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Pro-Kopf-VerschuldungSiegburgs Kämmerer geht mit bedenklichem Rekord in Ruhestand

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Den Waldkindergarten in Sieg-Kaldauen sieht Andreas Mast als spannendstes Projekt seiner Amtszeit.

Siegburg – Nach 13 Jahren hat der Kämmerer der Stadt Siegburg, Andreas Mast, die passive Phase seiner Altersteilzeit angetreten. Im Gespräch mit Andreas Helfer zog er eine Bilanz seiner Arbeit.

Sie gehen als Kämmerer mit einem bedenklichen Rekord in den Ruhestand: Die Kreisstadt bleibt NRW-weiter Spitzenreiter bei der Pro-Kopf-Verschuldung, mit 11.577 Euro. Haben Sie Verständnis dafür, wenn vielen Siegburgern angesichts dieser Zahl mulmig wird?

Ja, natürlich, die Zahl ist ja auch korrekt. Man muss aber zwischen Schulden unterscheiden, die man für Investitionen aufnimmt oder um die Kasse auszugleichen. In Siegburg hat man für letzteres 20 Prozent benötigt. In Oberhausen, Platz drei auf der Liste, ist es genau andersherum, dort braucht man 80 Prozent für die Kasse.

Wozu brauchte und braucht die Stadt das Geld?

Für Investitionen in Schulen, Straßen, Kindergärten, Rathaus-Sanierung und Rhein-Sieg-Forum, um nur einige Beispiele zu nennen. In unseren Stadtbetrieben haben wir zudem die Schulden für Abwasser- und Wasserversorgung. Köln zum Beispiel hat für diese Aufgaben eine GmbH, mit Schulden, die gar nicht in der Statistik auftauchen, ebenso wie Bonn. Würde man diese draufschlagen, hätten auch diese beiden Städte einen anderen Schuldenstand.

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Einbringung des Siegburger Haushalts 2021 mit Andreas Mast (rechts) und Bürgermeister Stefan Rosemann

Wir haben übrigens auch Schulden, die Erträge nach sich ziehen, etwa durch den Kauf beziehungsweise Bau der beiden Pflegeheime, die erhebliche Mieteinnahmen erwirtschaften. Man muss schon genauer differenzieren, wofür in einer Kommune Schulden gemacht werden.

Übernimmt sich Siegburg da nicht mit seinen gerade einmal 42.000 Einwohnern?

Dass wir soviel investieren, ist auch der Funktion als Kreisstadt geschuldet, das sieht man etwa beim Rhein-Sieg-Forum und der großen Stadtbücherei. Und beim Volkshochschulgebäude, das wir für vier Millionen Euro sanieren, aber kostenlos allen Kommunen im VHS-Verband zur Verfügung stellen. Kredite sind auch der Preis dafür, dass in Siegburg kein Kind vergeblich einen Schul- oder Kitaplatz suchen muss. Ohne Neuverschuldung könnten wir jährlich nur 13 Millionen Euro an Darlehen aufnehmen, aber das reicht angesichts unserer Vorhaben wie etwa der Sanierung des Schulzentrums Neuenhof bei weitem nicht aus. Und der nächste Kindergarten, der dringend gebraucht wird, kommt bestimmt. Unser Haushalt verkraftet das aber – natürlich auch, weil wir eine hohe Grundsteuer haben.

Die Niedrigzinsphase, von der die Kommunen lange profitiert haben, geht zu Ende. Fällt das den Siegburgern auf die Füße?

Nein. Wir haben in der Niedrigzinsphase alle Kredite zu niedrigen Zinsen auf die ganze Restlaufzeit festgelegt. Dabei zahlen wir lieber ein Prozent für die ganze Zeit als über drei Jahre weniger, aber mit Risiko. Schwieriger ist es bei den Kassenkrediten. Zinsen von zwei bis drei Prozent könnten wir verkraften, sieben bis acht Prozent aber nicht ohne weiteres. Auch bei den anstehenden Großprojekten wie Schulzentrum Neuenhof und der Vierfachturnhalle im Haufeld müssen wir auf moderate Zinserhöhungen hoffen.

Macht Ihnen die Kämmerei mit ihren trockenen Zahlenwerken eigentlich Spaß?

Ich hatte in Windeck schon eine klassische Verwaltungslaufbahn bis zum Beigeordneten durchlaufen, als die Kreisstadt die Kämmererstelle ausschrieb. Nach einem Jahr kamen Schule, Sport und der Jugendbereich hinzu. Für mich war das ein Glücksfall, schon allein wegen der persönlichen Lebenserfahrung, die ich dadurch sammeln konnte. In Verbindung mit der trockenen Haushaltsmaterie war das eine gute Kombination.

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Das machte auch ein bisschen demütig, denn in den Bereich fallen nicht nur schöne Dinge wie die Eröffnung des Waldkindergartens in Kaldauen oder des Zirkuswagens auf dem Michaelsberg, sondern auch ernste Probleme in zerrütteten Familien. Gute Erfahrungen habe ich bei der Hilfe für Flüchtlinge und der Arbeit mit den beiden Jugendtreffs gesammelt.

Der urige Waldkindergarten mit seinen vermeintlich windschiefen Häuschen ist ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

Das war in der Tat mein spannendstes Projekt. Der Kindergarten Liebfrauen hatte eine Gruppe, die in den Wald ging, wo dann alles stattfand, brauchte aber einen Unterschlupf. Zuerst war ein Bauwagen im Gespräch, aber dann fanden wir für ein Kitagebäude eine Firma in Herford, die eigentlich Gartenhäuschen herstellt.

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Bei der Anschaffung eines alten Zirkuswagens für die Zukunftswerkstatt auf dem Michelsberg war Andreas Mast federführend.

Die waren sofort Feuer und Flamme, als ich gefragt habe, ob sie schon einmal einen Kindergarten gebaut haben. Die Handwerker hatten einen Riesenspaß, und die Firma wirbt jetzt auf ihrer Homepage mit „Europas schönstem Waldkindergarten“. Von außen sieht alles aus, als hätte da jemand die Wasserwaage nicht lesen können, aber in Wirklichkeit ist das ein voll funktionsfähiges Gebäude, mit Gruppenraum, Sanitäranlagen, Küche und Werkstatt.

Und was sagte der Kämmerer Andreas Mast zu dem Projekt?

Mit 660.000 Euro war das mit Abstand der günstigste Kindergarten, den wir je gebaut haben – und 540.000 Euro davon haben wir sogar vom Land als Zuschuss bekommen.

Was haben Sie sich für den Ruhestand vorgenommen?

Ich plane einen schleichenden Übergang. Einige laufende Projekte führe ich noch zu Ende und kümmere mich noch um die vier Stiftungen der Stadt. Zuhause in Windeck nehme ich mir den Garten vor und baue einen schönen, großen Hühnerstall.