Streit eskaliertGorillas und Co. aufgrund von Arbeitsbedingungen in der Kritik

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Ein Fahrer von Lieferando

Es war wohl nur eine Frage der Zeit: In den vergangenen Tagen ist der Streit um faire Arbeitsbedingungen bei Lebensmittel-Lieferdiensten eskaliert. Fahrerinnen und Fahrer des Berliner Unternehmens „Gorillas“ solidarisierten sich mit einem entlassenen Mitarbeiter und forderten bessere Arbeitsbedingungen. Berichten zufolge kam es zu spontanen Streiks und Blockaden.

Bei der Gewerkschaft Verdi kennt man die Vorwürfe gegen das Unternehmen, das Supermarkt-Lieferungen innerhalb kürzester Zeit anbietet. „Der Druck dort ist enorm“, sagt Verdi-Sprecher Günter Isemeyer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Zum Versprechen der schnellen Lieferung komme, dass Gorillas seine Fürsorgepflicht auf die Fahrerinnen und Fahrer abwälze: So seien sie etwa selbst für die Verkehrstauglichkeit ihrer Räder zuständig. Im Gewand eines schicken Start-Ups sichere sich das Unternehmen nun „ohne Rücksicht auf Verluste“ Marktanteile, so Isemeyer. „Die Interessen der Beschäftigten spielen dabei offenbar keine Rolle.“

Gorillas reagiert auf Proteste

Bei dem 2020 gegründeten Unternehmen sieht man das natürlich ganz anders: In einer am Freitag herausgegebenen Erklärung verweist Geschäftsführer Kağan Sümer darauf, dass Gorillas das erste Unternehmen dieser Art in der Branche sei, das ein „stabiles Einkommen“ und ein „soziales Netzwerk“ biete. Außerdem habe es eine „beeindruckende Mitarbeiterzufriedenheit“; die 6000 Fahrerinnen und Fahrer seien vorwiegend durch Empfehlungen anderer „Rider“ zum Unternehmen gestoßen.

Die Proteste der vergangenen Tage, so Sümer, hätten ihn „tief beunruhigt“ - die Entlassung des Fahrers, an der sich der Ärger entzündet hatte, sei jedoch notwendig gewesen. Ende Juni wolle er nun selbst mit dem Fahrrad die Standorte in Deutschland besuchen, um sich mit den Fahrerinnen und Fahrern zu treffen.

Lieferdienste in Corona-Pandemie sehr gefragt

Gorillas, Lieferando, Wolt: Spätestens seit der Corona-Pandemie haben Lebensmittel-Lieferdienste in Deutschland ordentlich Aufwind bekommen. Das Versprechen: Essen und Getränk per Mausklick direkt vor die Haustür geliefert zu bekommen. Und das innerhalb kürzester Zeit. Gorillas wirbt sogar damit, nur zehn Minuten zu brauchen.

Den Preis dafür, kritisieren viele, zahlen die Fahrerinnen und Fahrer. So werden immer wieder Vorwürfe laut, dass die schnelle Lieferung zu großem Druck führe. Auch niedrige Löhne und sachgrundlose Befristungen sorgen für Unmut. Und nicht nur das: Der Essens-Lieferdienst „Lieferando“ war jüngst in Kritik geraten, nachdem der Bayerische Rundfunk berichtete, die Kurierfahrerinnen und -fahrer würden per Ortungs-App überwacht.

Gewerkschaft fordert Transparenz

„Wir wollen wissen, was da erhoben wird“, sagt Christoph Schink von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Auf Nachfrage habe der Gesamtbetriebsrat allerdings bisher nur „freundliche Absagen“ bekommen. Für die Gewerkschaft ein Unding: „Der Respekt für die Menschen, die dort arbeiten, ist nicht vorhanden“, sagt Schink.

Für sie sei nicht transparent, was die App auf ihrem Handy mache – und um für Lieferando zu arbeiten, muss sie heruntergeladen werden. „Für dieses Geschäftsmodell ist es notwendig zu wissen, wer wo ist“, so Schink. Besonders pikant: Die Software werde dabei auf das private Handy geladen - und es sei nicht klar, welche Daten sie vielleicht auch noch nach Feierabend sammle.

Lieferando weist Vorwürfe zurück

Lieferando weist die Vorwürfe jedoch zurück. „Die Fahrer-App entspricht den geltenden Datenschutzbestimmungen“, sagt Lieferando-Sprecher Oliver Klug. Die ermittelten Daten wie Zeit oder Ort seien „unerlässlich“, damit der Lieferservice funktioniere. Gleichzeitig versichert Klug, dass das Unternehmen sie nicht für „unerlaubte Leistungs- oder Verhaltenskontrolle“ verwende.

Sie würden zudem nur dann erfasst, wenn die App aktiviert ist – und somit auch nicht, wenn sich ein Fahrer nach Feierabend oder für Pausen ausloggt. Nach Angaben Klugs werden die Beschäftigten zudem darüber informiert, zu welchem Zweck die Daten genutzt werden. Er betont auch: „Die Betriebsräte haben mehrfach Einblicke in die App bekommen. Wir können nicht per Fax mit unseren Fahrern kommunizieren.“

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Lieferando hat mittlerweile immerhin einen Betriebsrat - bei Gorillas ist man davon noch entfernt. Verdi-Sprecher Isemeyer rät auch den Beschäftigten bei Gorillas, gemeinsam für ihrer Arbeitnehmerrechte zu kämpfen. Um Lohn und Arbeitsbedingungen per Tarifvertrag durchzusetzen, müssten sich die Fahrerinnen und Fahrer möglichst schnell so organisieren, dass sie ihre Ziele auch erreichen könnten - notfalls durch einen langfristigen Streik.

Auch Christoph Schink von der NGG spricht sich für einen Tarifvertrag aus. Und er hat klare Forderungen an die Lieferdienste: „Respekt, Transparenz - und faire Entlohnung“.

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