Gregor Gysi in Siegburg„Die Lockerheit wie zweiten Anzug getragen“

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Linkspolitiker Gregor Gysi besuchte das Stadtmuseum in Siegburg, las aus seiner Autobiografie und debattierte über Politik und sein Leben.

  • Linkspartei-Politiker Gregor Gysi besuchte das Siegburger Stadtmuseum und erzählte aus seinem Leben und der Politik.
  • Dabei scherzte und flapste, lachte und scherzte der 71-Jähriger und fühlte sich in seiner Lieblingsrolle als Alleinunterhalter sichtlich wohl.
  • In der als Lesung angekündigten Veranstaltung berichtete Gysi zudem aus seiner Autobiografie – und die birgt einige Überraschungen.

Siegburg – Er kann melken, künstlich besamen „und mit Hornochsen umgehen“: Für Gregor Gysi, Facharbeiter für Rinderzucht und Rechtsanwalt, beste Voraussetzungen für eine Karriere in der Politik. Augenzwinkernd, fast kokett, spielte der profilierte und prominente Bundestagsabgeordnete der Linken im Siegburger Stadtmuseum seine Lieblingsrolle – als Unterhalter. Und fing damit auch ganz locker diejenigen ein, die ihm skeptisch, gar ablehnend, gegenüberstehen.

Veranstaltung lange vorher ausverkauft

Lange zuvor schon war die Veranstaltung, als Lesung aus seiner Autobiografie „Ein Leben reicht nicht“ angekündigt, restlos ausverkauft. 2017 schon schon habe sie Gysi zu den Literaturwochen einladen wollen, sagte Christiane Bonse von der Stadtbibliothek. Doch jetzt erst habe man einen Termin finden können.

Der 71-Jährige ist auch nach seinem Rücktritt ins zweite Glied – er war bis 2015 Fraktionsvorsitzender der Linken – gefragt. In Siegburg warf der Berliner keinen Blick in sein Buch, sondern erzählte „frei Schnauze“ aus seinem Leben, befragt von Politik-Redakteur Kai Pfundt. Die Lockerheit trägt der brillante Redner wie einen zweiten Anzug. Dazu passt sein Hang zum Lavieren: Damit ist Gregor Gysi ebenso gut in der DDR klargekommen wie nahtlos im vereinigten Deutschland.

Wenn er erzählt über die Mächtigen im Arbeiter- und Bauernstaat, erscheint die Diktatur fast weich gezeichnet, harmlos. Dazwischen relativierende Sätze, wie : „Ich war auch eingesperrt.“ Im übertragenen Sinne freilich nur: In Haft saßen wegen ihrer politischen Opposition andere, die an diesem Abend keine Erwähnung finden.

Offene Diskussion über das Verhältnis zu Russland

Selbst in einer Zwickmühle – als Gysi 1988 bei seiner ersten Auslandsreise in Paris zu den Menschenrechten in der DDR öffentlich Stellung nehmen sollte – fand er einen Ausweg, verkniff sich das Thema Reisefreiheit, sondern sprach lediglich über das Recht des Anwalts, mit seinem Mandanten unter vier Augen zu sprechen. Wahrlich keine Heldengeschichte, doch beschert ihm seine geschmeidige Schlitzohrigkeit Lacher und Applaus.

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Erstaunlich offen beschreibt er sein Verhältnis zu Russland: „Keine rechtsstaatliche Demokratie, die Annexion der Krim war ganz klar völkerrechtswidrig.“

Die verhängten Sanktionen halte er aber für falsch. Man müsse die Nebenwirkungen bedenken: Putin unterstütze „alle rechten Kräfte in Europa, die Europa kaputt machen wollen“.

Man kann das alles falsch finden oder richtig. Kluge Argumente haben auch andere. Gysi ist ein Verpackungskünstler: Von seinem Wortwitz umgarnt zu werden, macht auch den Widerspenstigen Spaß.

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