Hollywoods „Barbie“-FilmWieso spielt Margot Robbie ein Püppchen?

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Barbie Robbie

Margot Robbie als Barbie 

  • Hollywood dreht einen „Barbie“-Film in Starbesetzung.
  • Doch lässt sich mit der Spielzeugpuppe wirklich ein modernes Frauenbild transportieren?

Margot Robbie ist bislang für ihre kluge Rollenauswahl bekannt. Im Börsenfilm „The Big Short“ (2015) saß die Hollywoodschauspielerin mit viel Schaum und einem Gläschen Schampus in der Badewanne und erklärte ironiebeschwingt das zweifelhafte Tun von Aktienspekulanten. Als knallharte Eiskunstläuferin Tonya Harding nahm sie in der schwarzen Komödie „I Tonya“ keine Rücksicht auf Verluste. Und in Quentin Tarantinos „Once Upon a Time in Hollywood“ verwandelte sie sich lässig in Sharon Tate und entging dennoch dem traurigen Schicksal dieser Stilikone. Püppchenfrauen waren bislang nicht so Robbies Ding. Und jetzt?

Jetzt spielt der 32-jährige US-Star die Barbie-Puppe. Der Film soll erst Mitte nächsten Jahres in die Kinos kommen. Es lassen sich aber schon Fotos im Netz bestaunen. Sie haben für ordentlich Aufruhr gesorgt: Robbie in knalligen Neonfarben und auf coolen Rollerblades: ein fleischgewordener blonder Traum der Spielzeugindustrie. Blaue Augen, lange Beine, perfekter Körper. Ist das ein Frauenbild, das in die Welt getragen werden sollte?

Noch kurioser wird die Sache, wenn man schaut, wer hinter dem vom Mattel-Konzern und auch von Robbie produzierten Film steht: Regie führt die Indie-Ikone Greta Gerwig („Lady Bird“, „Little Women“). Sie schrieb zusammen mit ihrem Mann Noah Baumbach („Marriage Story“) auch das Drehbuch.

Die New Yorkerin Gerwig verwebt in ihren Filmen gern eigene Erfahrungen. Ihre Frauenfiguren repräsentieren Unabhängigkeit und Gleichberechtigung. Männer braucht es nicht unbedingt.

Wie passt das zusammen?

Die 1959 erstmals bei einer Spielzeugmesse präsentierte Barbie gilt nur bedingt als fortschrittlich – auch wenn es die Puppe als Polizistin, Astronautin und Managerin gibt, in Deutschland sogar als Kanzlerin, und das Unternehmen nicht müde wird zu betonen, dass Barbie Mädchen dazu inspirieren soll, an ihre Möglichkeiten zu glauben. „Durch die Puppe kann ein kleines Mädchen alles sein, was es sein will. Sie repräsentiert die Entscheidungsfreiheit der Frau“, hat Mattel-Gründerin Ruth Handler mal gesagt. Handler gilt als „Mutter der Barbie-Puppe“.

Barbie könnte nicht atmen

Zugleich aber verfügt Barbie über einen Körper, mit dem eine echte Frau nicht überleben könnte. Barbie ist mit ihrer Wespentaille viel zu dünn. Lebensnotwendige Organe hätten gar keinen Platz im Innern, Barbie würde kaum atmen können.

Leute, die etwas davon verstehen, behaupten, dass Barbie mitverantwortlich ist für pinke Kinderzimmeralbträume. Sie verkörpere eher Männerfantasien – und geht in ihren Ursprüngen tatsächlich zurück auf eine deutsche Comicpuppe namens Lilli, gezeichnet von einem Mann. Mattel kaufte die Vermarktungsrechte an der Puppe.

Zur Kino-Barbie gehört selbstredend auch ein Kino-Ken – und in den hat sich Ryan Gosling transformieren lassen. Auf den von der Filmproduktion freigegebenen Foto blinzelt er mit platinblonden Haaren in die Sonne.

Goslings Comeback

Bislang steht der Schauspieler so gegensätzlicher Filmen wie „Drive“, „Crazy, Stupid, Love“ (beide 2011), „La La Land“ (2016) oder auch „Bladerunner 2049″ (2017) wie kaum ein anderer für Stilsicherheit. Angst vor Lächerlichkeit hat Gosling in diesem Fall offenbar nicht – zumal sich die Frage stellt, wieso ein 41-Jähriger den Jüngling Ken verkörpert.

Für Gosling handelt es sich um eine Art Comeback: Seit seinem „Aufbruch zum Mond“ 2018 hat man ihn nicht mehr auf der Leinwand gesehen. Die Fangemeinde war nach den ersten Fotos geradezu elektrisiert.

Der Film „Barbie“ wirft schon Fragen auf, bevor es ihn überhaupt gibt. Mit zur Crew gehören der chinesischstämmige Actionstar Simu Liu und die Transfrau Hari Nef. Ist dieses prestigereiche Team klammheimlich angetreten, um Barbie endlich aus ihrer Kinderzimmerhölle zu befreien, in der sie seit mehr als 60 Jahren ohne jede Runzel im Gesicht schmort? Der Film soll sich um eine Barbie drehen, die nicht perfekt genug für die Barbie-Welt ist.

Barbie ist der ewige Verkaufsschlager

Das könnte auf ein genauso subversives wie wagemutiges Unterfangen hinweisen. Fragt sich nur, ob der Mattel-Konzern eine solche Interpretation der Figur zulässt. Ein Kinofilm soll die Geschäfte ankurbeln, nicht schmälern.

Margot Robbie hat über die Rolle verlauten lassen, es hänge eine „ganze Menge Gepäck“ daran. „Aber es gibt auch eine Menge aufregender Möglichkeiten, die Rolle anzugehen.“ Genauso lässt Robbie sich aber auch mit diesem Satz zitieren: „Das Spielen mit Barbie fördert Selbstvertrauen, Neugier und Kommunikation während der gesamten Reise der Selbstfindung eines Kindes.“

Ob das auch Eltern so sehen, die befürchten, dass ihre Töchter die stets makellose und durchgestylte Puppe als Rollenvorbild nehmen? Als unrealistisches Schönheitsideal dürfte Barbie ihren Teil dazu beigetragen haben, manches Kind in den Schlankheitswahn zu treiben. Weit mehr als eine Milliarde Mal wurde Barbie verkauft, inzwischen auch als Curvy-Version. Allerdings entspricht auch diese nicht unbedingt dem menschlichen Abbild.

Amy Schumer war ursprünglich als Barbie vorgesehen

Kino-„Barbie“ dreht ihre erste Werberunde gerade jetzt, da die Bemühungen wachsen, die Wirklichkeit in der Modebilderindustrie wieder stärker zu ihrem Recht kommen zu lassen. Norwegen hat Werbetreibende und Influencer dazu verpflichtet, manipulierte Bilder als solche zu kennzeichnen. In Frankreich gilt diese Regelung schon seit einigen Jahren.

Immer wieder mal geraten auch Kosmetikkonzerne in die Kritik, die ihre Models übereifrig von im wahren Leben hart erarbeiteten Falten befreien. Bereits 2011 lösten Fotos von Julia Roberts gehörigen Wirbel aus. Der Hollywoodstar war darauf so sehr verschönert respektive verfremdet worden, dass er sich wohl selbst bestenfalls als seine jüngere Schwester wiedererkannt hätte.

Dass die Produktion nicht ganz so einfach voranschreitet, lässt sich daran ablesen, dass der Film schon mindestens acht Jahre in Planung ist. Ursprünglich sollte jemand anders in Barbies (Plastik-)Haut schlüpfen: Amy Schumer.

Die Comedienne und Schauspielerin ist einerseits nicht für sogenannte Idealmaße bekannt und zieht andererseits immer wieder gern über den Magerwahn in Hollywood her. Für eine zeitgemäße Barbie-Version wären das keine schlechten Voraussetzungen gewesen.

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