Kommentar zum KlimapaktEs ist zum Heulen

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Selten enden große Ereignisse so ungeplant symbolisch: Der Präsident der Weltklimakonferenz, Alok Sharma, kämpfte mit den Tränen, bevor er mit einem Hammerschlag das Verhandlungsergebnis besiegelte. Es mag Erschöpfung mitgeschwungen haben nach zwei Wochen aufreibenden Verhandlungen. Aber eines macht Sharmas Aufgewühltheit deutlich: die Enttäuschung darüber, dass auch der Klimapakt von Glasgow weit hinter dem zurückbleibt, was nötig wäre. Es ist schlichtweg zum Heulen.

Denn der Klimawandel ist mittlerweile als Fakt anerkannt. Es ist ja nicht mehr zu übersehen: Gletscher gehen zurück, die Polkappen schmelzen, der Meeresspiegel steigt, es gibt Kälteeinbrüche, Hitzeperioden, sintflutartige Regenfälle. Es ist klar, welche Gefahren das birgt und dass es nötig ist, sich mit aller Kraft gegen die Entwicklung zu stemmen. Aber gereicht hat es wieder einmal nur dafür, die Backen aufzublasen, etwas kräftiger als bisher immerhin.

Das ist bei weitem nicht genug. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat das so formuliert: Es sei Zeit, „in den Notfallmodus zu gehen“. Dass sich ausgerechnet die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze traute, von einem „weltbewegenden“ Ergebnis zu sprechen, lässt sich nur damit erklären, dass sie etwas zu tief in die Konferenzblase abgetaucht war, in der die Minimalbewegungen diplomatischer Gefechte Glücksgefühle auslösen.

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Natürlich lässt sich auch Positives finden: Es gibt strengere Ziele für die Vorlage von Klimaschutzplänen. Die Treibhausgase sollen bis 2030 um 45 Prozent reduziert werden. Und erstmals haben sich die 200 verhandelnden Staaten überhaupt um das Thema Kohle gekümmert. Immerhin. Aber die Ernüchterung folgt auf den Fuß: In letzter Minute fiel das Wort vom Ausstieg unter den Tisch. Von Abbau ist jetzt weniger endgültig die Rede.

Und natürlich ist es gut, dass China und die USA beim Thema Klima zusammengefunden haben. Aber auch das ist ein Erfolg auf wackeligem Grund. Sollte Donald Trump erneut Präsident werden, wird die Vereinbarung hinweggeschwemmt werden wie ein Inselstaat vom steigenden Meeresspiegel. Auch hier wäre mehr Verbindlichkeit nötig. Das gilt auch für Finanzzusagen an die Länder, die den Klimawandel als erstes existenziell zu spüren bekommen werden.

Das Geld muss die Überzeugungsarbeit leisten

Dafür sollten die Bilder von den Eisbären, Eisbergen und Enkelkindern eigentlich reichen. Wenn das nicht der Fall ist, muss – so schnöde es klingt – das Geld die Überzeugungsarbeit leisten. Wenn Klimaschutz als Wettbewerbsvorteil begriffen wird, wenn es sich lohnt, Treibhausgase zu reduzieren, dann geht mit Sicherheit etwas voran. Dass der Bundesverband der Deutschen Industrie das Ergebnis von Glasgow als enttäuschend kritisiert, lässt hoffen.

Die nächste Bundesregierung entbindet das nicht von der Aufgabe, ein ernsthaftes Klimapaket auf die Beine zu sein. Es sollte tatsächlich weltbewegend sein, im wahrsten Sinne des Wortes.

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