LebensgefahrWo Obdachlose im Rhein-Sieg-Kreis bei Minusgraden schnelle Hilfe erhalten

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Ein Mann in einer roten Jacke der Johanniter und mit einer grauen Mütze gießt ein heißes Getränk aus einer Thermoskanne. Er hilft einem Obdachlosen.

Die ehrenamtlich aktive Projektgruppe Soziale der Johanniter versorgt Obdachlose in der Region. Gerade bei strengem Frost brauchen Obdachlose ihre Hilfe.

Ehrenamtliche helfen Menschen, die trotz frostiger Temperaturen auf der Straße leben. Die Bahn duldet nachts den Aufenthalt in ihren Bahnhöfen.

Lebensgefährlich kann die grimmige Kälte sein, die in diesen Tagen das Rheinland überzieht. Menschen, die auf der Straße leben, drohen bei den Minustemperaturen zu erfrieren – vor allem nachts. Aber nicht nur, wie Melanie Möchel vom Regionalverband Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen der Johanniter in Sankt Augustin berichtet.

„Im Moment klingelt das Kältetelefon dauernd.“ 17 Anrufe hat sie an diesem Dienstag bis 15.30 Uhr schon gezählt. Und jeder Anruf ist ein Hinweis auf einen Menschen in Not.

„Ich bin begeistert, dass die Menschen so aufmerksam sind“, sagt Möchel, die Leiterin der „Projektgruppe Soziales“ bei den Johannitern ist. Das viele Jahre in der Nähe des Bonner Hauptbahnhofs vorgehaltene stationäre Angebot haben die Johanniter aufgegeben.

Wenn es an die minus 5 Grad geht, erwarten wir das schon
Melanie Möchel, ehrenamtliche Helferin

Es habe sich gezeigt, „dass es besser ist, gezielt zu denen zu fahren, die unversorgt sind“, sagt Pressesprecherin Natalie Brincks.

Für Melanie Möchel ist die Frequenz der Anrufe keine Überraschung. „Wenn es an die minus 5 Grad geht, erwarten wir das schon.“ Viele Anfragen gebe sie auch an die Polizei weiter, diese könne schneller vor Ort sein als die Ehrenamtlichen der Gruppe, die ja alle – wie sie selbst auch – tagsüber beruflich eingebunden sind.

Am halben Nachmittag steht Möchel in der Küche und kocht für die nächste Tour am Abend. Hühnerfrikassee mit Reis bereitet sie vor; sonst kocht sie oft auch eine Gemüsesuppe vor, die sie einfriert und bei Bedarf auftaut. Kaffee ist sowieso immer dabei.

Bereitschaft zum Reden bringen die Ehrenamtlichen mit

Und auch die Bereitschaft zum Gespräch: „Die Leute freuen sich auch über ein bisschen Unterhaltung.“ Dabei kenne man sich, es gebe Obdachlose, die ihr Team schon seit vielen Jahren betreue.

„Leider kann ich dieses Jahr keinen Kältebus anbieten“, bedauert Kadir Sucuoglu von „Troisdorf hilft“. Dafür fehle es an Geld, erläutert der Gründer der Initiative. „Troisdorf hilft“, seit Jahresende als eingetragener Verein anerkannt, finanziere sich ausschließlich aus privaten Spenden. „Es gibt nix Festes.“

Zwischen 45 und 60 Personen erwartet Kadir Sucuoglu am kommenden Sonntag wieder, wenn er und die Mitstreiter die Essensausgabe an der Ecke Wilhelmstraße/Viktoriastraße öffnen. Alle 14 Tage gibt es dort Essen und derzeit auch warme Kleidung.

Wir haben nicht genug Helfer
Kadir Sucuoglu, „Troisdorf hilft“

„Wir haben nicht genug Helfer“, sagt der Gründer der Initiative; gern würde er die Bedürftigen wieder wöchentlich versorgen. Im Gespräch ist er auch über die Anmietung einer festen Anlaufstelle, die dann an fünf Tagen in der Woche geöffnet sein könnte.

In der von Melanie Möchel geleiteten Projektgruppe engagieren sich derzeit acht Ehrenamtliche, die stets zu zweit zu Menschen in Not fahren. Durchschnittlich 15 bis 20 Personen treffen sie pro Fahrt. Was nach Möglichkeit noch bei Tageslicht beginnt, endet oft erst tief in der Nacht. „Und das halten wir durch, solange es so kalt ist.“

Helfer aus Sankt Augustin brauchen keine Sachspenden mehr

Wer die Arbeit ebenfalls unterstützen möchte, solle von Sachspenden absehen, bittet Pressesprecherin Natalie Brincks: „Unsere Lager sind voll.“ Geldspenden seien indes herzlich willkommen.

„Bei Temperaturen, wie wir sie in diesen Tagen haben, wird der Aufenthalt in den Bahnhöfen geduldet“, bestätigt ein Sprecher der Deutschen Bahn auf Anfrage der Redaktion. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Bahnhöfen seien angehalten, Fingerspitzengefühl zu zeigen.

Solange sich alle an die Regeln hielten, keine Notausgänge oder Treppen zugestellt würden, könnten Obdachlose in Bahnhöfen Schutz vor der klirrenden Kälte suchen. „Wir haben allerdings keine eigene Infrastruktur, um Menschen mit Essen oder heißen Getränken zu versorgen“, betont der Bahnsprecher.

Wir versuchen, die Situation so erträglich wie möglich zu machen
Melanie Möchel

Stattdessen werde auf Aushängen und von den Mitarbeitern vor Ort auf die örtlichen Angebote von Caritas, Johannitern und anderen verwiesen. Zettel mit den Adressen der Notschlafstellen haben auch Melanie Möchel und ihre Mitstreiter stets dabei, wenn sie auf Tour gehen.

„Wir bieten das immer an“, sagt sie auch den Anrufern am Kältetelefon. Aber: „Wer jetzt auf der Straße ist, der möchte nicht in eine Notschlafstelle“ – warum auch immer. Möchel: „Wir versuchen, die Situation so erträglich wie möglich zu machen.“

Das Kältetelefon der Johanniter Bonn/ Rhein-Sieg ist unter 0151/19632610 für Hinweise zu wohnungslosen Menschen in Not zu erreichen.

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