Kommentar zum Ukraine-KriegPutin lässt sich nicht durch Untätigkeit stoppen

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Wladimir Putin in St. Petersburg.

Die wahllosen Angriffe des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf Zivilisten in der Ukraine lassen eines befürchten: Dass die Grausamkeit dieses Krieges noch zunehmen wird. Putin treibt die Eskalation in atemberaubender Geschwindigkeit voran – einschließlich der kaum verhohlenen Drohung, erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Konflikt Atomwaffen einzusetzen.

Die Reaktion darauf muss klar sein: Die westlichen Staaten dürfen sich dem Größenwahn des Kremlherrschers nicht beugen. Es geht um mehr als die Ukraine – nämlich um Freiheit und Demokratie.

Sicherheits­kooperation mit Moskau unrealistisch

Dass Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine gewagt hat, ist auch eine Konsequenz der Versäumnisse Europas und der USA aus der Vergangenheit. Russlands aggressives Gebaren war in Georgien, in der Ostukraine, auf der Krim und besonders in Syrien deutlich zu beobachten – wenn man sich die Mühe machte, hinzuschauen.

Der russische Einmarsch in Georgien im Jahr 2008 hätte ein Weckruf für den Westen sein müssen, machte er doch deutlich, dass eine Sicherheits­kooperation mit Moskau unrealistisch war. Dennoch reagierten Europa und die USA auf die Invasion bestenfalls verhalten. Die russische Militär­intervention in Syrien, wo Diktator Baschar al‑Assad heute nur dank Putin noch an der Macht ist, wurde im Westen weitgehend mit Gleichgültigkeit quittiert.

Putins späte Rache

Dass Europa und die USA russischer Aggression nichts entgegen­setzten, rächt sich jetzt. Die Untätigkeit führte Putin vor Augen, wie risikoscheu westliche Staaten sind – und wie kurz ihre Aufmerksamkeits­spanne ist. Der Chaosabzug aus Afghanistan, für den US‑Präsident Joe Biden verantwortlich war, zeigte zudem, wie verletzlich der Westen trotz seiner gigantischen Militär­maschinerie ist.

Putin wiederum hat gezeigt, dass seine imperialen Übergriffe nicht durch Untätigkeit zu stoppen sind. Stattdessen folgten immer neue Aggressionen. Umso bedeutender ist, dass sich Putin bei der jüngsten Invasion verkalkuliert hat: Seit dem Kalten Krieg ist der Westen nicht mehr so geschlossen gegenüber Moskau aufgetreten wie jetzt. Diese Einheit ist übrigens ein Verdienst Bidens, der sich sofort nach Amtsantritt bemühte, das westliche Bündnis wieder­zu­beleben, das nach Donald Trump in Trümmern lag.

Rückzug gleich Sieg für autokratische Systeme

Putin wird seine Bemühungen fortführen, den Westen zu spalten. Der Kremlchef setzt Energie als Waffe ein, der Winter in Europa wird ungemütlich werden. Er könnte auch versuchen, mit einer Eskalation der Angriffe gegen Zivilisten in der Ukraine wieder mehr Flüchtlinge in die EU zu treiben. Das nukleare Schreckensszenario malt er in der Hoffnung an die Wand, die Angst vor einem Atomkrieg könnte den Westen dazu bringen, die Ukraine fallenzulassen.

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Wenn das aber geschieht, dann ist der Wettbewerb der Systeme entschieden: Dann hat die Autokratie gegen die Demokratie gesiegt. China würde das mit Interesse zur Kenntnis nehmen, Taiwan könnte dann zum nächsten Schlachtfeld werden. Die USA stehen im Wort, die demokratische Inselrepublik im Fall eines chinesischen Angriffs zu verteidigen. Spätestens dann würde der Welt die nukleare Katastrophe drohen.

Umso wichtiger ist es, dass der Westen der Ukraine jetzt zum Sieg verhilft – vor allem durch mehr schwere Waffen, mit denen russische Raketen­angriffe abgewehrt und die Invasoren zurückgetrieben werden können. Putin mag mit seinen Angriffen auf Zivilisten Angst und Schrecken in der Ukraine verbreiten und er mag damit die zunehmend kritischen Hardliner zu Hause besänftigen. Letztlich sind die Attacken angesichts der Geländeverluste der russischen Invasionstruppen aber ein Zeichen der Schwäche – ebenso wie die Drohung eines Atomschlags.

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