Wirt gegen ApothekerSollen Biergärten in Köln jetzt geöffnet werden?

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Minijob Kellnerin

Sehnsucht nach dem Biergartenbesuch

  • Auf den Straßen Tel Avivs ist das Leben zurück und auch in Großbritannien ist der Ansturm auf die Pubs groß. Zeit, auch in Köln endlich wieder im Biergarten sitzen zu dürfen?
  • Heiko Hörnecke sagt: „Würden die Leute statt am Rhein im Sand bei uns sitzen, würden sie erfasst. Wir wissen, wer wann wo war.“
  • Thomas Preis sagt: „Viele Infektionen finden auch auf dem Weg ins Restaurant statt.“

Auf jeden Fall und zwar sofort. Unabhängig von den Inzidenzzahlen. Wir stellen keine Gefahr dar. Wir haben eine große Außenterrasse mit Rheinblick, auf der etwa 50 Gäste Platz hätten, wenn wir die Corona-Abstandsregeln einhalten. Das entspricht etwa der Hälfte vom Normalbetrieb.

Aber die Terrasse bleibt leer, während sich direkt darunter, auf dem  Rodenkirchener Leinpfad, unglaubliche Szenen abspielen: Da quetschen sich  Spaziergänger, Radler, Skater und Jogger vollkommen unkontrolliert ohne Abstand aneinander vorbei. Hunderte Menschen sitzen im Sand und trinken, und auch da werden nicht immer die Abstände eingehalten. Würden die bei uns sitzen, würden sie erfasst und messbar weit genug auseinander sitzen. Wir wissen, wer wann wo war. Das weiß im Jugendpark oder auf dem Maternusplatz niemand.

Hörnecke

Heiko Hörnecke ist Wirt vom Brauhaus Quetsch.

Wir bekommen so viele Anrufe, die Gäste betteln: Macht wieder auf, wir bekommen einen Lagerkoller. Den Menschen fehlt das so. Mit der Öffnung zumindest der Außengastronomie würdest du auch wieder etwas Ruhe ins Volk kriegen. Und es ist erwiesen, dass sich im Freien so gut wie niemand ansteckt.

Es bleibt doch keiner zu Hause, wenn die Sonne scheint

Wir sind zugemacht worden, nachdem wir viele Ideen eingebracht und umgesetzt haben, zu einem Zeitpunkt, wo man gedacht hat: Läuft doch alles. Und mal ehrlich: die Leute sind doch soundso unterwegs. Es bleibt doch keiner mehr zu Hause, wenn die Sonne scheint. Die Geduld ist weg und die rennen aus Langeweile zum Supermarkt,  nur um rauszukommen.

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Am Leinpfad ist es manchmal so voll, da könntest du über die Köpfe laufen. Aber wir dürfen nicht aufmachen. Das ist absurd. Ich habe gestern im Baumarkt einen Kollegen getroffen und eine dreiviertel Stunde gequatscht. Warum geht das dort und hier nicht? Hier wäre das zumindest erfasst worden, im Baumarkt nicht.

Will dem Staat nicht auf der Tasche liegen

Ich will auch dem Staat nicht weiter auf der Tasche liegen. Wir werden subventioniert, ja. Das ist auch grundsätzlich gut. Aber wir könnten aus meiner Sicht das Geld ohne Risiko für alle Beteiligten selbst verdienen. Das würde sich auch unter Corona-Bedingungen rechnen. Und es wäre besser für Wirte, Köbesse, Gäste und den Steuerzahler.

Insgesamt gesehen brauchen wir eine baldige Perspektive, einen festen Tag, an dem die Gastronomie wieder komplett aufmachen darf. Wenn das mit dem Impfen so weiter geht, würde ich sagen so Angang Juni. Wir stochern aktuell nur im Nebel, putzen den Laden in der Hoffnung, dass bald was passiert, das kostet ja auch alles Geld.

Bitte keine Hau-Ruck-Aktion

Das schlimmste, was passieren kann, wäre wieder so eine Hau-Ruck-Aktion wie beim letzten Mal. Donnerstags sagen sie dir, dass du montags wieder aufmachen kannst. Bei einem Laden unserer Größe mit etwa 200 Plätzen brauchst du mehr Vorlauf: Küche hochfahren, Ware bestellen, Biervorräte auffüllen. Wir müssen Personal einteilen und briefen – sieben Festangestellte und diverse Aushilfen, die alle in Kurzarbeit sind und mit den Hufen scharren, dass es wieder losgeht. Denen fehlt richtig viel Geld, ein halbes Jahr ohne Trinkgeld, das zehrt an der Substanz.

Ich kenne Gastronomen, die gar kein Personal mehr haben, weil deren Leute in andere Branchen gewechselt sind – ein Riesenproblem, denn gute Leute für die Gastro sind eh schwer zu finden.

Heiko Hörnecke (47) ist Wirt  vom Brauhaus Quetsch in Rodenkirchen.

Wir sollten so früh wie möglich öffnen, aber auch mit der nötigen Umsicht und Vorsicht. Eine entsprechende Öffnungsklausel in Nordrhein-Westfalen regelt das klar. So dürfen Städte und Kreise bei einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 selbst darüber entscheiden, ob sie die Außengastronomie wieder zulassen. Davon sind wir in Köln leider noch ein deutliches Stück entfernt.

Noch ist nicht sicher, ob sich die aktuell sinkende Tendenz bei den Infektionszahlen weiter fortsetzt oder ob sich ein Plateau bildet, oder  ob sie sogar wieder ansteigen. Wohin zu frühe Lockerungen führen, erleben wir gerade in sehr drastischer Weise in Indien. Ein Land, das bisher relativ unbeschadet durch die Pandemie gekommen ist. Zu frühes Nachlassen bei den Kontaktbeschränkungen verbunden mit einer zu niedrigen Impfquote und einem überlasteten Gesundheitswesen führen dort zu einem Infektionsgeschehen, das völlig außer Kontrolle gerät.

Auch in Deutschland haben Städte wie Tübingen und auch das Saarland entsprechende Erfahrungen gemacht und mussten ihre Experimente beenden. Trotz gut durchdachter Hygienekonzepte stieg die Zahl der Neuinfektionen stark. Köln sollte bei der weiterhin hohen Inzidenz in der Stadt nun nicht den selben Fehler machen.  Zumal man bedenken muss: Viele Infektionen finden nicht direkt im Restaurant statt. Sondern auf dem Weg dorthin oder bei spontanen privaten Treffen, die der Restaurantbesuch vielleicht nach sich zieht.

ThomasPreis

Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein

Nur durch persönliche Kontakte wird das Virus übertragen, diese müssen wir – so bitter es ist – weiterhin vermeiden. Und sie würden bei der Öffnung der Außengastronomie in jedem Fall stark ansteigen. Ein Öffnen von Gaststätten, um sie vielleicht kurze Zeit später wieder schließen zu müssen, wird der Branche eher schaden als nutzen. Befragungen unter den Gastronomen ergeben auch, dass aktuell nur knapp jeder Siebte seinen Biergarten oder seine Terrasse auch wirklich öffnen will. Es ist schlicht zu früh.

Neidvoller Blick nach London

Natürlich schauen wir alle jetzt gerne nach Israel oder Großbritannien, wo das Leben in die Straßen zurückkehrt. Ein Blick auf die Inzidenzzahlen in diesen Ländern zeigt aber auch, dass dort ganz andere Bedingungen vorliegen. So hat Israel eine Sieben-Tage-Inzidenz von fünf, Großbritannien von  rund 20.

Entscheidend für diese niedrigen Zahlen hier ist eindeutig die hohe Impfquote. In Israel sind bereits fast 60 Prozent der Bevölkerung vollständig geschützt und in Großbritannien haben schon über 50 Prozent der Bevölkerung zumindest eine Impfung erhalten. Zum Vergleich: In Deutschland ist erst knapp jeder Dritte mit der ersten Dosis versorgt.

Entspannung im Juni in Sicht

Von Juni an werden wir deutlich mehr Serum zur Verfügung haben, das wird die Lage schnell verbessern. Die Inzidenz wird aller Voraussicht nach sinken, Öffnungen werden möglich sein. Diese positive Entwicklung vorausgesetzt, bin ich zuversichtlich, dass wir schon bald sicher und relativ unbeschwert das hervorragende gastronomische Angebot unserer Stadt genießen können. Bis dahin gilt es, noch durchzuhalten und bisher Erreichtes nicht leichtfertig zu verspielen.

Thomas Preis (62) ist Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein.

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