Im August wurde Michael Irrgang Weltmeister seiner Altersklasse im 48-Stunden-Lauf. Dabei lief der Troisdorfer in England 750 Stadionrunden.
SportTroisdorfer läuft 300 Kilometer in 48 Stunden und einen Marathon vor dem Frühstück

In Gloucester lief Michael Irrgang aus Troisdorf 300 Kilometer in 48 Stunden.
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Er sei, so hatte Michael Irrgang vorab klargestellt, „kein Masochist, der den Schmerz braucht.“ Er sei aber auch „kein Superheld“. Gleichwohl betreibt er einen Sport, dem man nur mit großem Respekt begegnen kann: Der 59-Jährige, der in Friedrich-Wilhelms-Hütte wohnt, bestreitet Ultraläufe. Im August wurde er Weltmeister seiner Altersklasse im 48-Stunden-Lauf.
„Völlig unerwartet“ sei dieser Erfolg für ihn gewesen, berichtet Michael Irrgang. Zumal er mit seiner Vorbereitung auf das Rennen im englischen Gloucester nicht ganz zufrieden war. Und außerdem ist „das Siegen eigentlich nicht mehr mein Ding“. Zweimal erlitt der IT-Fachmann in seiner Laufbahn Thrombosen, nach einer Lungen-Embolie im Jahr 2012 sagten die Ärzte, er könne wohl nie wieder zu Wettkämpfen antreten. Neun Monate später lief er einen Marathon, nach 15 Monaten wieder absolvierte er einen Lauf über 100 Kilometer.
24 Stunden am Stück lief Michael Irrgang erstmals 2008 in Holland
Den „Marathon-Hype“ habe er mitgemacht, erzählt Michael Irrgang von seinem Einstieg in den Laufsport. 1998 lief er in Köln zum ersten Mal mit, dabei hatte er „immer gedacht, das können nur die Kenianer“. Das „Gedränge und Gewühle“ am Start habe ihm aber nicht behagt, als Schönwetterläufer packte er die Schuhe im Herbst weg. Ein zweiter Marathonlauf im Frühjahr zeigte ihm in 3 Stunden und 50 Minuten, „dass ich ein gewisses Talent habe.“ Richtig schnell werde er nicht, habe er bald festgestellt. Aber: „Ich kann länger laufen“. Läufe über 50 Kilometer oder der Sechs-Stunden-Lauf in Troisdorf folgten, „das ist viel entspannter.“

Michael Irrgang aus Troisdorf-FWH wurde im englischen Gloucester Weltmeister seiner Altersklasse im 48-Stunden-Lauf.
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24 Stunden am Stück lief Michael Irrgang erstmals 2008, als ihn ein Freund nach Holland mitnahm. Dritter wurde er — „aber es hat mir gar keinen Spaß gemacht“. Er litt an Krämpfen, hatte zudem keine Freude „im Kreis zu laufen“. Und schließlich versprach er auch seiner Ehefrau Martina Stumpf-Irrgang, „das nicht noch einmal zu machen.“
„Es ist okay“, kommentiert die Musiklehrerin für Flöte und Klavier heute die Leidenschaft ihres Mannes. „Weil er so nach und nach reingewachsen ist“. Selbst laufen tut sie nicht, doch ist sie längst bei vielen Wettkämpfen als Betreuerin dabei und unterstützt dabei nicht nur ihren Mann.
Troisdorfer legte in Berlin in 24 Stunden 230 Kilometer zurück
Der ist inzwischen Leichtathletiktrainer mit A-Lizenz und Autor von Schriften zum Training für Ultra-Läufe. „Viel unterwegs sein“ müsse man für das Grundlagentraining. „30 Kilometer sind zu wenig“, wöchentlich steht deshalb ein Lauf über fünf bis sieben Stunden auf dem persönlichen Trainingsplan. Eine Zeit lang war ein Lauf über 43 Kilometer eine regelmäßige Einheit. Samstags, vor dem Frühstück. „Ich habe einen extrem guten Fettstoffwechsel“, erklärt Michael Irrgang. Sein Körper greife während eines solchen Laufes vor allem auf die Fettrerserven zurück, brauche wenig Kohlehydrate auf. Wenig essen gehört daher neben langsam laufen – „je langsamer, desto besser“ – zu seiner Renntaktik.
In Berlin brach Michael lrrgang 2008 sein Versprechen, legte in 24 Stunden 230 Kilometer zurück und folgte schließlich der Einladung des DLV-Trainers zur Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Seoul.
Ganz bei sich muss sein, wer im Ultra-Lauf erfolgreich sein will. „Man muss immer positive Selbstgespräche führen“, nennt das der Troisdorfer. Stets den eigenen Körper beobachten, auf eine entstehende Blase sofort reagieren. „Sonst geht die Quälerei los und der Spaß flöten.“ Mit zehn Paar Schuhen reiste der bei der Siegburger Datagroup angestellte Unternehmensberater nach England, im Rennen nutzte er zwei: „Die Füße werden größer“, was nur eine der Herausforderungen der ultralangen Strecken ist. „Man hat das Gefühl zu jonglieren“, beschreibt Irrgang den Wettkampf. „Je länger der läuft, umso mehr Bälle kommen ins Spiel.“
Euphorie ist für Michael Irrgang der größte Feind des Ultraläufers
Langeweile indes ist kein Thema für Michael Irrgang, auch wenn, wie in England, der Wettkampf auf einer 400-Meter-Stadionrunde ausgetragen wird. Ein MP3-Player liefert Musik oder Podcasts auf die Ohren, und schließlich habe die kurze Runde auch ihre Vorteile: Man komme entsprechend oft an der Toilette, dem Verpflegungsstand oder der Wechselkleidung vorbei. Etwa 750 Runden lief Irrgang in Gloucester, fast 300 Kilometer legte er zurück.
Während des Laufens ist für Michael Irrgang die Euphorie „der größte Feind des Ultraläufers“. Denn wer nach Gefühl läuft, der läuft zu schnell. Im Finale ist das anders, wenn alle Betreuer und Zuschauer die Strecke säumen. „In dem Moment tut einem nichts mehr weh“, am Ende eines solchen Wettkampfs „wird man überschwemmt von Glücksgefühlen“. Kaum jemand sei dabei, „der nicht feuchte Augen hat.“
Beliebig oft lässt sich das allerdings nicht wiederholen, stellt Michael Irrgang klar. Schließlich braucht der Körper Wochen, um sich zu erholen. Und außerdem möchte er nicht zwei gleiche Läufe in einem Jahr absolvieren. In diesem Jahr steht „nur“ noch ein Lauf über 100 Meilen in Belgien an, im Mai erneut ein Wettkampf über 48 Stunden. Zur richtigen Zeit und dem richtigen Abstand zum Saisonhöhepunkt 2024: Der zweiten WM im Sechs-Tage-Lauf in Ungarn.