Kommentar zu Julian AssangeRichterspruch ist ein Urteil der Menschlichkeit

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Julian Assange

Egal wie man zu Julian Assange steht: Das in London gefällte Urteil, ihn nicht an die USA auszuliefern, ist richtig – und zwar richtig im Sinne der Menschlichkeit. Bemerkenswert ist dabei vor allem die Begründung. Die Richterin in London möchte nämlich im anderen Fall nicht für sein Überleben garantieren.

Gewiss gilt Assange mittlerweile als schillernde Figur und nicht mehr als der Held, den viele anfangs in ihm sahen, als Wikileaks das Licht der Welt erblickte. Der 49-Jährige hat etwas Egomanisches an sich, das seiner Sache – allen voran der Enthüllung von vermeintlichen oder tatsächlichen Kriegsverbrechen – am Ende ebenso schadete wie ihm selbst. Selbst einstige Mitstreiter sehen das heute so.

Dass der Australier seit Jahren in Hausarrest und Haft sowie mit einer völlig ungewissen Perspektive dahin vegetiert, ist aber bereits jetzt eine vollkommen unangemessene Strafe. Und dass die Richterin eine Auslieferung mit dem Hinweis ablehnt, sie könne Assange das Leben kosten, spricht Bände. Schließlich gelten Großbritannien und die USA als demokratische Rechtsstaaten. Die Härte, mit der Assange und andere aus der Whistleblower-Szene wie Chelsea Manning oder Edward Snowden verfolgt werden oder die ihnen droht, lässt deshalb nur einen Schluss zu: Dass sie einen empfindlichen Nerv bei jenen treffen, deren Geheimnisse sie publik machen. Es ist diese Härte, die ihr Tun wiederum in Teilen legitimiert.

Freilich hat die Richterin Assange nicht unter den Schutz der Pressefreiheit gestellt oder ihn gar zu einem Journalisten erklärt, wie manche gehofft hatten. Auch dürfte sich an seinem Schicksal zunächst wenig ändern. Der bemitleidenswerte Mann wird wohl auf unabsehbare Zeit in Haft bleiben – mit einer düster ungewissen Zukunft.

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