Schuldenabbau der Kommunen: Ministerin unter Beschuss

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Düsseldorf – Im Streit um eine Lösung in der milliardenschweren Altschuldenproblematik der Kommunen hat sich NRW-Ministerin Ina Scharrenbach gegen Vorwürfe der Untätigkeit verteidigt. Die schwarze-gelbe Koalition habe hier in ihren Regierungsjahren „viel zu bieten”, sagte die Kommunalministerin (CDU) am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag. „Es ist gelungen in den letzten fünf Jahren, dass massiv Schulden zurückgeführt wurden über die Kommunen und gleichzeitig deutlich mehr investiert wurde.” Die Oppositionsfraktionen warfen der Regierung vor, auch zum Ende der Legislaturperiode, noch immer kein Konzept für Entschuldungshilfen zu haben und die Kommunen allein zu lassen.

2017 hätten die Kommunen erstmals seit 2008 „in der Summe” wieder einen schwarzen Haushalt geschrieben, betonte dagegen Scharrenbach. Seit fünf Jahren gebe es Überschüsse in den „kommunalen Kernhaushalten.” Sie unterstrich: „Das haben wir in den Jahren, in den Jahrzehnten zuvor nicht gehabt.” Die Überschüsse beliefen sich in den fünf Jahren auf rund 8,3 Milliarden Euro. Dieser „irre Wert” resultiere auch daraus, dass Regierung und Landtag den Kommunen auf verschiedenen Wegen mehr Geld gegeben hätten. Im Landesetat 2022 seien 34,3 Prozent aller Ausgaben für Städte- und Gemeinden vorgesehen - rund 30 Milliarden Euro.

Die Regierung habe vieles angekündigt, ihr Versprechen aber gebrochen, kritisierten SPD und Grüne. Umso überraschender sei nun Scharrenbachs plötzliche Ankündigung am vergangenen Sonntag in der WDR-Sendung „Westpol”, in den kommenden Wochen Pläne für umfassende Entschuldungshilfen vorzustellen, sagte der kommunalpolitische Sprecher der Grünen, Mehrdad Mostofizadeh. Seine Fraktion hatte nach dieser „Kehrtwende” der Ministerin kurzfristig eine Aktuelle Stunde im Landtag beantragt. Das Parlament müsse angesichts einer sich verschärfenden Notlage der Städte und Gemeinden zwingend von Anfang an eingebunden werden.

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Die Landesregierung habe den Kommunen sogar neue Schulen aufgebürdet, monierten die Grünen in ihrem Antrag. Zu befürchten seien wegen der aktuell explodierenden Inflationsrate zudem kurzfristig steigende Zinsen und Belastungen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Das alles hänge „wie ein Damoklesschwert über den kommunalen Haushalten”. Kommunalexperte Henning Höne sagte in der Debatte, die FDP halten einen Schuldenschnitt für den falschen Weg.

CDU-Fachpolitiker Ralf Nettelstroth meinte, den Kommunen sei es noch nie so gut gegangen wie heute. Es sei geradezu „kommunalfeindlich”, dass Nettelstroth einen Altschuldenfonds für nicht notwendig erachte, kritisierte daraufhin SPD-Kommunalpolitiker Hans-Willi Körfges. Die Ankündigung Scharrenbachs im WDR sei mindestens verwirrend. „Damit können Sie nebenan im Apollo als Illusionistin auftreten”, rief der der Ministerin zu. Das Apollo ist ein Variete-Theater direkt neben dem Landtag.

Mit realistischer Politik habe das aber nichts zu tun, meinte Körfges. Scharrenbach werde bis zur Landtagswahl am 15. Mai kein Entschuldungsprogramm mehr umsetzen können. Scharrenbach betreibe reine Ankündigungspolitik, kritisierte auch SPD-Fachpolitiker Stefan Kämmerling: „Dicke Backen, keine Leistung”. Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Monika Düker, fragte ironisch: „Was macht diese Ministerin eigentlich beruflich?” Die Kommunen könnten kaum noch investieren in Klimaschutz, Mobilität oder auch Schulsanierung. „Am Abend wird der Faule fleißig”, kommentierte AfD-Vizefraktionschef Sven Tritschler mit Blick auf das nahende Ende der Legislatur.

Scharrenbach ging trotz mehrfacher Aufforderungen nicht auf ihre Äußerung im WDR ein. Sie verwies auf ein aktuelles Interview mit der „Rheinischen Post”, in dem sie sich auch zum CDU-Wahlprogramm geäußert hatte. Darin sei „eine Perspektive derart angelegt worden, dass wir gesagt haben, es gibt ein großes Volumen, womit wir sowohl das Thema Investitionen als auch das Thema Altschulden adressieren wollen.” Hintergrund sei, dass es aktuell viele einzelne Förderprogramme gebe, oft „bauliche Flickschusterei” - und im Wahlprogramm sei daher formuliert: „Das wollen wir ändern.”

© dpa-infocom, dpa:220406-99-819637/3 (dpa/lnw)

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