Kommentar zu Corona-MaßnahmenDie Kinder werden uns noch viel verzeihen müssen

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Corona Schule DPA 171121

Kinder lernen im Schulunterricht während der Corona-Pandemie. (Symbolbild)

Es gibt ein Märchen, das in der Pandemie schon oft erzählt worden ist. Es ist die von Politikern immer wieder vorgetragene Behauptung, dass – nachdem vulnerable Gruppen Schutz durch die Impfung erhalten haben – die Interessen der Kinder und Jugendlichen stärker in den Mittelpunkt rücken sollen. In Wirklichkeit ist das nie geschehen. Das gilt sowohl für Fragen des Gesundheitsschutzes als auch der Sicherstellung eines geregelten Betriebs von Schulen und Kitas.

Viele Sieben- oder Achtjährige kennen im Grund genommen keinen normalen Schulbetrieb. Jugendliche konnten in der Pandemie ihre Freunde oft nicht sehen, obwohl es in diesem Alter nichts Wichtigeres gibt. Die Schülerinnen und Schüler in Abschlussjahrgängen haben zu Hause auf Bildschirme gestarrt, während sie jemanden gebraucht hätten, der ihnen von Angesicht zu Angesicht die Mathe-Aufgabe erklärt. Das alles wissen wir. Dennoch haben Politik und Gesellschaft sich nie ausreichend bemüht, die Pandemie einmal mit den Augen von Kindern und Jugendlichen zu sehen.

Corona-Pandemie: Maßnahmen der ersten Welle verständlich

Es ist verständlich, dass die Politik zu Beginn der Pandemie mit kurzfristigen Schulschließungen die Reißleine gezogen hat, um die Kontakte in der Gesellschaft spürbar zu reduzieren. Doch danach hätten die Schulen besser für die Pandemie gerüstet werden müssten. Und: Es hätte früher und intensiver auf die Frage geschaut werden müssen, wie auch andere Bereiche einen größeren Beitrag zum Kampf gegen die Pandemie.

Wie kann es sein, dass so lange über Luftfilter in Schulen debattiert wurde – und unterm Strich doch viel zu wenig geschehen ist? Und: Warum können die politisch Verantwortlichen sich erst jetzt zu 3G am Arbeitsplatz durchringen, während regelmäßige Corona-Tests für Schüler lange zur Normalität gehören? Insbesondere bei der Debatte zum Thema Impfen zeigt sich, dass die Politik die Pandemie aus der Perspektive der Erwachsenen betrachtet. Die Frage einer Impfpflicht ist ein komplexes ethisches Thema. Man kann sich ihr aus der Sicht derjenigen annähern, für die sie einen Eingriff in die eigenen Grundrechte bedeutet, weil sie sich nicht impfen lassen möchten. Man kann sie aber auch aus Sicht derjenigen betrachten, die sich einschränken müssen, weil andere sich nicht impfen lassen.

Mangelnde Impfquote trifft vor allem Kinder

Besonders gravierend sind die Folgen einer mangelnden Impfquote für diejenigen, die sich noch nicht impfen lassen können. Das sind zu einer hohen Zahl Kinder, für den es eben noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Eine allgemeine Impfpflicht würde einen besseren Schutz gerade der Kinder ermöglichen. Schon deshalb wäre sie richtig. Doch diejenigen, die an entscheidender Stelle in politischer Verantwortung sind oder es bald sein werden, trauen sich noch nicht mal eine richtige Debatte darüber zu.

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Es ist richtig, dass die Vermeidung flächendeckender Schulschließungen jetzt ganz oben auf der politischen Agenda steht. Das ändert aber nichts an den rasant hohen Inzidenzen unter Kindern und Jugendlichen. Wenn nach und nach Schüler in Quarantäne geschickt werden müssen, wenn infizierte Lehrer zu Hause bleiben müssen und wenn dann doch Schulen – eben je nach Einzelentscheidung – geschlossen werden müssen, dann leiden Kinder und Jugendliche eben doch wieder besonders unter den Einschränkungen durch Corona.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, warnt währenddessen schon lange, die Politik dürfe die Durchseuchung der Schulen nicht einfach in Kauf nehmen. Obwohl an Kindern die Infektion oft scheinbar spurlos vorüber geht, können auch sie unter den Folgen von Longcovid leiden. Es scheint, die Kinder werden uns noch viel verzeihen müssen.

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