Mit Pferd oder Segway?Sankt Martin auf dem Segway in Sankt Augustin löst Debatte aus

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann im Kostüm eines römischen Legionärs sitzt auf einem weißen Pferd. Im Hintergrund stehen viele Menschen, vor allem Kinder. Viele tragen Martinslaternen.

Beim großen Laternenzug in Siegburg war Sankt Martin zu Pferd stets dabei.

Tierfreunde lobten die Aktion zum Wohle der Tiere, andere sprachen sich für die jahrelange Tradition aus, echte und geschulte Pferde zu nutzen.

Für zahlreiche – teils hitzige – Reaktionen hat die Berichterstattung zum Martinszug in Niederpleis gesorgt. Weit mehr als 5000 Mal wurde der Beitrag mit einem Video kommentiert, das den Sankt Martin statt auf dem Rücken eines Pferdes auf einem Segway zeigt.

Ausschlaggebend für die Entscheidung der Dorfgemeinschaft sei die Leitlinie des Landes für Pferde im Brauchtum gewesen, hatte die Dorfgemeinschaft begründet und sich auf ein neues Fortbewegungsmittel geeinigt.

Sankt Augustiner verzichteten aus Tierschutzgründen

Die Entscheidung der Sankt Augustiner führte in den sozialen Medien zu ganz unterschiedlichen Reaktionen. Ein Tierfreund meinte: „Das Pferd wird es ihm danken. Einem Segway sind Tschingderassabumm, Fackeln im Nacken und Gesang aus 1000 Kehlen schnurzpiepegal...“

Eine andere Kommentatorin fand die „Idee mit den kleinen Steckenpferdköpfen vorne dran“ sehr gut. Es wurde auch betont, dass die Teilnahme am Zug für die „Pferde purer Stress“ sei. „Und wenn dann mal so ein Pferd ein Kind wegtritt, ist das Geschrei groß.“

Die Kritik hatte bei den gut über fünftausend Kommentaren allerdings die Überhand. So schrieb wohl die Besitzerin eines Pferdestalles: „Die meisten Umzüge haben Pferde. Wir machen allein 37 mit darauf geschulten Pferden und in 20 Jahren gab es noch nie ein Problem.“

Kritik am „religiösen Hokuspokus“

Eine Kommentatorin stellte gar das ganze Fest infrage. „Ich finde diese religiösen Festlichkeiten ohnehin unnötig und peinlich. Lasst die Kinder doch einfach mit der Laterne umherziehen und die Lichter genießen. Immer so einen religiösen Hokuspokus zu veranstalten, ist so unnötig.“

Sascha Ziegenhals ist Vorsitzender der Dorfgemeinschaft, die den Zug mit Unterstützung der Feuerwehr organisiert hatte. Er berichtet auf Nachfrage der Redaktion „eigentlich nur von positiven Reaktionen“ der Teilnehmer des Umzuges. Er habe sich bewusst hinter Sankt Martin auf den Kreisel gestellt, um zu sehen, ob es kritische Blicke gebe.

Bei uns in Niederpleis bleibt der Name Martinszug. Wir machen kein Lichterfest.
Sascha Ziegenhals, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft Niederpleis

Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Viele Teilnehmer des Martinszuges hätten sogar fröhlich Filme und Fotos vom Segway-Sankt-Martin gemacht.    

Völlig unsachlich findet Ziegenhals einige der kritischen Kommentare. Nur aus Tierschutzgründen hätten keine Pferde teilgenommen. „Bei uns in Niederpleis bleibt der Name Martinszug. Wir machen kein Lichterfest“, betont er. Der kirchliche Hintergrund der Veranstaltung sei wichtig.

Drei Männer im Kostüm römischer Legionäre fahren auf Segway-Rollern über einen Zebrastreifen.

Sankt Martin 2023: In Niederpleis waren der Heilige und seine Knappen auf Segway-Rollern unterwegs.

Er freut sich auch, dass am Ende des Umzuges beim Martinsfeuer Glühwein und Säfte getrunken sowie Würstchen gegessen wurden. Die Stimmung sei „einfach super“ gewesen. Keiner habe davon gesprochen, dass das Pferd gefehlt habe. Deswegen werde auch im nächsten Jahr der Sankt Martin wieder auf dem Segway beim Zug dabei sein.

In Hennef kommen therapeutische Pferde zum Einsatz

Heiner Krautscheid hält seit Jahrzehnten die Tradition des Sankt Martins in Hennef aufrecht. Schon seit 33 Jahren sitzt der 71-Jährige jedes Jahr bei verschiedenen Zügen in der Stadt im Sattel. Krautscheid respektiert die Entscheidung der Niederpleiser, betont aber, dass es in all den Jahren noch nie zu Problemen gekommen sei.

„Eingesetzt werden nur erfahrene, therapeutische Pferde, die über jahrelange Erfahrung verfügen und auch im Zug gut abgesichert werden“, erklärt der 71-Jährige. Er kenne die Pferde, besuche sie vor ihren Einsätzen auf Martinszügen immer auf dem Hof.

„Ich weiß, wie die Tiere auf den Lärm und das Blaulicht reagieren – und sie kennen meine Stimme“, sagt der erfahrene Sankt Martin. Bei aller Minimierung der Risiken, könne natürlich immer etwas passieren, sagt Krautscheid. Dennoch hält er es für richtig, auch weiterhin auf Pferde in den Martinszügen zurückzugreifen. „Wir können doch nicht an allen Traditionen schrauben“, sagt der 71-Jährige.

Auch in Troisdorf-Spich, wo die Veranstalter am Samstag mit insgesamt 1000 bis 1200 Teilnehmenden rechnen, wird der Heilige hoch zu Ross dabei sein. „Früher hatten wir einen Sankt Martin und zwei Knappen mit Pferd“, berichtet Rolf Esch aus dem Martinsausschuss. „Wir hatten noch keinerlei Probleme.“

Für den Fall der Fälle begleiteten Helfer vom Roten Kreuz  unmittelbar hinter dem Pferd den Umzug. „So sind sie mitten im Zug“, Pferdeerfahrung hätten sie aber eher nicht, weiß Esch. Und auch Simon Büscher, der in Spich seit 30 Jahren in die Rolle des Heiligen schlüpft, steigt nur einmal im Jahr in den Sattel.

Troisdorfer Knappen haben kein Pferd mehr

Dafür bringt Pferdeführerin Helga Huber umso mehr Expertise mit. Seit über 20 Jahren kommen die Pferde aus ihrem Stall, inzwischen reitet allerdings nur noch Sankt Martin selbst. Die beiden anderen Vierbeiner hat Helga Huber aus Altersgründen zurückgezogen. Aber, so weiß Rolf Esch, sie hat schon ein Pferd im Blick, das einmal die Nachfolge antreten könne.

KStA abonnieren