Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Brauchtum und fordernder SportTroisdorfer amtiert als Fähnrich im Junggesellenverein

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann in militärischer Uniform hat eine Fahne in die Luft geworfen. Sie trägt die Aufschrift Junggesellenverein Müllekoven.

Marc Schmidt ist Fähnrich des Junggesellenvereins Frohsinn Müllekoven.

Marc Schmidt aus Müllekoven ist Fähnrich im Junggesellenverein „Frohsinn“ seines Heimatdorfes.

Es ist Brauchtum, aber es ist auch ein fordernder Sport: Marc Schmidt aus Troisdorf-Müllekoven ist der Fähnrich des Junggesellenvereins Frohsinn  in seinem Heimatdorf. 

Für den „Engel“, korrekt ausgeführt, gibt es 75 Punkte. Aber die wollen erst einmal verdient sein, sagt Marc Schmidt: Dafür gilt es, die Balance zu halten, die Fahne korrekt um den Körper zu schwingen und dann noch den kleinen Kreis nicht zu verlassen, der die Füße umgibt. Und der ist nicht größer als ein Kölschkranz! Dreimal pro Seite ist die Figur im Wettkampf zu zeigen. Und „wehe, die schwache Seite kommt dran“, weiß Patrick Becker, den sie im Verein alle Poldi nennen.

Der verstorbene Großvater ist das Vorbild für den jungen Fähnrich aus Müllekoven

Er muss es wissen, war er doch selbst Fähnrich bis 2014. Einer von vielen in der langen  Vereinsgeschichte, die von 1908 bis heute bis auf wenige Jahre in Kriegszeiten und kurz danach lückenlos ist. Auch der Opa von Marc Schmidt hatte dieses Amt beim Junggesellenverein Frohsinn Müllekoven inne. Geschichten vom Großvater Hans-Günther Fußhöller erzählte die Oma gerne, „Jung', das ist klasse“, schwärmte sie dem Enkel vor.

Und der fand das auch, wurde Mitglied im Junggesellenverein und sprang schließlich immer häufiger ein, wenn es galt, als gastgebender Verein einer Maiveranstaltung zu zeigen, „was man an der Fahne drauf hat“. Regelmäßiges Training ist dafür unverzichtbar. Gerade im März und April, wenn die Meisterschaften anstehen, „wird schon sehr viel trainiert“.

Ein junger Mann im schwarzen Trainingsanzug mit einer grün-weißen Fahne, auf die schwarze Krähen gedruckt sind.

Marc Schmidt ist Fähnrich des Junggesellennvereins Müllekoven

Hoch genug für das Hallentraining ist die Mehrzweckhalle im Dorf, lieber geht der 24-Jährige ins Freie. Da könne man spontan einfach mal rausgehen, erzählt er. 90 bis 120 Minuten dauert eine Trainingseinheit, alle zehn bis 15 Minuten ist eine Pause fällig: Der Sport mit der drei Kilo schweren Turnierfahne – mit acht Kilo ist die Traditionsfahne noch erheblich schwerer – geht stark auf die Handgelenke.

Das Schwarz-Weiß-Foto eines Fähnrichs aus den 1950er Jahren.

Marc Schmidts Großvater Hans-Günther Fußhöller war in den 50er Jahren Fähnrich des Junggesellenvereins in Müllekoven.

Ein hohes Risiko tragen die Aktiven für eine Schleimbeutelentzündung. Es kommen aber auch Prellungen am Kopf und am Schienbein vor. Schmidt hat sogar schon mal ein Stück vom Schneidezahn verloren, als er die Fahnenkugel eines Mitbewerbers ins Gesicht bekam.

Troisdorfer Fähnrich trainiert regelmäßig, um sich zu steigern

Grundsätzlich sei das Schwenken wie Radfahren, sagt der 24-Jährige Marc Schmidt, der ein duales Studium Logistikmanagement bei DHL Freight in Bonn absolviert: Man verlerne das nicht. „Aber man will sich auch steigern“; öfter nimmt er daher auch Trainingsstunden bei einem sehr erfolgreichen Fähnrich in Bornheim.

Denn groß ist die Zahl der möglichen Fehler: Das beginnt beim Einmarsch, setzt sich fort bei der Aufstellung – sind die Füße geschlossen oder nicht? – und in der Ausführung der einzelnen „Schläge“. Es gibt Abzüge, wenn sich das Fahnentuch beim Schwenken um die Stange wickelt oder der Fähnrich „ins Tuch greift“, also den Fahnenstoff mit der Hand berührt.

Eine Hand greift einen hölzernen Fahnenstab.

Dafür gibt es Punktabzug: 'Ins Tuch fassen', also den Fahnenstoff zu berühren, ist nicht gestattet

Ordentlich Fehlerpunkte kassiert, wer das Barett verliert, das zur militärisch inspirierten Uniform gehört. Und vollends ausgeschieden ist, wer die Fahne fallen lässt. „Es gehört Körperbeherrschung und Ausdauer dazu“, betont Schmidt. „Lampenfieber wäre schlecht.“ Unverzichtbar ist auch Trainingsfleiß, wie Patrick Becker ergänzt.

Wenn man es ordentlich machen will, ist es ein Zeitfresser
Patrick Becker, Ex-Fähnrich

„Wenn man es ordentlich machen will, ist es ein Zeitfresser“, weiß er. Immer wieder gebe es Interessenten, wenn die aber einmal zwei Stunden Training absolvieren sollten, „ist das mit der Lust schnell vorbei.“  Dennoch kamen bei der jüngsten Fähnrich-Vollversammlung, vom Verein in Müllekoven wiederbelebt, immerhin 14 Aktive aus elf Vereinen zusammen.

Die Troisdorfer Stadtmeisterschaften richtet der Frohsinn am Abend des 29. Mai aus, Samstag und Sonntag wird dann gefeiert – und die Fahne bewacht. Denn die kann auch geklaut werden, erzählt Marc Schmidt. Und das, so Patrick Becker, „kann teuer werden“: Ein bis fünf Meter Bier werden da fällig, um Tuch und Holz wieder auszulösen. „Mal ganz abgesehen von der Schande.“

Der Bewertung liegt eine 25 Seiten lange Liste zugrunde

Gar nicht so einfach ist die Bewertung der einzelnen Auftritte: Drei bis vier Minuten hat jeder Fähnrich Zeit, um „die Regel“ mit vorgeschriebenen Schläge sowie im Anschluss das frei gewählte Programm zu zeigen. 25 Seiten lang ist die Rheinische Punktierliste; als Juror müsse man schnell sein und den Überblick behalten, sagt Marc Schmidt. „Ich hab's unterschätzt“, gesteht er in der Rückschau auf einen Einsatz in der Jury.

Besser lief es für den 24-Jährigen, der inzwischen nach einer mehrjährigen Pause auch das Box-Training wieder aufgenommen hat, beim Schwenken um die Hennefer Stadtmeisterschaft: Für seinen Auftritt erhielt er in Happerschoß die meisten Punkte und sicherte sich den Titel.