LiteraturliebeKarl Heinz Matheis leitete jahrelang die Bücherstube in Sankt Augustin

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Der frühere Buchhändler lebt schon seit Ende der 80er Jahre in einer alten Fachwerk-Villa, die er damals  von Grund auf renovierte.

Sankt Augustin – Ein Jahr lang hat Karl Heinz Matheis die Bücherstube an der Heerstraße nicht betreten. Heute ist er wieder da. Sein Blick schweift über die geräumige Fläche seiner ehemaligen Buchhandlung und die Verkaufstische, auf denen ordentlich gestapelt Ernährungsratgeber, Romane und Fantasy-Bücher liegen. Er tauscht höfliche Worte mit den neuen Besitzern aus und kauft ein Buch, das er bestellt hat. Es ist ihm anzumerken, dass es ihm nicht leichtfällt, wieder hier zu sein.

Karl Heinz Matheis ist mit 75 Jahren in Rente gegangen, sechs Jahre später als er es eigentlich geplant hatte. Das frühe Aufstehen fiel ihm irgendwann schwer, doch die Arbeit war nie langweilig. „Jeden Tag kamen neue Bücher. Ich habe es geliebt, als erster morgens die Pakete zu öffnen“, erzählt er.

Bücherstube Sankt Augustin: Unterhaltungen über Literatur und das Leben

Die Bücherstube war viele Jahre sein Leben. Karl Heinz Matheis und seine drei Kolleginnen wählten jedes Buch einzeln aus, das im Regal stand. Bei neuen Titeln fiel ihm oft sogleich ein Kunde ein, dem das Buch gefallen könnte.

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Die Bücherstube war sein Reich, im vorigen Jahr gab Matheis  sie an Nachfolger ab. Er bestellt bis heute seine Bücher hierher.

Er kannte die Menschen, die bei ihm einkauften, und zwar nicht nur die Namen, sondern auch die Lebensgeschichten. Er wusste um ihre Sorgen, Familienprobleme, Erfolge und Krankheiten. Er empfahl Bücher, wie ein Hausarzt seinen Patienten die passenden Therapien verschreibt. Aus Gesprächen über Bücher wurden Gespräche übers Leben.

Das alte Maskottchen hat Matheis mitgenommen

Die Bücherstube war zu Karl Heinz Matheis’ Zeiten dicht bestückt. Ein größeres Sortiment auf den Quadratmetern wäre kaum möglich gewesen, sagt er rückblickend. Heute sieht es in der Bücherstube leerer aus. Zwischen ein paar Verkaufstischen gibt es auch freie Flächen. Nichts lenkt von den Büchern ab.

Die neuen Betreiber hatten Matheis gebeten, „Die Oma“ mitzunehmen, eine lebensgroße Figur einer alten Dame. Seit der Ladeneröffnung hatte die schrullige 1,60 m große Figur in der Bücherstube gestanden. „Sie war unser Maskottchen“, sagt Karl Heinz Matheis. Er hatte sie vor langer Zeit auf einer Buchmesse gekauft. Vor allem die kleinen Kunden hätten Spaß an ihr gehabt, berichtet er. Heute steht sie bei ihm Zuhause.

Sankt Augustin: Die Bücherstube in der Hand der nächsten Generation

Mit der „Oma“, ein paar Büchern und Regalen verließ Matheis im vergangenen Jahr seine Buchhandlung in der Alten Heerstraße, die Bücherstube Sankt Augustin. Nach mehr als 50 Jahren als Buchhändler gab er damals das stadtbekannte Geschäft an Christoph Ahrweiler und Lena Weiß von der Buchhandlung Kayser ab.

Die Bücherstube, die noch immer so heißt, ist die Buchhandlung, die am nächsten zu seinem Haus liegt. Deswegen bestellt er seine Bücher dorthin, obwohl er sie in aller Regel nicht selbst abholt. Das erledigt sein Lebenspartner Olaf Weber für ihn. „Die Buchhandlung ist wie ein Kind, das man abgibt. Man überlässt es neuen Eltern. Niemals würde ich nach dem Rechten sehen oder etwas kritisieren“, sagt er.

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Einige seiner Kunden waren in all den Jahren seine Freunde geworden. Er lädt sie zum Abendessen ein, sie philosophieren in seiner Fachwerkvilla mit grünen Holzbalken und blauen Fensterläden, die man nicht Villa nennen soll. Es ist sein Zuhause.

Er habe das Haus Ende der 80er Jahre gekauft und selbst renoviert, erzählt er, während er in einem Fotoalbum blättert. Auf den Fotos ist ein junger Karl Heinz Matheis mit Schnäuzer und Pullunder zu sehen, der grinsend an einer Wand lehnt, von der sich die dunkel gemusterte Tapete löst. Auf anderen Fotos reißt er Dielen auf und karrt Bauschutt umher.

Die Nachfrage nach Büchern war immer groß

Die Wände sind heute hellgelb gestrichen, im Wohnzimmer bedecken Bücherregale mehrere Wände. Wie früher in seiner Buchhandlung ist es bis zum letzten Zentimeter gefüllt, oben liegen noch ein paar Bände quer. Seine erste Buchhandlung eröffnete Matheis 1972 in Köln im Unicenter. Aus der 120 Quadratmeter großen Buchhandlung im Huma, seiner zweiten, wurde im Lauf der Jahre ein 650 Quadratmeter großes Geschäft.

Als das Einkaufszentrum abgerissen werden sollte, zog es 2014 in die Alten Heerstraße um. Die Nachfrage sei immer groß gewesen, versichert Matheis, erhabe nie Sorge gehabt, dass ihm die Kundschaft ausgehen könnte. Er weiß wohl, dass die junge Generation immer seltener ein Buch in die Hand nimmt.

Naturschutz als Sinn des Lebens

Dem Handel gingen in den letzten Jahren mehr als sechs Millionen Buchkäufer verloren, vor allem unter den 14- bis 29-Jährigen. „In Begegnungen mit denjenigen Menschen, die nicht lesen, fehlt oft ein Gesprächsthema“, sagt Karl Heinz Matheis. Über Bücher könne man immer reden, diskutieren und sich gegenseitig schöne, berührende und interessante Texte empfehlen.

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In seinem Garten leben  unter anderem Gänse, Hühner und Truthähne.

Heute hat Karl Heinz Matheis sich das Buch „So geht Klimaschutz – 50 Tipps wie Sie einsteigen, mitmachen und helfen können“ gekauft. Derzeit liest er „Stumme Erde“, ein Buch über das Insektensterben. Der Naturschutz ist ein Thema, über das er nicht nur gerne liest und redet, sondern bei dem er auch selbst anpackt. Seit 30 Jahren pflegt er den Garten, in dem Bienen, Hühner, Truthähne, Gänse und andere Vögel zuhause sind. „Jeder schafft sich seinen eigenen Lebenssinn, bei mir waren es Bücher und jetzt der Naturschutz“, sagt er.

Lesestoff wird zu Gesprächsstoff

Er habe noch nicht alle Kunden, die ihm noch im Kopf herumschwirrten, in seine Fachwerkvilla eingeladen, sagt er. Seinen Gästen zeige er gern den Garten und erzähle ihnen dabei, wie man umweltfreundlich gärtnert. Dann spreche man auch über Persönliches und natürlich über neuen Lesestoff.  

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