AboAbonnieren

Schnell ins EM-StadionDüsseldorf plant Anreise zu den EM-Spielen mit Computer-Simulation

Lesezeit 4 Minuten
Blick auf die Merkur Spiel-Arena

Wo kommen die Fans her und wie kommen sie am schnellsten an? Für die fünf Spiele in der Merkur Spiel-Arena in Düsseldorf ist das alles schon genau vorausberechnet. Foto: dpa

Die Wissenschaftler aus dem Forschungszentrum Jülich arbeiten an einem Konzept, das sich auf andere Großveranstaltungen übertragen lässt.

Über die Fußballfans aus Europa, die zur EM nach Deutschland kommen werden, hat sich Jette Schumann ein besonderes Wissen angeeignet. Zumindest was die Nationen angeht, deren Mannschaften bei einem der fünf Spiele in Düsseldorf antreten werden. Das sind Österreich, Frankreich, die Ukraine und die Slowakei, Albanien und Spanien.

Dabei geht es der Wissenschaftlerin vom Forschungszentrum Jülich nicht um kulturelle Unterschiede oder die Frage, welche Gruppen besonders gewaltbereit sein könnten. Sie interessiert nur eine Frage: Welche Wege werden die Fans zum Stadion nehmen? Kommen sie mit der U-Bahn oder mit dem Auto? Kommen sie in großen Gruppen zu Fuß? Organisieren sie einen Fanwalk? Welchen Einfluss haben das Wetter und die Anstoßzeit auf ihr Verkehrsverhalten?

EM-Spiele lassen sich nicht mit der Zweiten Liga vergleichen

Um Besucherströme besser abschätzen und Gefahrenstellen erkennen zu können, erstellen Schumann und ihre Kollegen in einem interdisziplinären Forschungsprojekt mit CroMa-PRO komplexe Computersimulationen, um die Besucherführung bei Großveranstaltungen zu verbessern. Das Ziel: Die An- und Abfahrt der Fußballfans am EM-Spielort Düsseldorf soll möglichst genau untersucht werden.

Zwar wird in der Düsseldorfer Arena regelmäßig vor ausverkauftem Haus gespielt. Zuletzt noch im Bundesliga-Relegationsdrama der Fortuna gegen den VfL Bochum. Dennoch ist die Herausforderung nun eine andere, lassen sich doch aus der Sicht von Experten wie Hauke Schmidt, der beim Stadionbetreiber D.LIVE für die Sicherheit der Besucher verantwortlich ist, EM-Spiele nicht mit der Zweiten Liga vergleichen.

Das beginnt damit, dass der U-Bahnhof, der direkt am Stadion liegt, bei den EM-Spielen nicht genutzt werden darf. Die Uefa verlangt rund um das Stadion die Einrichtung eines zusätzlichen äußeren Sicherheitsbereichs. Er soll verhindern, dass sich Personen unkontrolliert Zugang zum Stadion verschaffen und hat zur Folge, dass die Stadtbahnen eine andere Haltestelle in Arena-Nähe anfahren werden.

Hauke Schmidt und Jette Schumann

Jette Schumann vom Forschungszentrum Jülich im Gespräch mit Hauke Schmidt, Sicherheitsdirektor des Düsseldorfer Stadions.

Das sind ungewohnte Bedingungen für die Einsatzkräfte. Viele Routinen herkömmlicher Ligaspiele sind außer Kraft gesetzt. Für den überwiegenden Teil der Fangruppen wird auch das Stadion völlig unbekannt sein. Schließlich liegt das letzte internationale Spiel von Fortuna Düsseldorf 43 Jahre zurück. „Es gibt keine Blaupause. Wir können auch keinen Testlauf machen“, sagt Schmidt. „Trotzdem muss beim ersten Spiel alles reibungslos funktionieren.“

Dazu soll Jette Schumann mit ihrer Gruppe einen Beitrag leisten. „Unsere Simulationen liefern verschiedene Szenarien für die zeitliche und räumliche Entwicklung von Besucherströmen“, sagt sie.

EM 2024: Daten für erstes Spiel deuten auf Entspannung hin

Die Daten für das erste Vorrundenspiel in Düsseldorf am kommenden Montag, 17. Juni, deuten bei der An- und Abreise eher auf Entspannung hin. Österreich gegen Frankreich – zwei Nationen, deren Fans für Massenmärsche zum Stadion eher nicht bekannt sind. Die späte Anstoßzeit um 21 Uhr dürfte für zusätzliche Erleichterung sorgen. Der Berufsverkehr ist vorbei und sollte das Wetter mitspielen, könnte es durchaus sein, dass die Fans schon deutlich früher zum Stadion pilgern – der Rhein ist schließlich nicht weit entfernt.

All diese Daten und Annahmen fließen in die Simulationen ein. Auch die Anreise in die Landeshauptstadt. Diese Berechnungen übernimmt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt als ein weiterer Forschungspartner.

Am Forschungszentrum Jülich wird mithilfe eines agentenbasierten Modells simuliert, wie sich eine Vielzahl von einzelnen Personen vor Ort zu Fuß zum Stadion bewegt. Das Modell basiert auf Erkenntnissen zum Verhalten von Personen in großen Menschenmengen.

Fußball-EM: Jeder virtuellen Person wird ein Ziel vorgegeben

„Wir geben am Anfang jeder virtuellen Person ein Ziel vor: Du willst zu diesem oder jenem Stadioneingang. Dafür hast du mehrere Routen zur Auswahl. Und dann drücken wir quasi auf ‚Play‘ und schauen uns an, wie sich die Situation im Ganzen entwickelt", sagt Jette Schumann. „Dabei berücksichtigen wir auch Einflussfaktoren wie das Wetter, welches sich auf das Anreiseverhalten auswirkt." Das Resultat kann sich die Forscherin auf einer Karte am Computermonitor anzeigen lassen: Kleine Punkte, die sich wie Ameisen entlang der Straßen und Gehwege zur Arena hinbewegen. Mal einzeln, oft aber in Grüppchen.

So lässt sich nachvollziehen, welche Route ein Pulk von Menschen durch die Stadt nimmt – und wie lange es dauert sowie welchen Einfluss es hat, wenn dieser Pulk zwischendurch von anderen Verkehrsteilnehmern unterbrochen wird. „Wir können stets sehen, wie viele Personen zu welcher Zeit an welchem Ort sind. Dann kann man reinzoomen und sagen: hier die Stelle zu dieser Zeit interessiert mich jetzt genauer“, sagt Schumann.

Nach den fünf EM-Spielen in Düsseldorf, das letzte ist ein Viertelfinale am 1. Juli, geht die Forschungsarbeit weiter. „Es geht uns darum, grundlegende An- und Abreiseprozesse zu simulieren und Muster zu erkennen“, so Schumann. Diese „anwendungsnahe Forschung“ könne eines Tages allen zur Verfügung stehen. „Wir werden daran arbeiten, das Konzept auf andere Veranstaltungen und Orte zu übertragen.“