und Niederkassel gesprochen. 

Die Festtage stehen bevor. Und in vielen Familien kommt traditionell eine Gans auf den Tisch. Nicht nur die Verbraucher drückt die Inflation, die Erzeuger in der Region kämpfen ebenfalls mit steigenden Preisen vor allem für Energie. Ist der Freiland-Flattermann für die Verbraucher noch erschwinglich? Wir haben mit drei Bauern, Albert Trimborn aus Lohmar, Franz-Josef Telohe aus Niederkassel und Florian Klein aus Hennef, gesprochen. 

Wenn seine 1800 Gänse nicht den Schnabel halten, ist das Geschnatter im weiten Umkreis von Gut Schiefelbusch zu hören. Das imposante Federvieh macht sich über den Mais her, der sei mit den Gösseln seit dem Frühjahr herangewachsen, schildert Landwirt Albert Trimborn,  hat die Erde gekühlt im heißen Sommer, den Tieren Schatten gespendet und wird am Ende fast restlos verputzt sein.     

Man darf als regionaler Erzeuger die Preise nicht überziehen
AlbertTrimborn, Landwirt vom Lohmarer Gut Schiefelbusch

Das komplette Futter stammt vom Hof, deshalb kümmern die steigenden Marktpreise den Familienbetrieb in Scheiderhöhe wenig. Doch auch die Löhne, die Maschinen und die Energie seien teurer geworden, sagt Trimborn. 50 Cent auf den Kilopreis habe er im vergangenen Jahr draufschlagen müssen, in diesem Jahr sei es bei den 20,90 Euro geblieben.

Trimborns ziehen seit 30 Jahren Gänse auf, begrüßen in den beiden Hofländen viele Stammkunden. „Man darf als regionaler Erzeuger die Preise nicht überziehen“, meint der Bauer, „das ist nicht die richtige Taktik.“

Das Label „Bergische Federn“ arbeitet mit Material aus Lohmar 

Gut Schiefelbusch lädt jeden Interessierten zum Rundgang über den Hof ein. Tiertransporte sind beim Federvieh kein Thema, geschlachtet wird vor Ort, ein Drittel der Gänse in der Martinszeit, zwei Drittel vor Weihnachten. Er selbst und seine Mitarbeiter hätten Befähigungslehrgänge absolviert, das Veterinäramt kontrolliere engmaschig.

Der hohe Haferanteil im Futter ermögliche eine umfassende Verwertung: Betten Sauer hat das Label „Bergische Federn“ kreiert mit dem Material vom Gut Schiefelbusch, so Trimborn. Das im Hafer enthaltene Karotin, das natürliche Vitamin B12 sorge für eine gute Struktur und somit eine hohe Qualität der Federn. 

Die Berichterstattung über Inflation und Energiekrise war Panikmache
Florian Klein, Landwirt aus Hennef-Uckerath, hat die Zahl seiner Bio-Gänse reduziert

Überwiegend Gras fressen die schmackhaften Wasservögel auf Kleins Biohof in Hennef-Uckerath. Florian Klein, der den elterlichen Betrieb übernommen hat, zieht seit dem vergangenen Jahr nur noch 300 statt 500 auf. Die Berichterstattung über Inflation und Energiekrise, die er als „Panikmache“ bezeichnet, habe zu spürbarer Kaufzurückhaltung bei den Verbrauchern geführt.   

Die Gänse erhielten wie die Hühner, Enten und Puten zusätzlich  eine Öko-Futtermischung, deren Preis stark gestiegen sei. Auf die Fütterung mit Mais verzichtet der 36-Jährige, „um eine Fettleber zu vermeiden“. Die Vögel mit dem Biolabel wachsen langsamer und bringen im Schlachtalter von fünf bis sechs Monaten drei bis fünf Kilo auf die Waage.

1000 Gänse watscheln in Niederkassel über die Wiese 

Der Kilopreis liege seit zwei Jahren unverändert bei 24,90 Euro. Die Kunden kaufen ab Hof oder auf den Wochenmärkten in Hennef, Bad Godesberg, Brühl und rund um Koblenz. Der in den 80 Jahren gegründete und langsam gewachsene Familienbetrieb, in dem Inge Klein ihren Sohn noch unterstützt, beschäftigt aktuell einen Festangestellten und zwei Teilzeitkräfte.

Die Nachholwelle nach Corona habe wieder die heimische Küche erreicht, meint Franz-Josef Telohe vom Geflügelhof Wirtz in Niederkassel. Nach Urlaubsreisen und Restaurantbesuchen freuten sich die Verbraucher wieder auf Geselligkeit und ein Festmahl zu den Feiertagen. 1000 Gänse, so viel wie im vergangenen Jahr, watscheln über die Wiesen im Ortsteil Rheidt, 90 Prozent landen zur Weihnachtszeit im Ofen, zehn Prozent zu Sankt Martin. 

Dank dem neuen Trend Thanksgiving verkaufen wir immer mehr Puten
Franz-Josef Telohe, der mit seiner Frau Astrid den Geflügelhof Wirtz in Rheidt führt

Wenngleich alles teurer werde für den Familienbetrieb, Strom, Wasser, Verpackungsmaterial und auch die Eintagsküken, liege der im vergangenen Jahr leicht angehobene Kilopreis für die Gans im Jahr 2023 unverändert bei 19,50 Euro ab Hof.

Geschlachtet werde nur auf Bestellung. Zehn Prozent der viereinhalb bis fünf Kilogramm schweren Tiere aktuell, das Gros zu Weihnachten. Einen Teil des Freilandgeflügels beziehen Metzger und Restaurants in der Region. Ein neuer Trend sei das amerikanische Erntedankfest Thanksgiving, hat Telohe, der mit seiner Frau Astrid den Gefügelhof Wirtz führt, beobachtet: „Wir verkaufen zunehmend Puten.“  

Im vergangenen Jahr seien Kunden weggeblieben aufgrund der Lage, die öffentlich schlecht geredet worden sei: „Die dachten, wir hätten gar keine Gänse.“ Doch die Stammkundschaft sei wieder da. Die Tiefkühlware, zumeist aus Osteuropa, könne qualitätsmäßig doch nicht mithalten. Zudem seien die Haltungsbedingungen dort alles andere als transparent, Stichwort hofeigenes Futter und Tierwohl, sagt der Niederkasseler: „Wir punkten außerdem mit Frische.“

Kostenlos gibt Franz-Josef Telohe Tipps für die Zubereitung des Festbratens: „Die Gans braucht Zeit, einfach in den Ofen schieben und möglichst wenig stören. Freilandtiere werden später gar, aufgrund ihres höheren Muskelanteils. Sie sind ja viel mehr in Bewegung. Und eine Viertelstunde länger in der Hitze schadet nicht.“

Bei allen drei Landwirten steht zu Weihnachten ein kross gebackener und gefüllter Vogel auf dem Tisch, mindestens. Bei Trimborns, die vier erwachsene Kinder haben, Schwiegerkinder und zahlreiche Enkel, reicht eine Gans nicht, schildert der Seniorchef: „Wir sitzen mit rund 30 Leuten an der Tafel im Gutscafé.“ 

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