Kommentar zur UkraineLawrow und Putin rennen immer wieder gegen Wand – als Strategie

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Lawrow Putin 2019

Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) und Außenminister Sergej Lawrow (m., Archivbild)

Wenn Sergej Lawrow mal etwas richtig Überraschendes sagen wollte, würde sich Folgendes anbieten: Entschuldigung. War ein Fehler. Unsere Truppen haben die Ukraine verlassen, die Angriffe wurden eingestellt. Das mit dem Fehler könnte er sogar nachliefern, wenn's auf den ersten Rutsch zu schwer fällt. Aber die russische Staatsführung gehört offenkundig zu denen, die lieber wieder und wieder gegen eine Mauer rennen, statt einzugestehen, sich im Weg geirrt zu haben.

Bei einem Besuch in Ägypten hat der Außenminister den Sturz der ukrainischen Regierung zum Kriegsziel erklärt. Man werde die ukrainische Bevölkerung helfen, sich von dem „volks- und geschichtsfeindlichen Regime“ zu befreien.

Putin rechtfertigte Krieg mit vermeintlichem Nazi-Regime

Es ist der Rückgriff auf die Rechtfertigung, die Präsident Wladimir Putin zu Beginn des Krieges vorbrachte: Ein angebliches Nazi-Regime in der Ukraine müsse beseitigt werden. Wer ein anderes Land überfällt, wer Völkerrecht bricht, braucht mindestens einen Hitler-Vergleich, so viel schlechtes Gewissen schien selbst Putin zu haben. Die rhetorische Figur ist zwischendurch etwas in den Hintergrund gerückt, auf einer Afrika-Reise schien Lawrow nun den Rechtfertigungs-Druck erneut zu spüren.

Lawrows Worte sind der klägliche Versuch, die eigenen Machtgelüste zu rechtfertigen mit dem angeblichen Wunsch des Opfers. Aber die Ukrainerinnen und Ukrainer haben Russland weder um diese noch um andere Unterstützung gebeten. Und das Zusammenleben von Russen und Ukrainern, das Lawrow zu befördern behauptet, gelänge am besten, wenn die russische Armee vorher nicht die Ukrainer niedermetzelt.

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Vor allem aber macht Lawrow deutlich: Russland hat kein Interesse an Verhandlungen mit der aktuellen ukrainischen Regierung. Wer den Gegner vernichten will, wird sich kaum mit ihm an einen Tisch setzten.

Ein Abkommen beim Getreide? Zweifel werden lauter

Es ist irritierend, dass dieses Signal ausgerechnet zu einem Zeitpunkt kommt, zu dem mit einem Abkommen zu Getreidelieferungen zumindest mal ein Ansatz zu diplomatischen Absprachen gefunden wurde. Ein Zeichen nach innen kann dies sein: Die russische Führung hält es offenkundig für nötig, in Russland nicht in den Verdacht der Nachgiebigkeit zu geraten – dazu passen auch die Angriffe auf Odessa.

Und es kann auch ein Lockruf Richtung Ukraine sein, ein Aufruf an Bürger, Beamte und Politiker, sich von der ukrainischen Regierung abzuwenden, um sich Startvorteile in einem möglichen pro-russischen Staat zu sichern. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit dem Hinweis auf zu viele Überläufer vor wenigen Tagen den Chef des Inlandsgeheimdienstes und die Generalstaatsanwältin entlassen. Diese Nervosität hat Russland wohl registriert, es versucht, sie weiter zu schüren.

Krieg wird auf mehreren Ebenen geführt

Denn ein Krieg wird auf mehreren Ebenen geführt: militärisch, wirtschaftlich und auch psychologisch. Militärisch und wirtschaftlich läuft es nicht gut für Russland. Die Ukraine wehrt sich erbittert, ihre Alliierten haben sich bislang nicht entzweien lassen. Und die wirtschaftlichen Aussichten Russlands sind alles andere als rosig. Da bietet es sich an, den Psychostress bei den Gegnern zu erhöhen.

Es ist davon auszugehen, dass Moskau auch auf Zeit spielt: Putin setzt darauf, dass die Unterstützung für die Ukraine schwindet, je länger der Krieg dauert, je größer die wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei deren Verbündeten werden, je mehr die USA mit den Midterm-Wahlen und damit mit sich selbst beschäftigt ist.

Dem lässt sich begegnen. Die Verbündeten der Ukraine dürfen sich nicht ermüden lassen, sondern müssen gemeinsam die Mauer immer stabiler bauen, gegen die Putin, Lawrow & Co anrennen. Die Brutalität von Lawrows Worten haben die Notwendigkeit deutlich gemacht.

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