Abschied ohne TourneeVorsitzender der VR-Bank Rhein-Sieg geht in Ruhestand

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Die meiste Zeit seines Berufslebens arbeitete Martin Schilling bei Genossenschaftsbanken.

Die meiste Zeit seines Berufslebens arbeitete Martin Schilling bei Genossenschaftsbanken.

Rhein-Sieg-Kreis – Eigentlich wollte Martin Schilling in den vergangenen Tagen auf Tour gehen, um Abschied zu nehmen von langjährigen Kunden, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in allen Filialen im Kreis und von den Beschäftigten in der Siegburger Unternehmenszentrale. Doch die Corona-Pandemie machte dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden der VR-Bank Rhein-Sieg, der Ende Oktober in den Ruhestand gegangen ist, einen Strich durch die Rechnung.

„Ich wollte mich bei den Menschen in der Region bedanken“, sagt der 65-Jährige. „Aber wegen der Pandemie ist mir das jetzt nicht möglich.“ Bei der Vertreterversammlung der Bank, die online stattfand, konnte er sich immerhin mit einer Videobotschaft verabschieden.

Karriere in Genossenschaftsbank

„Wenn alles gut geht, kann ich den einen oder anderen Kunden im Frühjahr noch einmal besuchen.“ Ganz aus dem Geschäft ist Schilling ohnehin nicht. „Ich werde dem Volksbanken-Verbund weiter gelegentlich zur Verfügung stehen“, kündigt er an. In welcher Funktion genau, das will er in nächster Zeit klären.

Seit 1993 war der studierte Jurist, der sich nach dem ersten Staatsexamen für eine Bank-Laufbahn entschied, im Vorstand einer Genossenschaftsbank tätig. Ab 1993 arbeitete er zunächst in Bergisch Gladbach, seit August 2007 dann bei der VR-Bank Rhein-Sieg.

Nähe zu Raiffeisen

Dass der Westerwälder den Großteil seines Berufslebens bei einer Genossenschaftsbank verbrachte, war nach beruflichen Anfängen bei der Dresdner Bank und später bei der Landesbank Rheinland-Pfalz wohl eher dem Zufall geschuldet, trotz biografischer Nähe zu Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem Mitbegründer der genossenschaftlichen Bewegung in Deutschland: Schilling stammt aus dem Neuwieder Stadtteil Heddesdorf, wo Raiffeisen ab 1852 als Ortsbürgermeister tätig war.

„Mit Raiffeisen als Figur kann ich viel anfangen“, sagt Schilling. „Vor allem mit seiner Idee, dass man als Banker einem Kunden nicht einfach Geld auf den Tisch legt und glaubt, damit schon dessen Probleme gelöst zu haben.“ Entscheidend sei neben dem Geld vor allem die Hilfestellung.

Vertrauen in die Banken

Gerade dieses Vertrauen in die Banken, das hat auch Schilling erfahren müssen, haben viele Kunden verloren, nicht zuletzt wegen der Finanzkrise 2009. „Bei vielen Bankern gab es früher den saudämlichen Spruch: »Wenn ich einem Kunden einen Investmentfonds oder ein anderes Produkt verkaufe, dann muss ich ihn dabei so geschickt über den Tisch ziehen, dass er die Reibungshitze als Nestwärme empfindet«“, erinnert sich Schilling. Diese Praxis sei vor allem bei den Großbanken üblich gewesen, unter den Folgen hätten aber auch die regional verwurzelten Genossenschaftsbanken zu leiden gehabt.

Leute wie Josef Ackermann, der ehemalige Chef der Deutschen Bank, hätten das Image des Bankers nachhaltig kaputt gemacht. „Noch vor einiger Zeit hatten wir auch deshalb Nachwuchsprobleme, weil es schwierig war, Auszubildende für diesen Beruf zu finden“, weiß Schilling zu berichten.

Musikbegeisterter Schlagzeuger

Seine Mitarbeiter werden ihn indes nicht nur als Chef in Erinnerung behalten, sondern auch als Schlagzeuger, der mit musikbegeisterten Vorstandskollegen, darunter seinem Nachfolger als Vorsitzender Holger Hürten an der Gitarre, eine Band gründete. Ein Jahr lang wurde geprobt, um auf der Weihnachtsfeier und Tagungen unter anderem „Born To Be wild“, „Rockin’ All Over The World“, „Imagine“ und als Rausschmeißer „Skandal im Sperrbezirk“ zu spielen. „Da kam die absolute Stimmung auf.“

Schillings erklärtes Vorbild ist die Schlagzeuger-Legende Ginger Baker, der Ende der 60er-Jahre Erfolge in dem Power-Trio Cream mit Eric Clapton an der Gitarre und Jack Bruce am Bass Rockgeschichte schrieb.

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Tatsächlich sieht Schilling sogar eine Gemeinsamkeit zwischen Beat-Musik und Kundengeschäft: Improvisieren sollte man können.

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