Die Kämpfer aus DonezkWie bewaffnete Kriminelle für Putin in den Krieg gegen die Ukraine ziehen

Lesezeit 4 Minuten
Ukraine, Bachmut: Ein Kreuz auf dem Grab eines Anwohners, der durch Beschuss getötet wurde, im Hof eines Wohnhauses.

Das ukrainische Bachmut ist fast vollständig zerstört. Doch der Anführer der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ bleibt zuversichtlich.

Sie verfügen über Panzer, Haubitzen und Drohnen und kämpfen seit 2014 im Donbass: Die Armee der selbsternannten Volksrepublik Donezk landet oft als Kanonenfutter an der Front. 

Die ostukrainische Stadt Bachmut in der Region Donezk ist beinahe vollkommen zerstört. Graue Häuserruinen reihen sich aneinander, Panzer fahren durch Vorgärten und schießen auf alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Dennoch ist Denis Pushilin zuversichtlich.

Nach den Kämpfen werde das alles wieder aufgebaut, zitieren russische Medien den Anführer der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ (DNR).

Seine Soldaten kämpfen seit den ersten Kriegstagen in der Region Donezk und spielen inzwischen eine wichtige Rolle in Russlands Krieg.

Alles begann im April 2014

Alles begann im April 2014, als Aufständische die Volksrepubliken Donezk und Luhansk ausriefen. Sie bildeten mehrere Dutzend prorussische Bataillone, die wenige Monate später in die sogenannten Volksarmeen der international nicht anerkannten Regime aufgingen.

„Sehr viele der Anführer stammen aus kriminellen Milieus und nutzen die DNR zur persönlichen Bereicherung“, sagt die Russland-Expertin Sarah Pagung von der Körber Stiftung im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dies bestätigt auch András Rácz, Experte für Russlands Sicherheits- und Verteidigungspolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Acht Jahre lang waren die Streitkräfte der DNR im Grunde ein Haufen gut bewaffneter Krimineller“, so Rácz zum RND.

Es ist eine kriminelle Feudalherrschaft.
Sarah Pagung von der Körber Stiftung

Das im Westen oft verbreitete Bild einer Volksarmee, die sich aus dem Volk heraus gebildet habe, sei falsch, so Pagung. „Es ist eine kriminelle Feudalherrschaft“, so die Expertin. „Auch in den unteren Rängen fallen viele Kämpfer durch ein hohes Maß an Gewalt und krimineller Energie auf.“ In Interviews feuerten sich die Männer in gewaltverherrlichender Sprache gegenseitig an und machten aus ihrer aggressiven Ablehnung der Regierung in Kiew keinen Hehl. Eine genaue Antwort auf die Frage, warum sie denn kämpfen, konnten sie jedoch nicht geben. Seit Februar 2022 sind auch Mobilisierte und Zwangsrekrutierte Teil der DNR-Armee.

Separatistenführer Puschilin hatte alle Männer zwischen 18 und 27 Jahren für den Dienst in der sogenannten Volksarmee einziehen lassen. Darunter sind auch Personen, die nie an der Waffe ausgebildet wurden. Später forderte Puschilin auch die Unternehmen in Donezk auf, mindestens die Hälfte der Angestellten für die Mobilmachung freizustellen. Denn kaum jemand in der Bevölkerung wollte für die DNR kämpfen, berichtet die Deutsche Welle aus dem Interview mit einem Donezker Anwohner. „Anfangs gab es noch Freiwillige, aber jetzt nicht mehr“, fügt er hinzu. Inzwischen wisse man, wie die sogenannte Volksarmee mit der mobilisierten Bevölkerung umgehe.

„Kein russischer Soldat wechselt freiwillig zur DNR.
András Rácz,;Experte für Russlands Militär bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)

Die Verbindungen zu Russland sind seit jeher sehr eng. Die DNR-Kommandeure sind von Waffen- und Munitionslieferungen aus Russland abhängig und haben seit 2014 diktatorische, quasi-staatliche Strukturen aufgebaut. Diese Donezker Verbände sind laut Pagung jedoch deutlich schlechter ausgestattet, was sich auch in der Kampfkraft widerspiegelt. Waffen, Munition, Ersatzteile und Treibstoff der DNR-Truppen stammen überwiegend aus den Beständen des südlichen Militärbezirks Russlands, so Andreas Heinemann-Grüder, Experte für Konflikte im postsowjetischen Raum und Professor an der Universität Bonn.

Die DNR verfüge auch über Panzer, Schützenpanzer, Raketenwerfer, Granatwerfer, Haubitzen, Mörser und Panzerabwehrwaffen. Inzwischen gebe es mehrere Verbände für den Kampf, darunter Artillerie, Panzertruppen, Scharfschützen, Pioniertruppen und sogar Raketeneinheiten. Hinzu kämen noch sechs Bataillone der Territorialverteidigung, Grenztruppen, Sicherheitskräfte und Spezialeinheiten. Expertin Pagung schätzt die Gesamtzahl der DNR-Kräfte auf eine niedrige fünfstellige Zahl. Die meisten würden zur Kontrolle der Bevölkerung in den besetzten Gebieten eingesetzt und die Zwangsmobilisierten als Kanonenfutter an der Front.

„Die Übergänge zu anderen Sicherheitsgruppen, wie der Militärpolizei, sind fließend.“ Die russische Armee hingegen werde hauptsächlich zur Sicherung der Front und zur Luftunterstützung eingesetzt, die Söldner der Gruppe Wagner an den besonders umkämpften Frontabschnitten und im Hinterland für die brutalen Operationen. Doch die Überschneidungen der Aufgabenfelder sind fließend und Soldaten der russischen Armee wurden bereits in DNR-Verbände eingegliedert, um die großen Verluste auszugleichen. „Es gibt viele Protestvideos von russischen Soldaten, die unter dem Kommando der DNR dienen sollen“, sagt DGAP-Experte Rácz dem RND. „Kein russischer Soldat wechselt freiwillig zur DNR.“

Sehr viele der Anführer stammen aus kriminellen Milieus.
Sarah Pagung, Russland-Expertin bei der Körber-Stiftung

Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Die beiden Armeen unterscheiden sich stark im Umgang mit ihren Soldaten. „Die russische Armee ist schon kein schöner Ort, aber die DNR-Armee ist viel, viel schlimmer.“ Hinzu kommt der Ortsfaktor: Bei der DNR-Armee kämpfen laut Rácz sehr lokale Streitkräfte, die aus den ostukrainischen Regionen rekrutiert wurden, also von vor Ort stammen. „Wenn die Einheiten mit Soldaten aus anderen Teilen Russlands aufgefüllt werden, möglicherweise aus dem Fernen Osten, ist ihnen das Überleben der Neuankömmlinge ziemlich egal.“ (rnd)

KStA abonnieren