Nachruf auf Prinz PhilipEin Leben im Schatten der britischen Krone

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Prinz Philip ist im Alter von 99 Jahren gestorben.

London – Wahrscheinlich wäre ihm jetzt ein Scherz eingefallen – ein makabrer gewiss, gut möglich auch ein politisch unkorrekter. Solche Sprüche hatte er am liebsten. Wie würde Prinz Philip auf die stille Trauer reagieren, die sich nun über das Königreich gelegt hat? Dieser kantige, scharfsinnige Mann, der laut eigenen Worten „nach der Verfassung gar nicht existierte“? Wahrscheinlich würde er sogar auf seinen eigenen Tod mit seinem äußerst trockenen Humor antworten. Und das britische Volk würde in seiner Bestürzung milde lächeln, wie es das zumeist getan hat, wenn es um den Royal ging.

Nun ist Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, Graf von Merioneth und Baron Greenwich, im Alter von 99 Jahren gestorben. Jener Mann, der den überwältigen Großteil seines Lebens einen Schritt hinter Königin Elizabeth II. verbrachte, die durch ihre gekrönte Stellung und zumeist farbenfrohe Kleiderwahl im Rampenlicht steht.

Spätere Einbürgerung

Der Gatte der Queen wurde fast sieben Jahrzehnte lang fast ausschließlich eben genau als das wahrgenommen: als Ehemann von Königin Elizabeth II. So verlief sein Leben im Dienst der Krone und gleichwohl in deren Schatten. Aber er, der trotz seiner späten Einbürgerung als Sinnbild des englischen Gentlemans aus der Oberschicht gilt, nahm die Begleiterrolle nicht nur an, sondern füllte sie auch aus. So beschrieb er sich selbst einmal als „den besten Gedenktafelenthüller der Welt“.

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Das war jedoch nur ein Teil der Geschichte – der offizielle. Alle Beobachter sind sich einig, dass ohne ihn auch die Queen nicht das enorme Pensum ableisten hätte können, das sie selbst im hohen Alter noch erbringt. „Lass es uns angehen“, so heißt es aus seinem Umfeld, sei einer seiner meistgebrauchten Sätze gewesen.

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Neben der Königin galt der Herzog von Edinburgh als Vorbild für Pflichtbewusstsein, als Anker der Stabilität in einem Land, das zunächst den Zerfall des Empires erlebte und sich vor dem Hintergrund etlicher Welt-Geschehnisse politisch neu aufstellen musste. Dabei war die Unterordnung für Philip zunächst nicht einfach. „Seit 1947 führt er das Leben, das er führt, nur, weil er die Frau geheiratet hat, die er geheiratet hat“, schrieb einst der Biograf Gyles Brandreth. Der unabhängige Geist rebellierte, brach immer wieder aus dem engen Korsett aus, das der Palast ihm anzulegen versuchte, lebte sich auf Partys aus. Gerüchte, dass er, Typ Abenteurer und Draufgänger, nach der Hochzeit 1947 regelmäßig fremdgegangen sei, halten sich seit Jahrzehnten hartnäckig, neu befeuert durch die Serie „The Crown“.

Immer „absolut loyal“ 

Aber auch wenn er es an ehelicher Treue vermissen lassen haben mag, sei er doch immer „absolut loyal“ gewesen, sagt die Historikerin und royale Expertin Karina Urbach, insbesondere seit seine Frau 1953 zur Königin gekrönt wurde. „Er hat ihr geholfen, dieses Amt auszuüben und war existenziell wichtig“. Das verriet auch die sonst so distanzierte Queen in einer jener seltenen öffentlichen Liebeserklärungen, die sie ihrem Mann zur Goldenen Hochzeit machte, als sie ihn als „meine Stärke und meinen Fels“ pries.

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Prinz Philip und Queen Elisabeth II.

„Er hat mir ganz einfach in all den Jahren Kraft und Halt gegeben“, sagte sie noch einmal 2017. Und das, obwohl sich der „Charakterkopf“ immer wieder Patzer erlaubte und für mittelschwere Skandale sorgte – dank seines englischen Humors, den nicht wenige rabenschwarz nennen würden. „Wenn ihr noch viel länger hierbleibt, bekommt ihr alle Schlitzaugen“, bemerkte er im Jahr 1986 gegenüber britischen Studenten in China.

Auf der Insel, wo man in Sachen Sarkasmus äußerst schmerzbefreit ist, fand man den derben Spruch witzig, im Reich der Mitte verständlicherweise weniger. In Nigeria sagte der „Duke of Hazard“, der „Herzog der Gefahr“, wie ihn die Presse wegen seiner Ausrutscher fast liebevoll getauft hat, einmal zu dem in Landestracht gekleideten Präsidenten: „Sie sehen aus, als wollten Sie gleich ins Bett.“ Bundeskanzler Helmut Kohl begrüßte er als „Herr Reichskanzler“ und Kindern vom Taubstummenbund, die neben einer laut spielenden Steelband standen, gab er zu verstehen, bei der Musik sei es kein Wunder, dass sie gehörlos seien. Dem paraguayischen Diktator Alfredo Stroessner trat er mit den Worten gegenüber, er sei gern mal wieder in einem Land, in dem nicht das Volk das Sagen habe. Die Liste der Anekdoten über ihn ist endlos und berüchtigt.

Markige Aussagen

Es waren die markigen, bisweilen unverschämten Aussagen, die dem Herzog von Edinburgh beim Volk viele Sympathien einbrachten. Für einen Lacher war Prinz Philip stets gut und verziehen haben die Briten ihm sowieso immer, genauso wie die Königin.

Gleichwohl musste der amtsälteste Monarchen-Ehepartner erst in seine Gatten-Rolle in der „Firma“ finden, wie er das royale Unternehmen Windsor nannte. Als er beispielsweise seinen Familiennamen nicht vererben durfte, soll er vor Wut geschäumt haben. „Ich bin nur eine verdammte Amöbe“, polterte der selbstbewusste Prinzgemahl, der gerne in Uniform auftrat. Dagegen war öffentlich kein Murren zu vernehmen über den Umstand, dass er laut Protokoll stets einen Schritt hinter seiner Gattin zu gehen hatte, weil er im Rang unter ihr stand. „Das ist eine erfundene Tradition“, sagt Urbach und verweist auf Vorfahrin Queen Victoria, wo solch eine Degradierung unvorstellbar gewesen wäre. Die Berater am Hof hätten dies jedoch zu Beginn von Elizabeths Regentschaft durchgesetzt und so versucht, Philip „an den Rand zu drängen“.

Geboren auf der Insel Korfu

Tatsächlich muss sich der Traditionalist sein Leben anders vorgestellt haben. Philippos Andreou wurde als Sohn des Prinzen Andreas von Griechenland und Dänemark und Prinzessin Alice am 10. Juni 1921 auf der Insel Korfu geboren – auf einem Esstisch, wie es heißt – und trug selbst den Titel des Prinzen von Griechenland. Er stand an sechster Stelle in der Thronfolge des Landes. Väterlicherseits hat er Wurzeln im Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, seine Mutter war eine geborene Battenberg – ein deutscher Name, der später anglifiziert wurde. Heute heißen die Royals offiziell Mountbatten-Windsor. Der Doppelname war ein Zugeständnis der Queen an ihren Mann.

Bereits zu seiner Geburt galt die Ehe seiner Eltern als gescheitert. Der junge Philip, ein Ur-Enkel von Königin Victoria, wuchs zunächst bei seiner psychisch kranken Mutter, später in Internaten auf. Weil er ein Jahr lang die süddeutsche Schule Salem besuchte, sprach er zudem Deutsch. Durch seine familiären Bande sowie zahlreiche Besuche pflegte er eine besondere Affinität zur Bundesrepublik und betonte nach dem Zweiten Weltkrieg, „mit Deutschenhass allein können wir nicht überleben“. Die Reise des royalen Paars zur Annäherung im Jahr 1965 nach Berlin war auch sein Anliegen.

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Prinz Philip bei einem Besuch in Wales

Nach seinem Schulabschluss besuchte er das britische Royal Naval College in Dartmouth und wurde mit 18 Jahren auf das britische Kriegsschiff HMS „Ramillies“ abkommandiert. Während des Zweiten Weltkriegs diente Philip dann als Marine-Offizier auf zahlreichen weiteren Schiffen. Noch während seiner militärischen Ausbildung traf der hochgewachsene Philip auf einer Hochzeit auf Elizabeth - es war Liebe auf den ersten Blick, sagte die Queen später. Die 13–jährige Lilibet und der fünf Jahre ältere, gutaussehende Teenager begannen, sich Briefe zu schreiben. 1946 hielt er bei König Georg VI. um ihre Hand an, was vielen widerstrebte. Immerhin lag der Krieg erst ein Jahr zurück. Im November 1947 heirateten die beiden dann, die deutsche Verwandtschaft des Bräutigams war zur Hochzeit unerwünscht.

Teil der Identität der Nation

Schon am 6. Februar 1952 wurde das junge Paar aus seinem unbeschwerten Leben gerissen: Elizabeths Vater starb. Sie wurde im Jahr darauf zur Königin gekrönt. Und Philip führte fortan das Leben als Prinzgemahl, oder nach seinen Worten als „enteigneter Balkanprinz für Balkonszenen“. Nachdem er 1951 seine aktive Karriere bei der Marine beendet hatte, entdeckte er stattdessen eine neue Leidenschaft für sich: das Fliegen. Es war neben dem Segeln, Pferdekutschenrennen und Polospiel seine liebste Freizeitbeschäftigung. Zudem malte er und verschrieb sich dem Sammeln von allerlei, darunter auch Cartoons.

Er sei Teil der Identität der Nation, befand Christopher Lee, Historiker und Freund des Herzogs. Immerhin hatte Philip sein gesamtes Leben dem Volk gedient, manchmal auf skurrile, manchmal auf unzeitgemäße Weise. Aber stets auf eine originale Prinz-Philip-Art. Er verlieh der häufig angestaubt wirkenden Monarchie Farbe und Witz.

Zu seinem öffentlichen Tun wahrte er eine ironische Distanz, im Hintergrund soll er für die Öffentlichkeit weitgehend unsichtbar die Fäden als Familien-Patriarch gezogen haben. Und selbst im Jahr 2015, da feierte er bereits seinen 95. Geburtstag, nahm Philip, der Schirmherr, Vorsitzender oder Mitglied von fast 800 Wohltätigkeitsorganisationen und Clubs war, noch 219 öffentliche Verpflichtungen wahr. Erst im August 2017 verabschiedete sich ein müder Prinz im beigefarbenen Trenchcoat und mit Melone auf dem Kopf mit seinem 22219. Solotermin und der 5496. Rede in den Ruhestand. Er hatte genug von Einweihungsfeiern. Vom Elefanten füttern für die Kameras. Vom Händeschütteln von Staatsgästen.

Zwar wirkte Philip noch äußerst robust, wie er etwa bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle 2018 zeigte, als er nur Wochen nach einer Hüftoperation ohne Hilfe in die Kapelle schritt. Aber die Briten sorgten sich in den vergangenen Jahren immer wieder um den Prinzen. Er musste mehrmals aus gesundheitlichen Gründen ins Krankenhaus, sagte Termine ab, verursachte Anfang letzten Jahres einen Autounfall, infolgedessen er auf Druck der Öffentlichkeit seinen Führerschein abgab. Die Stütze von Königin Elizabeth II. brauchte immer öfter selbst eine Stütze. Nun ist sie weggebrochen. Aber wie resümierte er vor einigen Jahren? „Ich denke, ich habe meinen Beitrag geleistet.“

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