Flut-Hilfen in NRWIBAN-Nummern werden per Hand eingetippt

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Ein Flutopfer aus Schleiden in seinem entkernten Haus

Köln/Düsseldorf – Knapp fünf Monate nach dem Start der Wiederaufbauhilfe für die Flutopfer in den Hochwassergebieten von Nordrhein-Westfalen werden nach Angaben der Bezirksregierung Köln alle bewilligten Anträge von der NRW-Bank mit dem vereinbarten Abschlag von 40 Prozent tagesaktuell ausgezahlt.

„Dieser Berg ist abgearbeitet“, sagte Kölns Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD) dieser Zeitung. Von bisher rund 13.000 gestellten Anträgen seien mehr als 8000 mit einem Gesamtvolumen von rund 216 Millionen Euro bewilligt. Das ist eine Quote von rund 65 Prozent. 2500 Anträge mussten wegen Mängeln wie fehlender Unterlagen zurückgegeben werden.

Walsken: „Wir lassen keinen Antrag unbearbeitet liegen"

Bei 1700 dieser Anträge sei keine Reaktion mehr erfolgt. „Wir wissen nicht, was damit ist“, sagte Walsken. „Möglicherweise haben die Betroffenen einen weiteren Antrag gestellt, möglicherweise hat er sich erledigt, weil eine Versicherung den Schaden beglichen hat oder er mit Hilfe von Spenden reguliert werden konnte.“

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Gisela Walsken (SPD), Regierungspräsidentin in Köln

Denkbar sei auch, dass Betroffene im System einfach einen neuen Antrag gestellt haben, weil sie ihr Passwort vergessen hatten. „Wir werden jedem einzelnen Fall noch einmal nachgehen und versuchen, das zu klären“, so Walsken. „Wir lassen keinen Antrag unbearbeitet liegen.“

Rund fünf Monate nachdem NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) den Startschuss für die Wiederaufbauhilfe gegeben hat, läuft das System aber immer noch nicht rund.

Bescheide können nicht per Mail verschickt werden

Ein internes Protokoll, das unserer Zeitung vorliegt, lässt die Komplexität des Verfahrens erahnen. Jeder digital gestellte Antrag landet zur Vorprüfung bei der landeseigenen NRW-Bank und bei einem Personaldienstleister. Fehlen Unterlagen oder sind Inhalte unklar, wird der Antrag im System zurückgegeben. Die Rückfragen seien nicht immer klar formuliert. In Einzelfällen entstünde ein „Ping-Pong-Spiel“ mit bis zu drei Nachfragen, heißt es in dem Dokument. Bis Anfang Januar war ein direkter Kontakt zwischen der NRW-Bank und dem Dienstleister mit dem Flutopfer nicht vorgesehen, jetzt ist das immerhin per E-Mail möglich.

Bis heute können Bewilligungsbescheide nicht per E-Mail versendet, sondern müssen ausgedruckt und per Post verschickt werden. Gleichzeitig wird ein Kontierungsbeleg erstellt, der von zwei Mitarbeitern der Bezirksregierung unterzeichnet werden muss, damit das Vier-Augen-Prinzip eingehalten wird. Diese Kontierung wird vom NRW-Finanzministerium vorgeschrieben. Danach wird das Dokument eingescannt und an ein geschütztes Postfach an die NRW-Bank übermittelt. Dort wird jede einzelne Zahlung im System erfasst und die Auszahlung veranlasst. Dazu muss jede IBAN-Nummer per Hand eingetippt werden.

Bezirksregierungen haben vor Antragsverfahren gewarnt

Die Bezirksregierungen haben laut dem internen Protokoll das Kommunalministerium in Düsseldorf ausdrücklich von diesem Antragsverfahren abgeraten und eine „Vielzahl von Problemen benannt“. Die Anforderungen an ein „funktionierendes digitales Fachverfahren“ seien vom Ministerium „nicht umgesetzt“ worden, „bzw. dauern über Monate an“.

Auch mit dem Vorschlag, Anträge von privaten Flutopfern nach einer Beratung durch „kurzgeschulte Fachfremde nach einem klaren Ja-Nein-Schema“ zu bearbeiten, sei man nicht durchgedrungen.

Kölns Regierungspräsidentin kann diesen komplexen Ablauf des Verfahrens bestätigen. „Wir fordern schon seit drei Monaten, dass die Richtlinie des Finanzministeriums reformiert wird“, sagte sie. Das sei jetzt zwar angekündigt, aber noch nicht umgesetzt. Die postalische Zustellung führe zu einer hohen Rückläuferquote, weil die Bescheide oft an der Heimatadresse landeten, an der Flutopfer wegen der Zerstörungen derzeit aber gar nicht wohnen.

Im Regierungspräsidium Köln sind 245 Stellen unbesetzt

Von den 66 zusätzlichen Stellen, die das Land der Bezirksregierung Köln für die Bearbeitung der Hochwasser-Folgen bewilligt hat, konnten bisher erst 15 besetzt werden. „Der Arbeitsmarkt ist in diesem Bereich einfach schwierig“, so Walsken. Zudem seien sie auf zwei Jahre befristet. Da mache die Einarbeitungszeit von einem halben Jahr wenig Sinn. „Die Menschen sind mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Die brauchen das Geld jetzt.“ Der Vorschlag, den Bezirksregierungen einen Etat zur Verfügung zu stellen, um Aushilfskräfte zu beschäftigen, sei beim Land nicht auf Gegenliebe gestoßen. „Das war nicht gewollt.“

Bei der Bezirksregierung Köln mit rund 2300 Mitarbeitenden sind nach Angaben der Regierungspräsidentin derzeit 245 Stellen nicht besetzt. „Das Personalproblem haben wir nicht allein, es betrifft alle Bezirksregierungen. Im Gegensatz zu Münster und Detmold, die wegen der Flut kaum Sofort- und Wirtschaftshilfe leisten mussten, haben wir wegen der hohen Belastungen beim Personal alle Verschiebemöglichkeiten nahezu ausgereizt.“

Dass man es trotz dieser Widrigkeiten dennoch geschafft habe, bei der Auszahlung der Wiederaufbauhilfen nach den erheblichen Anlaufproblemen gut dazustehen, sei auch der Kooperation mit den anderen vier Regierungspräsidien zu verdanken. Der Vorwurf aus der Politik von Anfang Januar, das Land habe der Bezirksregierung Köln wegen „Überforderung“ die Verantwortung für einige Kommunen entzogen, habe die Mitarbeitenden in Köln schwer getroffen, sagt Walsken.

Walsken weist den Vorwurf der Überforderung zurück

„Das Verfahren wurde im September vereinbart. Wir haben Anfang Februar lediglich die Briefköpfe ausgetauscht. Bis dahin war bei allen Bescheiden als Absender immer Köln angegeben, so dass wir jede Rückfrage erst mühevoll weiterleiten mussten. Das hat viel Zeit gekostet.“ Man habe erst juristisch klären müssen, ob es zum Problem werden könne, „wenn einer gegen den Bescheid klagt, den Detmold erlassen hat, wir aber eigentlich zuständig sind. Das ist jetzt intern geregelt“, sagte Walsken.

Die Prozesse zwischen allen Beteiligten seien seit Herbst vergangenen Jahres kontinuierlich optimiert worden. Man habe unter anderem für die Bewilligung der Wiederaufbauhilfe feste Strukturen und Ansprechpartner installiert und so die Vorgänge und Bewilligungen beschleunigen können.

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