Der Italiener war 1944 zur Zwangsarbeit nach Troisdorf verschleppt worden. Dort begann, wie er selber sagte, seine Laufbahn als Dichter.
Drei Oscar-NominierungenTheaterprojekt in Troisdorf würdigt Autor Tonino Guerra

„Scheuer Vogel Traum“ heißt eine außergewöhnliche Theaterproduktion mit Texten von Tonino Guerra, die am Sonntag, 4. Mai, in Troisdorf aufgeführt wird. Frank Baquet (Kunsthaus Troisdorf), Kulturamtsleiter Rainer Land, Produzentin Friederike Felbeck und die Erste Beigeordnete Tanja Gaspers stellten das Projekt vor.
Copyright: Dieter Krantz
„Scheuer Vogel Traum“ ist eine außergewöhnliche Produktion überschrieben, die am kommenden Sonntag, 4. Mai, um 18 Uhr im Kunsthaus Troisdorf zu erleben ist. In Texten, Videokunst und Illustrationen machen die Beteiligten um die Regisseurin Friederike Felbeck mit Leben und Werk von Tonino Guerra bekannt.
Sie haben mich erwischt, so wie eine Fliege in die Milch fällt
„Sie haben mich erwischt“, hat der italienische Dichter und Drehbuchautor über seine Verschleppung nach Deutschland geschrieben; „so wie eine Fliege in die Milch fällt.“ Vom August 1944 bis ins Frühjahr 1945 muss er in Troisdorf bei Dynamit Nobel Zwangsarbeit leisten; er schuftet und hungert.
Zugleich aber, so wird er selbst später immer wieder sagen, beginnt hier das Leben als Lyriker und Drehbuchautor, der später dreimal für einen Oscar nominiert wird: für die Drehbücher von „ Casanova ’70“ (1965), „Blow Up“ (1966) und „Amarcord“ (1973) nämlich. 1984 wurde er zudem in Cannes für das Beste Drehbuch ausgezeichnet (für „Die Reise nach Kythera“). 2002 erhielt er den Europäischen Filmpreis für sein Lebenswerk.
NRW-Förderung ermöglicht die Produktion in Troisdorf
Schon 2022 sei die Idee aufgekeimt, „hier etwas entstehen zu lassen“, berichtet am Montag der Troisdorfer Kulturamtsleiter Rainer Land; die Regisseurin und Produzentin Friederike Felbeck hatte zwei Jahre zuvor eine Veranstaltung zum 100. Geburtstag von Guerra und dem gleichaltrigen Regisseur Federico Fellini produziert, die für drei Filme zusammengearbeitet hatten. Daraus sei der Wunsch entstanden, nach Troisdorf zu kommen, sagte Felbeck.
Eine großzügige Förderung des Kultursekretariats Gütersloh machte unter anderem zwei Aufenthalte Felbecks in Troisdorf möglich: Das Programm Spielraum bringt freischaffende Künstlerinnen und Künstler mit möglichen Spielorten, Kommunen und dort für die Kultur verantwortlichen zusammen. 2023 war Felbeck dann mit dem Videokünstler Yves Itzek und der Illustratorin Alyona Rutzen aus Bonn in der Stadt unterwegs. Deren daraus entstandene Arbeiten werden der Aufführung eine weitere Dimension hinzufügen.
Die Besucherinnen und Besucher erwarte „kein klassisches Biopic“, so Felbeck, keine stringente Nacherzählung von Guerras Leben. Tatsächlich aber werden Passagen aus dem Roman „Gleichgewicht“ zu hören sein, in denen er die Zeit im Lager beschreibt. Auch wird das Ensemble Karin Pfammatter, Oliver Reinhard und Marco Giorgi Gedichte vortragen, die in Troisdorf entstanden sind.

Im Alter von 92 Jahren starb Guerra – hier ein Bild von 2010 – im Jahr 2012.
Copyright: picture alliance / dpa
Damals wurden sie allerdings gar nicht von Guerra selbst schriftlich festhalten: Die Gedichte oder kleinen Prosa-Skizzen erzählte er den Mitgefangenen, viele aus seiner Heimat, der Emilia Romagna, im heimischen Dialekt. Sogar Nudelrezepte hat er damals rezitiert. Ein Mithäftling, ein deutlich älterer Arzt, schrieb die Texte in sein Tagebuch, das er dem Künstler später gab.
In drei Sprachen werden die Texte Guerras zu hören sein: auf Deutsch, Italienisch und eben im heimischen Dialekt Romagnol. Paul Rhee steuert mit seiner Trompete die musikalische Begleitung bei. Die Texte verschweigen nicht das Elend der Zwangsarbeit, und doch beschreibe er ebenso die Erfahrungen von Mitleid und Empathie, betont Friederike Felbeck. An einen Besuch Guerras in Troisdorf aus Anlass der Kulturtage im Jahr 1992 kann sich Rainer Land erinnern: Kein Wort des Vorwurfs oder der Anklage habe der Künstler geäußert.
Ausschnitte sind schon am 1. Mai beim Wahner-Heide-Fest zu sehen
Diesen „versöhnlichen Blick“ Guerras müsse man eigentlich so oft wie möglich öffentlich zeigen, ist Friederike Felbeck überzeugt. Dennoch wird „Scheuer Vogel Traum“ zunächst einmal nur eine öffentliche Aufführung erfahren: Die beginnt am Sonntag, 4. Mai, um 18 Uhr im Kunsthaus Troisdorf, Mülheimer Straße 23. Der Eintritt ist kostenlos, Anmeldung/Reservierung unter Guerra2025@t-online.de.
Ausgewählte Szenen sind bereits am Donnerstag, 1. Mai, beim Wahner-Heide-Fest an der Burg Wissem, Burgallee, zu sehen (13.30, 14.30 und 15.30 Uhr). Eine weitere Aufführung wird es am Freitag für Schülerinnen und Schüler der Europaschule geben.