Kommentar zum Corona-DebakelHerr Steinmeier, übernehmen Sie!

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Frank-Walter Steinmeier

Wer am Sonntagabend den Fernseher eingeschaltet hatte, um den Ausweg aus dem Jammertal der Corona-Pandemie gewiesen zu bekommen, der wurde enttäuscht. Die Kanzlerin wies ihn nicht. Zwar sagte Angela Merkel bei Anne Will, dass sie nicht tatenlos zusehen werde, bis es in Deutschland 100.000 Neuinfizierte pro Tag gebe. Aber wie sie dies genau zu verhindern und wann genau sie einzuschreiten gedenkt, das verschwieg die scheidende Regierungschefin.

Damit verharrt die Republik weiter in jener Ratlosigkeit, in die sie Bund und Länder mit dem umstrittenen und wieder einkassierten Beschluss zur Osterruhe gestoßen hatten. Seit 1949 hat es ja alles Mögliche schon gegeben – große Bedrohungen wie durch die RAF oder riesige Herausforderungen wie die Vereinigung. Eine derart verfahrene Situation – verursacht durch institutionelle Blockade und Liederlichkeit der Akteure – gab es noch nie.

Noch zwei Monate, bis Impfungen greífen

Dabei liegt, was zu tun wäre, deutlich zutage. Zunächst wäre es an der Zeit, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sich einschaltet und die Beteiligten an ihre politische Verantwortung erinnert. Denn offenbar gibt es ja niemanden mehr, der die Autorität und den Willen hat, das Ruder herumzureißen. Darum sollte das Staatsoberhaupt jetzt den entsprechenden Druck entfalten.

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In welche Richtung, das ist offensichtlich. Ziel muss es sein, das Land so lange herunterzufahren, bis die Zahl der Impfungen ein Niveau erreicht, dass das Virus seiner Gefährlichkeit im Wesentlichen beraubt ist. Das dürfte über den Daumen gepeilt noch zwei Monate dauern.

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Bis dahin kann es größere Lockerungen ebenso wenig geben wie Modellversuche, deren Ziel ja vor allem in der persönlichen Profilierung derer besteht, die sie ausrufen. Merkel hat nämlich recht: Tests helfen in einer Phase exponentiellen Wachstums nicht weiter.

Entweder wir kommen an dieses Ziel, indem sich Bund und Länder – unter dem Druck des Präsidenten – zusammenraufen. Voraussetzung wäre, dass die nächste Ministerpräsidentenkonferenz gut und transparent vorbereitet würde, um ein erneutes Abgleiten ins Chaos zu verhindern. Spätestens in der Nachosterwoche müsste es so weit sein.

Grundgesetz bietet Handhabe zum Durchgreifen der Kanzlerin

Gelingt dies nicht, muss die Kanzlerin – die ja ohnehin nicht mehr viel zu verlieren hat – das Heft tatsächlich selbst in die Hand nehmen. Wie, das hat der Staatsrechtler Christoph Möllers soeben dargelegt. Ausgehend von Artikel 74 des Grundgesetzes könne der Bund nicht allein die Voraussetzungen, sondern auch den Inhalt, die Länge und sonstige Details eines Lockdown per Bundesgesetz ohne Einigung mit den Ministerpräsidenten beschließen, sagte er. Er müsse es nur tun.

Die Bürger im Allgemeinen sowie Ärzte und Pfleger auf den Corona-Stationen im Besonderen hätten es verdient. Das politische Affentheater, das ihnen jetzt geboten wird, verdienen sie nicht.

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