Unbestraftes VersagenErmittlungen gegen Behörden im Fall Lügde eingestellt

Der versiegelte Campingwagen des mutmaßlichen Haupttäters auf dem Campingplatz Eichwald in Lügde
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Detmold/Düsseldorf – Die Fälle von Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde werden für Mitarbeiter der Polizei und zweier Jugendämter keine strafrechtlichen Folgen haben. Das hat die Staatsanwaltschaft Detmold mitgeteilt. Bei den Ermittlungen habe sich in keinem Fall ein hinreichender Tatverdacht auf eine strafbare Handlung ergeben.
Auf dem Campingplatz hatte es über mehrere Jahre hundertfache Übergriffe auf Kinder gegeben, viele wurden für Videoaufnahmen missbraucht. Ein Vater, der den Haupttäter Andreas V. bei einer der kriminellen Handlungen ertappt hatte, will nach eigenen Angaben weder bei der Polizei noch beim Jugendamt Gehör gefunden haben. Die Staatsanwaltschaft hat in einer Mitteilung jeden einzelnen Fall ausführlich begründet und zeichnet damit ein Bild, in dem das gesamte Versagen der Polizei Lippe und der Jugendämter deutlich wird.
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Die Beschuldigten hätten zwar nichts unternommen, „die ihnen zur Kenntnis gebrachten Verdachtsmomente zu bestätigen oder auszuräumen“, aber ein Vorsatz sei nicht erkennbar. Sie seien alle davon ausgegangen, dass es keinen sexuellen Missbrauch gegeben habe, weil das Kind ihnen und den anderen an der Betreuung beteiligten Personen gegenüber „keine Verhaltensauffälligkeiten zeigte“. Vielmehr hätten die Familienhelferinnen bestätigt, dass es keine Anhaltspunkte für einen sexuellen Missbrauch gibt. Dass sie das Kind nicht selbst befragt oder begutachtet haben, sei allenfalls fahrlässig. Überdies hätten die späteren Aussagen gezeigt, dass es bei einer Befragung sehr wahrscheinlich seinen Pflegevater in Schutz genommen hätte.
Vermerk im Kommissariat nicht weiter bearbeitet
Einem mittlerweile pensionierten Polizeibeamten wurde der Vorwurf gemacht, Hinweise eines Zeugen nicht an das zuständige Kriminalkommissariat weitergeleitet zu haben. Der Beamte hat das stets zurückgewiesen. Aus den Akten der Jugendämter ging jedoch hervor, dass er einen Vermerk über die Telefonate mit dem Zeugen gemacht hatte. „Aufgrund des Zeitablaufs und eines damaligen Computerausfalls ließ sich nicht mehr aufklären, warum dieser Vermerk zwar zeitnah den Jugendämtern übermittelt wurde, beim Kriminalkommissariat aber kein Vorgang angelegt und der Fall weiter bearbeitet wurde“, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Man habe daher nicht mehr feststellen können, ob der Beamte „nicht das Erforderliche veranlasst hat“.
Polizistin hat Geschehen falsch bewertet
Eine Polizistin sah sich dem Vorwurf der Strafvereitelung im Amt oder der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch durch Unterlassen ausgesetzt. Sie habe nach einem Hinweis einer Mitarbeiterin des Jobcenters des Kreises Lippe weder ermittelt noch die Staatsanwaltschaft informiert. Die Beamtin konnte nachweisen, dass sie aufgrund des Hinweises Telefonate mit den Jugendämtern in Lippe und Hameln geführt hatte. Danach war sie überzeugt, einen sexuellen Missbrauch durch Andreas V. habe es nicht gegeben. Das war eine Fehleinschätzung, der für eine Strafbarkeit nötige Vorsatz habe sich aber nicht feststellen lassen, so die Staatsanwaltschaft.
155 CDs und DVDs bleiben verschwunden
Das Ermittlungsverfahren wegen des Verschwindens von 155 CDs und DVDs in einem Aluminiumkoffer und einer CD-Mappe aus der Kreispolizeibehörde Lippe stellte die Staatsanwaltschaft ebenfalls ein. Einen Anfangsverdacht gegen Polizisten oder andere habe sich nicht ergeben. Der Verbleib der Asservate sei weiter unklar. Die Ermittler erklärten, nach glaubhaften Angaben eines Kommissaranwärters handelte es sich überwiegend um Computerprogramme, Musik-CDs und Spiel- und Kinderfilme.
Verdachtsmomente nicht ausgeräumt
Ebenfalls eingestellt wurden die Verfahren gegen sechs Mitarbeiter des Jugendamtes Hameln-Pyrmont sowie dessen Leiter, gegen eine Mitarbeiterin des Jugendamtes Lippe und gegen drei Familienhelferinnen. Dazu hieß es, die Beschuldigten hätten zwar nicht versucht, Verdachtsmomente durch Untersuchungen zu bestätigen oder auszuräumen. Doch könne letztlich nur festgestellt werden, „dass alle Beschuldigten davon ausgingen, dass ein sexueller Missbrauch nicht stattfand“. (mit dpa)