Teenager in CoronazeitenStur sein, zocken, sich weiter stundenlang die Haare glätten

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Spielekonsole Symbolbild

Viele Teenager nutzen die schulfreie Zeit zum Zocken. (Symbolbild)

  • Corona verändert auch das Familienleben. Schulen sind geschlossen, Kitas auch.
  • Die 15-Jährige kann nicht mehr an Bahnhaltestellen abhängen.
  • Aber unterm Strich bleibt doch das meiste wie immer: Die Zeit ist knapp.

Zu Beginn ein Geständnis: Sie ereilen mich, die schwachen Momente. Die Atemnot, weil der Arbeitstag mit Kinderbetreuung, psychischer Krisenintervention beim unter Kontaktverbot leidenden Teenager, Homeschooling, Haushalt und acht Stunden Erwerbstätigkeit locker 24 Stunden dauert, wegen nicht wegzudelegierenden Schlafbedürfnisses aber in 18 Stunden gepresst werden muss.

Dann liege ich abends wie von einem Felsbrocken erschlagen im Bett und mein Herz rennt weiter seinen Marathon, weil es nicht so schnell aussteigen kann aus der Achterbahn, in der mein Leben seit Beginn der Krise sitzt.

Luxus Freizeit war schon immer rar gesät

Aber ich will nicht jammern. Sondern mich darauf konzentrieren, dass ziemlich viel in unserem Leben stur genug ist, sich auch von so einem Virus nicht verändern zu lassen. Ok,  die Kneipen haben zu und meine Freundinnen habe ich in den vergangenen zwei Wochen nicht gesehen. Aber um ehrlich zu sein: Die Treffen waren auch vorher rar gesät. Wir hatten vor der Krise uns, drei Kinder und zwei zeitaufwendige Jobs. Wir haben auch in der Krise uns, drei Kinder und zwei zeitaufwendige Jobs. Für den Luxus, da noch mehr draufzusatteln, blieb  noch nie viel Zeit.

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Gut, mein Yogastudio hat zugemacht. Aber die Krise zeigt: Für eine Sportart, deren Platzbedarf   genau  1,8 Meter mal 0,7 Meter beträgt, ist selbst in der kleinsten Wohnung Raum.

Die beiden Großen gehen jetzt zwar nicht mehr zur Schule und kommen alle paar Minuten in unser Homeoffice-Wohnzimmer, um zu fragen, wer John Keynes war oder banal: „Was soll ich da machen?“ Die Älteste trifft sich nicht mehr mit ihren Freundinnen an der Bahnhaltestelle. Aber auch sie ist stur genug, ihre Gewohnheiten durchzuziehen: Als Motivation, sich stundenlang die Haare zu glätten und ihr Gesicht einzupinseln, reicht der 15-Jährigen ein Date mit sich selbst vor dem Fernseher.

Der Mittlere ist immer noch großer TikTok-Fan und erzählt abends die besten Fails und Witze, die er sich da tagsüber mit den Mini-Videos reingezogen hat. Die meisten handeln jetzt von Corona. Aber er lacht sich immer noch schlapp. Er zockt am liebsten. Der Jüngste wacht morgens auf und zitiert ebenso brüllend wie gut gelaunt aus seiner Lieblingslektüre mit der Kuh Lieselotte: „Sonnenschein! Hühnerlachen!“

Hausarbeit aus purer Langeweile

Und dann gibt es tatsächlich auch die Verbesserungen, die durch die depressiven Phasen dieser Krise blinzeln: Der Mittlere hat gestern freiwillig und proaktiv den Tisch gedeckt. Aus purer Langeweile. Die Große hat mit dem Dreijährigen gemalt und dabei kein einziges Mal auf ihr Handy geguckt. Wir haben mit Geschwistern, Eltern, Neffen, Nichten, Cousins geskyped. Seien wir ehrlich: Ohne Krise hätten wir uns wahrscheinlich mindestens bis Weihnachten nicht gesehen. Weder real noch via Bildschirm. 

Und wenn ich abends mit rasendem Herzen unter dem Felsbrocken im Bett liege, muss ich immerhin nicht mehr rätselraten, ob die Große pünktlich um zehn zu Hause sein wird oder gleich anruft, um zu versichern: „Meine Bahn ist nicht gekommen, Mama, wirklich!“

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