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Waldbröler Ort PulvermühleDas kleine Dorf der Obdachlosen

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Die Diakonie Michaelshoven ist mit einer Photovoltaik-Anlageund einem Blockheizkraftwerk mit Gastherme ausgestattet.

Pulvermühle – Die Straßen sind schmal, etwas holprig auch, links und rechts gibt es viel Grün, sehr viel Grün. Und längst ist sich das Navigationsgerät im Auto nicht mehr sicher, ob es noch richtig leitet. Im Waldbröler Ort Pulvermühle, kurz vor der Grenze zum Rhein-Sieg-Kreis bei Ruppichteroth gelegen, wächst seit dem Jahr 1928 ein eigenes Dorf – eines, in dem seither 65 Menschen, die selbst keine Wohnung finden oder von der Obdachlosigkeit bedroht sind, eine Unterkunft erhalten. Dort betreibt die Diakonie Michaelshoven das Haus Segenborn.

Noch in diesem Jahr soll die Einrichtung um ein weiteres Gebäude, das 13 Menschen eine stationäre Begleitung ermöglicht, erweitert werden. Und nicht nur das: Der Bau ist jetzt der Beginn für eine weitreichende Neuausrichtung des vorhandenen Netzwerks mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten. „Wir haben einfach alles umgekrempelt und völlig in Frage gestellt“, sagt Susanne Hahmann, die Leiterin des Geschäftsbereichs. „Und wir haben die Antwort gefunden, dass unsere Arbeit richtig ist, aber künftig anders organisiert und auf mehrere Orte verteilt sein sollte.“

So wird nun der idyllische Stammplatz in Pulvermühle zwar erweitert, doch werden Teile davon nach Nümbrecht-Benroth, in die Mitte Waldbröls sowie an die Karlstraße in Gummersbach verlegt: Dort richtet die Diakonie die neue Fachberatungsstelle „Wohnungsnot im Oberbergischen Kreis“, eine Stelle für das „Ambulant Betreute Wohnen in Wohnungsnotfällen“ für psychisch Kranke und suchtkranke Menschen sowie ein neues Büro für den stationären Bereich mit 25 Plätzen ein. Dafür sei bereits neuer Wohnraum in den Stadtteilen Strombach und Lochwiese angemietet.

Im Haus Segenborn soll es nach dieser Umgestaltung nur noch Einzelzimmer geben. Die Gesamtkosten dafür beziffert Hahmann auf rund 1,1 Millionen Euro. Bis Ende des kommenden Jahres soll das Netzwerk neu installiert sein.Dass das Geld wahrscheinlich gut angelegt ist, beweist schon der Blick in die Statistik: Im vergangenen Jahr hat die Diakonie fast 1000 Menschen im Alter zwischen 18 und 80 Jahren betreut, Tendenz steigend. „Denn Obdachlosigkeit ist schon lange kein städtisches Problem mehr“, betont Hahmann. „Auf dem Land wird dieses Problem immer größer.“ Alle Bewohner der bestehenden sechs Häuser stammen ihren Angaben zufolge aus dem Oberbergischen und dem nahen Rhein-Sieg-Kreis.

Die Gründe, warum ein vormals geregeltes Leben aus der Bahn geraten kann, seien vielfältig. Hahmann: „Der Sturz in die Arbeitslosigkeit, die Trennung vom Lebenspartner, Schulden, dazu die Resignation und die Gelähmtheit, von vorn zu beginnen, das sind oftmals Auslöser.“ Hinzu kämen Alkoholsucht und Drogenkonsum, psychische Probleme und Erkrankungen.

Wissenschaftliche Hilfe hat sich die Diakonie Michaelshoven in Bremen bei der Gesellschaft für innovative Sozialforschung geholt. Ziel sei es, so Susanne Hahmann, die Betroffenen in die Selbstständigkeit zurückzuführen, mit einer eigenen Wohnung und einer Arbeitsstelle.