Musterobjekt in TroisdorfWie eine Wohnung Demenzkranken den Alltag erleichtern kann

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Ein Seniorentelefon mit großen Tasten und Bildern für wichtige Kontakte.

Ein Seniorentelefon mit Bildern zu den wichtigsten Kontakten helfen demenziell erkrankten Menschen im täglichen Leben.

Demente Menschen benötigen Orientierung, um sich zu Hause wohlzufühlen. Was es dafür braucht, zeigt die „Musterwohnung Demenz“ in Troisdorf.

Ein bisschen tüddelig ist Trude Meier ja schon geworden. Die Garderobe in ihrer Wohnung an der Promenadenstraße ist nicht wirklich ordentlich. Immerhin hat die Tochter den Lieblingshut der alten Dame ausgegraben und an einen der Haken gehängt. Seither geht Trude Meier auch wieder lieber aus dem Haus, trifft sich mit Freundinnen.

Trude Meier ist eine Erfindung, nur die Adresse stimmt: An der Promenadenstraße in Jülich hat die 2008 geschaffene Servicestelle Demenz der AOK Rheinland/Hamburg ihren Sitz. Und deren Mitarbeiter haben 2017 eine Musterwohnung für Demenzkranke entwickelt. Bis zum 5. Mai ist sie an den Werktagen in den Räumen der Diakonie in Troisdorf zu sehen – in einer mobilen Variante aus lebensgroßen LED-Wänden.

Ausgehkleidung sollte eher nicht an der Garderobe hängen

Eine Zusammenarbeit mit dem Caritasverband Rhein-Sieg und dem Kommunalen Integrationszentrum des Kreises ermöglicht ein besonderes Angebot: Über das Landesprojekt „Guter Lebensabend“ können Interessierte Führungen auch in anderen Sprachen buchen.

Vier Menschen in einer Musterwohnung für Demenzkranke.

Tipps für den Alltag bietet die Wohnung: Helmut Schneider, Stefanie Froitzheim, Rosa Prinz und Jutta Spoddig (Diakonie) stellten sie vor.

„Menschen mit Migrationshintergrund nehmen Unterstützung weniger wahr“, erklärte die Projektverantwortliche Rosa Prinz zur Eröffnung. Zugleich haben sie mit anderen Schwierigkeiten zu tun. So verlieren sie häufig die – erlernte – Zweitsprache, außerdem fehlen ihnen vertraute Orte aus Kindheit und Jugend.

„Kleine Tricks und kostengünstige Hilfen“ sollten die Besucher der „Wohnung“ kennenlernen, sagte der Regionaldirektor der AOK, Helmut Schneider. Das beginnt an der Garderobe, wie Stefanie Froitzheim erklärte, die Leiterin der 2008 gegründeten Servicestelle: Bei Menschen mit Weglauftendenzen sollten Ausgehkleidung und -tasche dort eher nicht hängen, da sie den Gedanken auslösen können, das Haus zu verlassen. Droht hingegen die Vereinsamung, kann der bereits erwähnte Hut zum Ausgehen anregen.

Farbiges Klebeband markiert Ränder von Toilette und Waschbecken

Starke Farbkontraste auf dem Tisch statt Geschirr Ton in Ton zählen ebenfalls zu den möglichen Hilfen. Wer sich wundert, dass Mutter, Vater oder Ehepartner kein Wasser trinkt, muss sich klarmachen, dass ein transparentes Glas mit durchscheinendem Inhalt auf dem Tisch für einen Erkrankten kaum zu sehen ist. „Oft steht auch zu viel auf dem Tisch“, berichtete Fachberaterin Sophia Meis. Hinweise auf den Inhalt an Schranktüren und Schubladen bieten Orientierung in der Küche. Aber auch kleine Warnungen wie: „Herd aus?“ oder eine Zeitschaltuhr an Elektrogeräten können helfen.

Klebeband am Rand eines Waschbeckens.

Mit einem farbigen Klebeband sind die Ränder eines Waschbeckens markiert.

Farbiges Klebeband markiert die Ränder von Toilette und Waschbecken: Rot und Blau sind die Farben, die ein Erkrankter am längsten erkennt; weiße Handtücher vor weißen Fliesen   und ein weißes Waschbecken werden wegen fehlender Kontraste zur Herausforderung. Wenn die Haarpflege zum Problem wird, könnte ein Spiegel der Grund sein: Wer in der Welt seiner Jugend lebt, erkennt die gespiegelte Person nicht, sieht stattdessen Fremde.

Doch nicht nur in der Wohnung von Erkrankten sind oft Veränderungen nötig. Immer wieder gehe es bei den Führungen – die Besichtigung ist nur in Begleitung möglich – darum, Verständnis zu wecken: zu begreifen, wie schwer einzelne Handgriffe werden oder warum ein kranker Mensch die Seife oder die Schuhe eben nicht mehr so einfach findet. Simulationen ergänzen die Schauwände: Papierbällchen auf einen Teller zu legen, wenn man nur über Spiegel schauen kann, treibt unter Umständen auch einen gesunden Menschen zur Verzweiflung. Und zeigt eindringlich, wie sich Demenzkranke im Angesicht ihrer schwindenden Fähigkeiten oft fühlen.

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