Der neue Hunger nach LuxusWarum das Geschäft mit absurd teuren Produkten wächst

Spitzenmodelle des Kölner Kofferherstellers Rimowa, der zum Luxuskonzern LVMH gehört, können mehr als 1000 Euro kosten.
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Montblanc lässt sich nicht lumpen. Zum 200. Todestag Napoleons gibt es einen Füller für stolze 8100 Euro. Allerdings ist der Korpus des feinen Stücks auch in „blauem Lack mit skelettiertem Gitter aus massivem 750er Gelbgold“ gehalten. Das Schreibgerät ist nicht nur teuer. Damit lässt sich auch viel Geld verdienen. Nach überraschend guten Geschäftszahlen kletterte die Aktie von Richemont, dem schweizerische Mutterfirma von Montblanc, am Freitag auf einen neuen Rekordwert. Und zog damit auch die Papiere anderer Luxuskonzerne in die Höhe – das Geschäft mit absurd teuren Produkten boomt.
Richemont hat mit seiner Bilanz die ohnehin schon optimistischen Analysten überrascht. Der Umsatz kletterte im ersten Quartal 2021 um 30 Prozent. Im gesamten Geschäftsjahr, das am 31. März endete, kam unter dem Strich ein Gewinn von knapp 1,3 Milliarden Euro zusammen. Das Management teilte mit, dass das Unternehmen stark ins neue Geschäftsjahr gestartet sei. In allen Geschäftsbereichen stelle man „sich beschleunigende Trends“ fest.
„Magische Vier“-Aktien steigen seit Oktober
Richemont verkauft nicht nur Füller. Die wichtigsten Marken des Konzerns sind Cartier, IWC und Piaget, die Uhren und Schmuck herstellen. Richemont hat im vorigen Jahr über viele Monate unter den Ladenschließungen wegen Corona gelitten. Doch nach dem Sommer fasste das Geschäft wieder Tritt – auch weil das Verkaufen der Preziosen zunehmend ins Internet verlagert wurde. Das haben auch die Anleger gemerkt. Seit Oktober ist der Kurs der Richemont-Aktie um gut 70 Prozent geklettert.
Und die Schweizer sind mit damit nicht allein. Auch bei jedem Mitglied der Gruppe der sogenannten magischen Vier ging es nach oben. Gemeint sind die vier Luxusgüterkonzerne LVMH, Hermès, Kering und Moncler. Die Pandemie hatte sie alle zunächst in die Defensive gebracht. Doch mit Kurzarbeit und Nachlässen bei den häufig sündhaft hohen Ladenmieten konnten die Einbußen einigermaßen abgefedert werden. Mit den zeitweisen Lockerungen im vorigen Herbst ging es wieder bergauf.
Mehr Wachstum heißt mehr Waren für chinesischen Markt
Die zweite Infektionswelle wirkte sich wegen Onlineoffensiven weniger heftig aus, weil zu diesem Zeitpunkt bereits Impfstoffe in Sicht waren. Und nun herrscht ein Optimismus wie schon lange nicht mehr. „Luxus ist nach der langen und entbehrungsreichen Pandemiezeit absolut en vogue“, heißt es beispielsweise auf der Anlegerplattform „Der Aktionär“.
Branchenkenner haben die Prognosen für Richemont, LVMH und Co nach oben geschraubt. Für die Analysten von Goldman Sachs ist dabei der entscheidende Faktor, dass die wichtigsten Akteure viel für künftiges Wachstum investierten. Das bedeutet zuallererst mehr Uhren, Handtaschen, Juwelen und schicke Klamotten für den chinesischen Markt – nebst der dazugehörigen Ladengeschäfte in größeren Städten. Der Prozess des Einkaufens selbst spielt im Luxussegment eine wichtige Rolle – bis hin zu den entsprechend schicken Einkaufstüten.
Marktforscher und Unternehmensberater wie Bain & Company gehen davon aus, dass die Umsätze in China bis 2025 kontinuierlich mit jährlich hohen einstelligen Prozentzahlen zulegen. In vier Jahren soll das Reich der Mitte der weltweit größte Luxusmarkt sein. Die Einnahmen von Richemont haben sich in der Volksrepublik zwischen Anfang Januar und Ende März im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Unter Analysten ist die Rede vom „unerbittlichen Appetit der Chinesen nach Luxusgütern“. Statussymbole spielen in dem Land eine größere Rolle als etwa in Europa. Und die Zahl der Menschen, die schnell reich werden, wächst nach wie vor.
Wiedereröffnungen des Handels
Aber es ist nicht nur China. Auch in Japan, in den USA und in Europa steigen wieder die Umsätze mit allem, was teuer ist. Die Experten der Deutschen Bank sehen ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren: Da seien einerseits die Effekte durch die angelaufenen Wiedereröffnungen des Handels. Hinzu komme eine zyklische Erholung: nach der Talfahrt geht es quasi automatisch wieder nach oben.
Taktgeber bei der Luxusexpansion ist die unumstrittene Nummer eins: LVMH. Ein Gigant mit 75 Marken von Luis Vuitton und Christian Dior bis zu Ardbeg-Whiskey und TAG-Heuer-Uhren. Der Konzern hat es inzwischen zum mit Abstand wertvollsten börsennotierten Unternehmen in Europa gebracht. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 311 Milliarden Euro ist das Unternehmen weit mehr als doppelt so viel wert wie Volkswagen oder SAP. Auch Hermès und Kering (Gucci, Balenciaga) können es mit Dax-Schwergewichten aufnehmen.
Steigerung des Selbstwertgefühls
Die immensen Bewertungen sind unmittelbar mit den hohen operativen Gewinnen im Verhältnis zum Umsatz verknüpft, die mit Luxus erzielt werden können. Und das ist wiederum möglich, weil Konsumenten bereit sind, die enormen Preise zu zahlen – was Marketingexperten mit Psychologie begründen: Wer sich mit Teurem schmückt, steigert sein Selbstwertgefühl.
In jedem Fall sind die Strategien mit der Noblesse längst zum Vorbild für andere Branchen geworden. So hat Daimler-Chef Ola Källenius schon mitten in der Pandemie ausdrücklich LVMH zum neuen Vorbild erklärt. Der schwäbische Autobauer sei auf dem richtigen Weg, wenn es sich auf Luxus als Kern besinne.