GeburtsklinikenSo lange müssen werdende Eltern in der Region um Köln zur Entbindung fahren

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Eine Frau und ein Mann gehen mit einem Baby in den Kreißsaal einer Schwangerenambulanz (Symbolfoto).

Eine Frau und ein Mann gehen mit einem Baby in den Kreißsaal einer Schwangerenambulanz (Symbolfoto).

Während Kliniken schließen, steigt die Zahl an Geburten stetig. Wie steht es um die Versorgung von Schwangeren in der Region um Köln?

Das Land NRW hat sich den Ausbau der Geburtskliniken auf die Fahnen geschrieben und wirbt mit der Eröffnung neuer Hebammenkreißsäle. „Nordrhein-Westfalen ist bei Hebammenkreißsälen bundesweit führend“, erklärte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann im Januar 2022. Die selbst gesteckten Ziele von 29 spezialisierten Einrichtungen wurden in dem Jahr knapp verfehlt. Das Ministerium zeigt sich jedoch weiter ambitioniert. Im Februar 2023 wurde das zugehörige Förderprogramm bis Jahresende verlängert. Aber reicht das?

Tatsächlich wurden in der Region im Großraum Köln seit 2006 elf Geburtskliniken geschlossen. Zwischen 2002 und 2017 hat sich die Zahl der Kliniken mit Geburtshilfe von 229 auf 122 reduziert. Und das bei einer steigenden Zahl an Geburten. Auf die katastrophale Situation in vielen Geburtskliniken in NRW machen Hebammen schon lange aufmerksam.

Geburtskliniken: NRW verlängert Förderphase für Krankenhäuser

Mit bis zu 25.000 Euro je Klinik will sich das NRW-Gesundheitsministerium diesem Negativtrend entgegenstellen. „Mit der neuen Förderphase machen wir einen weiteren großen Schritt, um die Versorgung von Schwangeren in Nordrhein-Westfalen nachhaltig zu verbessern“, ist sich Laumann sicher.

Das Förderprogramm soll geburtshilflichen Abteilungen ermöglichen, den Hebammenkreißsaal als ergänzendes Angebot in vorhandenen Räumlichkeiten anzubieten. Die Initiative an sich stößt auch beim Landesverband der Hebammen NRW auf breite Zustimmung, doch an den damit zusammenhängenden Pauschalen gibt es scharfe Kritik.

Scharfe Kritik an Fallpauschalen

„Fallpauschalen honorieren erbrachte Leistung. Wenn die Hebamme im Kreißsaal präsent ist, aber keine Frau zur Geburt zu betreuen hat, kann die Klinik keine Fallpauschale abrechnen, hat aber Kosten für Personal, Räumlichkeiten usw. Das ist aus Sicht eines Unternehmens nicht attraktiv“, erklärt Barbara Blomeier, Vorsitzende im Landesverband der Hebammen NRW gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Kliniken müssen sich Hebammen leisten können.“

Auch Matthias Blum, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, übt Kritik: „Die Tatsache, dass mehrere Krankenhäuser in den vergangenen Jahren ihre Geburtshilfe-Abteilungen schließen mussten, verdeutlicht die eklatante Unterfinanzierung in diesem Bereich.“ Die in der Geburtshilfe bisher gezahlten Fallpauschalen führten aus seiner Sicht dazu, dass die Abteilungen eine Mindestzahl an Geburten pro Jahr erreichen müssen, um wirtschaftlich tragfähig zu sein. „Krankenhäuser mussten und müssen dieses Minus häufig durch Erlöse aus anderen Bereichen auffangen, um die Versorgung in ihrer Region stabil zu halten.“

Flächendeckende Geburtshilfe in der Region?

Das Land ist sich seiner Verantwortung in dem Bereich bewusst. „Eine gut erreichbare Geburtshilfe auf medizinisch hohem Niveau stellt für werdende Mütter einen wichtigen Ankerpunkt bereits im Vorfeld der Geburt dar“, sagt Heiko Haffmans vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Vor diesem Hintergrund nehme die Sicherstellung einer flächendeckenden Geburtshilfe eine wichtige Rolle in der Krankenhausplanung des Landes ein.

Die Zahlen, die das Ministerium vorlegen kann, klingen erstmal gut: Alle Kreise und Kommunen im Großraum um Köln können die Vorgaben des Bundes zur flächendeckenden Versorgung von Geburtshäusern erfüllen. Danach ist die flächendeckende Versorgung durch die Schließung eines Krankenhauses gefährdet, wenn als Folge der Schließung zusätzlich mindestens 950 Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren PKW-Fahrzeiten von mehr als 40 Minuten aufwenden müssen, um das nächste geeignete Krankenhaus zu erreichen.

Grafik zeigt: So lange brauchen Schwangere zur Geburtsklinik

Das ist in der Region Köln eindeutig nicht der Fall, wie auch folgende Grafik veranschaulicht:

Diesen Maßstäben zufolge ist die Versorgung in den genannten Kreisen gesichert. Gleichwohl muss auch das NRW-Gesundheitsministerium Probleme in der stationären Geburtshilfe einräumen. Im Raum Bonn/Rhein-Sieg-Kreis etwa wurden seit 2014 insgesamt vier geburtshilfliche Abteilungen an Krankenhäusern geschlossen. Dadurch haben sich die Fahrzeiten für die Frauen in der Region immer mehr verlängert – auch wenn sie in den vorgegebenen Grenzen des Bundes verbleiben.

NRW-Gesundheitsministerium kritisiert Bundesvorgaben

„Ein wesentliches Problem im Bereich der Geburtshilfe sind die unzureichenden Bundesvorgaben zur Finanzierung“, so Haffmans von Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW. „Das bisherige Finanzierungssystem wird den Anforderungen an Krankenhäuser in ihrer Funktion als kritische Infrastruktur staatlicher Daseinsvorsorge nicht gerecht.“

Die Geburtshilfe sei ein Leistungsbereich, in dem Kliniken hohe Vorhaltekosten zu finanzieren haben. Grund dafür ist insbesondere, dass Geburten kaum planbar sind und geburtshilfliches Personal daher rund um die verfügbar sein muss. Über das aktuelle System lasse sich dies nicht ausreichend finanzieren.

Hoffnung setzt NRW auf die von Karl Lauterbach angestoßene und für 2024 geplante Krankenhausreform sowie auf die bis dahin vom Bundesgesundheitsministerium initiierte Überbrückungsfinanzierung. Auf dieser Grundlage habe das Land NRW aktuell 38 Krankenhäuser mit bedarfswichtigen Geburtshilfen mit insgesamt 25 Millionen Euro unterstützt.

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