Plus 34 ProzentZahl der Straftaten an Schulen in Rhein-Sieg steigt massiv an

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Eine Schülerin zeigt während des Unterrichts einer Mitschülerin ihr Klappmesser.

Mit einem Messer kam eine Zwölfjährige vor kurzem in der Region zur Schule. Die Lehrer konnten rechtzeitig eingreifen. (Symbolbild)

Die Polizei Rhein-Sieg registriert einen massiven Anstieg der Straftaten an Schulen. Die Körperverletzungsdelikte stechen besonders heraus.

Ein Fall aus den vergangenen Tagen: An einer Schule in der Region entbrennt ein Streit. Ein zwölfjähriges Mädchen droht einem Elfjährigen, ihn „abstechen“ zu wollen. Wenige Tage später kommt das Kind tatsächlich mit einem Taschenmesser in die Schule. Zum Einsatz kommt das Messer nicht – Lehrkräfte schreiten rechtzeitig ein. „Wir nehmen diese Fälle sehr ernst“, sagt Polizeisprecher Stefan Birk. Die Polizei habe eine Gefährderansprache geführt, ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden.

Der Fall reiht sich ein in eine Reihe von Straftaten an Schulen, deren Zahl sprunghaft angestiegen ist. Die Polizei hat an den Schulen im Rhein-Sieg-Kreis im vergangenen Jahr 389 Straftaten registriert. Im Vergleich zum Vor-Coronajahr 2019 ist das ein Anstieg um knapp 34 Prozent. Von 291 Delikten an Schulen (siehe „Der Tatort zählt“) im Rhein-Sieg-Kreis 2019 sank die Zahl in den Corona-Jahren 2020 und 2021 auf 248 beziehungsweise 225 Delikte. Dann folgte der deutliche Anstieg 2022.

Straftaten an Schulen in Rhein-Sieg decken „gesamte Palette“ ab

„Die Taten decken die gesamte Palette ab“, sagt Birk. Vor allem bei Körperverletzungsdelikten sei ein klarer Anstieg festzustellen. Hier wurden 2022 insgesamt 181 Straftaten registriert – ein Anstieg von fast 80 Prozent im Vergleich zu 2019. Aber auch Fälle von sexueller Belästigung, Nötigung, Bedrohung und Sachbeschädigung fallen darunter.

Die Kriminalprävention der Polizei, so Birk, sei im engen Austausch mit den Schulen. „Die Angebote werden rege angenommen.“ Insgesamt folge die Entwicklung im Kreis dem landesweiten Trend bei den Kinder- und Jugendstraftaten. Landesweit ist die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr auf 24.513 gestiegen – ein Plus von 19 Prozent im Vergleich zu 2019.

„Mit großer Besorgnis“ nehme die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Anstieg der Straftaten an Schulen wahr, erklärte Anna Wieland,   Vorsitzende des Kreisverbands Rhein-Sieg. Schulen und Kollegien dürften damit nicht allein gelassen werden, die GEW setze sich   seit Jahren für eine Unterstützung ein.

GEW-Vorsitzende fordert mehr Anlaufstellen für Betroffene

Dass inzwischen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an Schulen eingesetzt werden und Fortbildungen zu Prävention oder Konfliktlösung ins Leben gerufen wurden, nennt Wieland „noch zu punktuell, zu wenig“. Vor große Herausforderungen stellten insbesondere Straftaten in sozialen Medien die Schulen: Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte dort zu schützen sei eine ganz andere Aufgabe als vor Ort.

Die Beschäftigten an Schulen seien von der Zunahme der Straftaten in zweierlei Hinsicht betroffen, sagte Wieland. Zum einen würden sie häufiger selbst Opfer, zum anderen müssten sie mehr Konflikte lösen, Kinder und Jugendliche schützen und zugleich vorbeugend arbeiten. Konkret fordert Anna Wieland „mehr Anlaufstellen, an die sich Betroffene wenden können“ – sei es mit Sorgen, sei es mit dem Wunsch nach Unterstützung.

Handyfreie Zonen auf dem Schulhof der Gesamtschule am Michaelsberg

Zwar habe er keine validen Zahlen, aber einen Anstieg der Fallzahlen könne er nicht bestätigen, sagt Jochen Schütz, Schulleiter der städtischen Gesamtschule am Michaelsberg in Siegburg: „Auf dem Schulgelände haben wir keine schwerwiegenden körperlichen Auseinandersetzungen.“ Er habe jedoch den Eindruck, dass Eltern schneller Anzeige erstatteten als noch vor einigen Jahren.   Klar sei: „Den Schülern fehlen zwei Jahre Sozialverhalten in der Gruppe.“

Für ihn und das Aufsichtspersonal werde das Zuschauerverhalten zum Problem: Kaum gebe es eine Auseinandersetzung, bilde sich eine Menschentraube, es werde gefilmt und auf   Netzwerke hochgeladen. Man gehe sofort dazwischen, sagt Schütz, aber ein Handyverbot sei nicht durchsetzbar. Er beobachte  ein regelrechtes Suchtverhalten: „Die geraten unter Druck, wenn sie kein Handy haben.“ Auf dem Schulhof seien handyfreie Zonen eingerichtet worden. Schütz: „Wir sensibilisieren mit Präventionsveranstaltungen in den Klassen und haben Beratungsteams für Mobbing.“


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