Wasserski in LangenfeldWarum die Fahrer auch bei Eiseskälte auf das Wasser gehen

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Wochenende in Langenfeld: Blauer Himmel, zehn Grad, das Wasser noch ein bisschen kälter – nichts wie hinein in die kalten Fluten.

Wochenende in Langenfeld: Blauer Himmel, zehn Grad, das Wasser noch ein bisschen kälter – nichts wie hinein in die kalten Fluten.

  • In der Wasserski-Anlage in Langenfeld läuft die Saison bis Mitte Dezember.
  • Die Fahrer freut es – sie trotzen den eisigen Temperaturen, um ihren Sport auszuüben.
  • Doch warum tut man sich diese Eiseskälte an? Ein Besuch.

Langenfeld – Wenn morgens früh der Raureif nach einer kalten Nacht auf Wiesen und Feldern noch liegt; wenn die Sonne sich nicht recht entscheiden mag, ob sie aufgehen soll oder nicht und die Wetter-App fünf, vielleicht sechs Grad und wahrscheinlich Wolken, Nebel und Nieselregen ankündigt – dann gibt es ein paar bewährte Dinge, die ein kühles Herbstwochenende zu veredeln in der Lage sind: Ein heißer Tee, ein Grog vielleicht, ein Besuch in der Sauna für die, die’s mögen und – natürlich – ein paar spritzig-spritzende Runden Wasserski draußen auf dem See.

An diesem Tag zeigt das Thermometer an der Wasserskibahn Langenfeld neun, manchmal zehn Grad; die Sonne scheint – ein schöner, kalter Spätherbsttag. Das Wasser ist noch ein bisschen kälter. Am Starthäuschen hängt eine seltsame Uhr, deren Anzeige nur bis sechs geht; jetzt ist sie auf drei gestellt – das bedeutet, dass die Zugleine hier mit einer Geschwindigkeit von genau 30 km/h vorbei läuft. Wer sich auf der Startrampe den Trapez-Griff schnappt, sollte leicht in die Knie gehen, die Muskeln in Armen, Bauch und Beinen anspannen, den Moment erwischen, in dem die Leine sich spannt und dann ab ins Wasser und stehen bleiben und Runden drehen. Die meisten Leute, die heute hier fahren, die können das.

„Wenn man nicht dran bleibt, verlernt man alles“

Der Start und die Kurven sind für gewöhnlich ein Problem, wenn man ungeübt ist oder ungeschickt, dann fliegt man aus der Balance und spritzend hinein ins Wasser, was im Sommer eine andere Art Vergnügen darstellt als in den kürzer werdenden November- und Dezembertagen. Johanna Wagner kommt aus Bottrop, sie ist gerade aus dem Wasser geklettert und steht jetzt an für die nächste Runde auf dem Wakeboard. „Ich fahre das erste Mal bei Kälte“, sagt sie. Und warum? Sie lacht: „Das ist so ein schöner Sport – ich habe erst in diesem Sommer mit Wasserski angefangen, und wenn man nicht dran bleibt, dann verlernt man ja alles wieder...“

Fröhlich, nicht fröstelnd: Johanna Wagner (l.), Rene Burghardt

Fröhlich, nicht fröstelnd: Johanna Wagner (l.), Rene Burghardt

Mit einem großem Platsch ist sie eben gestürzt – wie war denn das? „Ich fahre ja noch nicht so lange, mir war klar, dass ich wahrscheinlich reinfallen werde“, sagt sie eher fröhlich als fröstelnd, „als es soweit war, habe ich sofort gedacht, dass ich einen Kälteschock bekomme und gleich losschreie. Aber dann war es eigentlich nicht so schlimm.“

„Man kann sich gegen die Kälte ganz gut schützen“, sagt Rene Burghardt. Er kommt aus Köln-Kalk hierher und zählt auf: „Stirnband, Neopren-Socken, ein guter Neopren-Anzug...“ Vier Millimeter dick sollten es schon sein. Handschuhe? „Vielleicht lieber nicht“, sagt er. Da verliert man das Gefühl in den Händen, wenn das Wasser rau ist und die Kurven zackig sind. „Außerdem treibt man ja Sport – das wärmt schon ein bisschen auf.“ Und überhaupt: „Die Temperaturen von Wasser und Luft sind in der Regel nicht das Problem; im Herbst und im Winter fährt man ohnehin am besten auf Nummer sicher“, sagt der junge Kölner, „aber kalter Wind ist übel, der schneidet unter Umständen eisig ins Gesicht.“

„Wir machen immer auf – bei vier Grad, bei Regen, bei Nebel“, sagt Benjamin Süß, „wir sind hier schon bei null Grad gefahren. Ausnahmen sind nur, wenn Eis auf dem Wasser ist und bei Gewitter. Das Gewitter lässt man vorbei ziehen“, sagt er. Und dann geht es weiter.

Benjamin Süß ist einer der Betreiber der Langenfelder Anlage; es gibt inzwischen vier Gewässer, auf denen die Seilbahnen die Wasserski- und Wakeboardhelden über das Wasser laufen lassen. Das ganze ist ein Familien-Unternehmen; Großvater und Vater Süß hatten hier lange Jahre durchaus lukrativ ein Baggerloch betrieben, bis in den 70er Jahren der große Bauboom erstmal nachließ. Dann widmeten sie das Gelände um.

Wasserski in NRW

Man unterscheidet zwischen Wasserski und Wakeboard – es ist wie beim Wintersport: Wasserski sind zwei Bretter, die parallel geführt werden; beim Wakeboard werden beide Füße auf einem Brett platziert. In Nordrhein-Westfalen gibt es zwischen Düren und Winterberg 15 Wasserski- und Wakeboardanlagen unterschiedlicher Größen und Kategorien. Ein Verzeichnis gibt es unter: www.w4ke.com 

Der Holsteiner Sportler, Ingenieur und Erfinder Bruno Rixen hatte in den 1960er Jahren an der heimischen Ostsee die weltweit erste Anlage gebaut und in Betrieb genommen – das nahmen sich die Langenfelder entschlossen zum Vorbild. Die Anlage zwischen Leverkusen und Düsseldorf war 1976 die erste Wasserskibahn in NRW, in ganz Deutschland gab es noch keine fünf. Der Boom kam erst später.

„Wer hat schon ein Motorboot?“

„Wasserski“, sagt Süß, „ das klang früher nach Monte Carlo und Nizza; man brauchte vor allem ein Motorboot. Aber wer hat schon ein Motorboot?“ Als dank Bruno Rixen die Bahnen aufkamen, haben die Bootsbesitzer anfangs noch gelächelt, jetzt ist Wakeboard auf der Bahn ein weltweit verbreiteter Sport, der regelmäßig nur haarscharf an der olympischen Startberechtigung vorbeischrammt. „Wenn Olympia wirklich nach NRW käme“, sagt Süß, „rechnen wir uns Chancen aus zumindest als Demonstrationssportart dabei sein zu können. Es ist ja alles hier.“

Wasserski und Wakeboard im November – gute Neoprenanzüge schützen vor Kälte

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Melina Kaiser aus Gelsenkirchen kommt gerade aus dem Wasser. „Ich bin auch schon bei vier Grad Wassertemperatur gefahren“, sagt sie. Und wie ist das? „Geil.“ Aha, sie fährt schon seit ein paar Jahren und bewegt sich entsprechend sicher auf dem Brett. Was ist denn das Geile? „Je später das Jahr, desto mehr Leute kommen nach Langenfeld“, sagt sie. Die anderen Bahnen – zum Beispiel im Ruhrgebiet, wo sie herkommt – schließen im Oktober. „Dann kommen alle mit Spaß an Wasserski und Wakeboard hierher“, sagt sie. „Toll.“

Allein im Rheinland acht Anlagen

Der Boom ist erheblich. In Deutschland gibt es zwischen Flensburg und Kiefersfelden etwa 80 Anlagen, im Umkreis von Köln, Bonn und Leverkusen liegen gleich acht Anlagen innerhalb einer Stunde Fahrt. Am nächsten liegt der Bleibtreusee zwischen Brühl, Hürth und Erftstadt. Dort ist der Betrieb wie andernorts auch Ende Oktober in die Winterpause gegangen. In Langenfeld geht die Saison bis zum 15. Dezember, meist an den Wochenenden. Aber manchmal auch zwischendurch, das steht dann auf der Homepage.

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Neu ist die lange Saison nicht. „In den 70er Jahren war fast durchgehend geöffnet, weil alles so neu war und alle das so super fanden“, sagt Süß, „nach und nach hat sich Wasserski eher zu einem Sommersport entwickelt.“ Jetzt geht es wieder andersrum, die Öffnungszeiten fressen sich nach und nach wieder tiefer ins Jahr. Langenfeld ist dafür ziemlich gut geeignet, die Ausstattung der Bahn und die Infrastruktur ist umfassend.

„Wir fahren bis Sonnenuntergang“, sagt Süß, „im Sommer geht es bis 22.15 Uhr, derzeit bis 17.30 Uhr.“ Bis es dunkel wird. Im Sommer gibt es auf vielen Bahnen das besondere Angebot des morgendlichen Fahrens – ab 8 Uhr, hinein in den Sonnenaufgang. Das gibt es im Winter nicht. „Eigentlich schade“, sagt Süß und zeigt ein paar Fotos. „Manchmal ist die Wasserfläche spiegelglatt, alles sieht so schön und friedlich aus und ganz früh morgens liegt dann der Nebel auf dem Wasser.“

Dazu passt ein berühmter Songtitel: „Smoke on the water“. „Ja“, sagt Süß, „das kann mal wohl sagen. Wahnsinn.“

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