China nach der Corona-Krise„Illusionen müssen wir hinter uns lassen“

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Im chinesischen Wuhan, wo das Virus erstmals auftrat, wird schon längst wieder gefeiert.

  • Der frühere Grünen-Chef Reinhard Bütikofer ist Vorsitzender der China-Delegation des Europaparlaments.
  • Im Interview spricht er über China nach der Corona-Krise, die wirtschaftliche Machtstrategie des Rivalen und seine Meinung zu Huawei als 5G-Mobilnetzanbieter für Deutschland.

Herr Bütikofer, in Wuhan werden inzwischen wieder Partys gefeiert, in Europa dagegen ist Lockdown. Was haben die Chinesen in der Pandemiebekämpfung besser gemacht als die Europäer? Reinhard Bütikofer: Wir haben sicher genug Grund für Selbstkritik, aber chinesischer Triumphalismus ist auch fehl am Platz. Die Pekinger Führung hat schließlich schwere Fehler zu Beginn der Pandemie zu verantworten, die es ermöglichten, dass sich das Virus so über den ganzen Globus ausbreitete. Dann wurde die Pandemie in China mit drastischen Mitteln bekämpft. Dabei hat die Regierung ihr ganzes autoritäres Instrumentarium ausgespielt, auf Rechte der einzelnen Menschen keinerlei Rücksicht genommen. Wie viele Opfer es gab, werden wir nie wissen. Da finde ich Taiwans Erfolg gegen Covid-19 eindrucksvoller, der mit den Mitteln einer freien Gesellschaft erreicht wurde. Endgültig ausgestanden ist die Sache dennoch für niemand. Selbst in Peking kommt es immer wieder zu harten Maßnahmen, weil es Corona-Fälle gibt.

Aber wirtschaftlich steht China am Ende des Jahres 2020 doch besser da als Europa?

Ja. China demonstriert erhebliche wirtschaftliche Stärke, hatte ja über viele Jahre schon ein größeres Wirtschaftswachstum als Europa. Da ist eine ökonomische Großmacht herangewachsen, mit der wir uns viel ernsthafter als bisher auseinandersetzen müssen. Zumal Peking seine ökonomische Stärke zunehmend auch als politisches Druckmittel einsetzt. Wir müssen umso deutlicher darauf achten, dass China sich in Handelsfragen an die Regeln hält. Leider ist das in der Vergangenheit viel zu oft nicht geschehen.

Was heißt das für das angestrebte Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und China? Wird es damit noch etwas bis zum Jahresende?

Darum wird gerade gerungen. Die Bundesregierung und die EU-Kommission glauben offenbar, den Widerstand aus verschiedenen Mitgliedsländern überwunden zu haben. Wichtige europäische Hauptstädte hatten kurz vor Weihnachten signalisiert, dass sie mit dem Verhandlungsstand noch nicht einverstanden seien. Aber kein Deal ist ein Deal, bevor das Europäische Parlament Deal sagt. Da bin ich einstweilen noch skeptisch.

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Spielen das Vorgehen Pekings gegen die Demokratiebewegung in Hongkong und die Unterdrückung der Uiguren eine Rolle in den Handelsgesprächen oder wird das zur Seite geschoben?

Solche Zusammenhänge kann man nur zum eigenen Schaden ignorieren. China hat uns mehrfach demonstriert, dass es im Zweifel bereit ist, eingegangene Verträge in den Wind zu schießen. Wo eine Weile vom friedlichen Aufstieg eines Landes die Rede war, zeigt jetzt eine Großmacht Muskeln und ihren mangelnden Respekt vor internationalem Recht. Hongkong ist ein böses Beispiel. China hatte per Vertrag versprochen, die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie bis 2047 zu achten. Das hat Peking brutal mit Füssen getreten. Oder sollen wir einfach wegsehen, wenn Uiguren in China eingesperrt und der Zwangsarbeit unterworden werden? Es gibt eine internationale Norm gegen Zwangsarbeit. Darauf sollten wir bestehen, auch wenn Peking das als Majestätsbeleidigung wertet.

Können sich die Europäer einen wirtschaftlichen Konflikt mit China leisten?

Wir können uns nicht leisten, unsere Interessen und Werte hintanzustellen. Und wir sollten uns auch nicht schwächer machen als wir sind. Illusionen müssen wir hinter uns lassen. Wir haben es, selbst wo wir Kooperation suchen, mit einem systemischen Rivalen zu tun. Aber unsere Union von 27 Mitgliedsstaaten ist nicht einseitig von China abhängig. China ist an guten Wirtschaftsbeziehungen zu Europa interessiert, weil es sich so etwa Zugang zu modernen Technologien erhofft. Wenn wir als Europäer gemeinsam und zusammen mit unseren Partnern handeln, können wir viel erreichen.

Es gab im abgelaufenen Jahr immer wieder Forderungen, chinesischen Staatskonzernen den Kauf von Unternehmen in Europa zu verbieten. Was halten Sie davon?

Es wäre Unfug, einem Unternehmen, das in Europa investieren will, die Tür zu weisen, nur weil es aus China kommt. Aber wir müssen sehr genau hingucken, wo Interessen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung berührt sind. Warum sollte man zulassen, dass unser Stromverteilnetz in die Hände eines chinesischen Staatskonzerns gelangt?

Und das 5G-Mobilnetz?

Zu den sensiblen Bereichen gehört auch das 5G-Mobilnetz. Es wäre ein Fehler, dem chinesischen Unternehmen Huawei, das faktisch unter der Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas steht, einen Zugang in das industrielle Nervensystem, in die zentrale Kommunikationsinfrastruktur der Zukunft zu geben. Wir wissen, dass dieses Unternehmen nach chinesischem Recht verpflichtet ist, unsere Daten auf Verlangen an die chinesischen Behörden zu geben. Nein, danke! Für mich ist es unverständlich, dass die Bundesregierung eine Zusammenarbeit mit Huawei immer noch nicht klipp und klar ausgeschlossen hat.

Das Gespräch führte Damir Fras

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