Marco Henrichs im Interview„Es bleibt sehr viel Potenzial auf der Strecke“

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Marco Henrichs

Marco Henrichs blickt auf fünf Jahre als Athletiktrainer in Russland zurück.

Marco Henrichs war Extremschwimmer und Triathlet. Heute spornt der Nachwuchs-Athletiktrainer des FC Hennef andere zu Höchstleistungen an. 

Marco Henrichs war Extremschwimmer, hat zehn Ironmans gemeistert und treibt heute andere Sportler zu Höchstleistungen an. Das sagt der Fußballnachwuchs-Athletiktrainer des FC Hennef 05 über...

... den Amateurfußball: „Gerade im Herren-Bereich erlebe ich immer wieder dasselbe Phänomen: Amateurfußballer wollen hoch hinaus, tun aber nur das Nötigste. Dabei bekommen sie schon unverhältnismäßig viel Geld. Sie sollten sich ein Beispiel am Frauen- und Nachwuchsfußball nehmen: Dort sind deutlich weniger Diven unterwegs.“

... sein Aus beim Mittelrheinligisten Siegburg 04: „Ich habe im Winter in Siegburg angefangen, mein Amt aber einen Tag vor Alexander Voigts Rücktritt (Anfang Mai, Anm. d. Red.) niedergelegt. Mein Leistungsgedanke und die Arbeitsmoral einiger Spieler haben nicht zusammengepasst.“

... den Ehrgeiz von Individualsportlern: „Ich betreue rund 30 Athleten aus den Bereichen Triathlon, Schwimmen und Laufen. Sie investieren 20 bis 25 Stunden pro Woche in ihren Sport. Aus purer Leidenschaft. Mirjam Schall unterstütze ich aktuell bei ihrem Versuch, als erste Frau weltweit den Bodensee längs zu durchqueren (65 km, Anm. d. Red.). Sie verdient damit keinen Cent, schwimmt aber trotzdem 80 bis 90 Kilometer pro Woche.“

An meinem ersten Tag als Stützpunkttrainer waren 5000 Leute in einer Schwimmhalle in Pensa und trotzdem war es mucksmäuschenstill
Marco Henrichs, Nachwuchs-Athletiktrainer des FC Hennef 05

... fünf Jahre in Russland: „Nach zwei erfolgreichen Wettkämpfen in Russland und einer ersten Zusammenarbeit mit einer großen Schwimmliga der Wolgaregion wurde mir das russische Trainerdiplom (Schwimmen und Athletik, Anm. d. Red.) in Aussicht gestellt. Dafür bin ich 2016 nach Moskau gezogen. Fünf Jahre in Russland haben mich eines gelehrt: Dort wird viel härter trainiert als hierzulande, Disziplin steht an erster Stelle. An meinem ersten Tag als Stützpunkttrainer waren 5000 Leute in einer Schwimmhalle in Pensa und trotzdem war es mucksmäuschenstill. Alle Athleten standen in Reih und Glied und haben sich erst gerührt, als es ihnen erlaubt wurde. Man hat ihnen in jeder Einheit angemerkt, dass sie Trainer, Familie und Land stolz machen wollen.“

... „deutsches“ Training: „In Deutschland steht zunehmend der Spaß an erster Stelle. Dieses Lifestyle-Training ist für die Spieler bequem, aber so wird ihr Potenzial nicht ausgeschöpft.“

... falsche Trainingsgewichtung: „Egal ob jung oder alt und egal ob Amateur oder Profi: Athletiktraining sollte 25 Prozent des Gesamttrainings ausmachen. Das wird aber fast nie beherzigt. Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit – in all diesen Punkten bleibt sehr viel Potenzial auf der Strecke. Sportartübergreifend.“

Marco Henrichs

Erschöpft, aber glücklich: Marco Henrichs jubelt über seinen Rekord beim Kotlin-Race.

... den Dialog mit Fußball-Trainern: „Um nachhaltige Erfolge zu erzielen, braucht man strukturierte Abläufe, regelmäßige Leistungstests und nicht zuletzt Geduld. Viele Trainer ziehen aber eine One-Man-Show ab und wollen sich nicht in ihr Training reinquatschen lassen. Dann werden spontane Charakterläufe angesetzt, obwohl das Team eigentlich Regeneration bräuchte.“

... Grenzerfahrungen: „Ich habe zehn Ironmans und 50 Marathons absolviert, meinen Körper aber noch nie so an seine Grenzen gebracht wie beim Kotlin-Race (27 km, Anm. d. Red.) von Sankt Petersburg nach Kronstadt. Eine Stunde vor Ende wollte ich aufgeben. Doch die Aussicht auf den damaligen Streckenrekord hat mich zum Durchhalten angetrieben. Die Quittung für sieben Stunden und 43 Minuten im 13 Grad kalten Wasser waren eine Nacht auf der Intensivstation und zwei Tage im Krankenbett. Aber den Rekord hatte ich in der Tasche.“


Zur Person

Marco Henrichs (48) spielte zwölf Jahre lang Fußball auf Hobby-Niveau, ehe er seine Leidenschaft für den Triathlon und das Extremschwimmen entdeckte. Von 2016 bis 2021 lebte der Bergisch Gladbacher in Moskau, wo er unter anderem als Schwimm-Stützpunkttrainer arbeitete. Als Fußball-Athletikcoach war er beim ZSKA und Spartak Moskau im Einsatz.

Seit 2021 ist er für das Athletiktraining im Nachwuchsbereich des FC Hennef zuständig. Auch die Mittelrheinliga-Fußballerinnen des SV Menden bringt er einmal pro Woche ins Schwitzen. Mittlerweile ist Henrichs auch Referent für den Fußballverband Mittelrhein – und zwar für die Themen Belastungssteuerung, Leistungsdiagnostik und Athletiktraining. 


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