Kommentar zur TarifeinigungDas deutliche Plus in der Pflege ist berechtigt

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Pfleger 261020

Pflegerinnen und Pfleger bekommen mehr Lohn.

Es ist eine gute Nachricht. Bei den Tarifverhandlungen für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen ist eine Einigung erzielt worden. Dass diese Verständigung trotz großer Differenzen möglich war, ist ein wichtiges Signal in Zeiten, in denen Staat und Gesellschaft sich voll und ganz auf die Bewältigung der Corona-Pandemie konzentrieren müssen.

Die Einigung ist umso bemerkenswerter, als sich beide Seiten in diesen Tarifkonflikt auf sehr gute Argumente für ihre Position berufen konnten. Die Gewerkschaften konnten mit großem Recht darauf pochen, dass es nicht angehen kann, wenn für Corona-Helden wie die Pflegerin zuerst auf den Balkonen laut geklatscht wird, sich das Engagement dieser Menschen dann aber einmal mehr nicht auszahlt.

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Die Arbeitgeberseite wiederum hatte fraglos ein gewichtiges Argument auf ihrer Seite, wenn sie darauf hinwies, dass der Staat in der Corona-Krise mit gigantischen Milliardensummen ohnehin schon an seine finanzielle Grenze geht – und dass er dies, um der Wirtschaft und den Menschen im Land einen noch tieferen Absturz zu ersparen, auch unbedingt tun muss. Der Bund gibt das Geld also gerade mit vollen Händen aus, viele Kommunen ächzen ohnehin unter lange aufgestauten finanziellen Lasten. War es in der angespannten Corona-Lage in Ordnung, dass Verdi zur Durchsetzung seiner Tarifforderungen den öffentlichen Nahverkehr bestreikt hat? War es wirklich nötig, dass Eltern ausgerechnet jetzt auch noch mit bestreikten Kitas zurechtkommen mussten? Das sind legitime Fragen. Nur ist eben auch der Streik ein legitimes Mittel in Tarifverhandlungen: das einzig wirkliche Druckmittel, das Arbeitnehmer in einer solchen Situation haben.

Faire Einigung

Die Einigung, die beide Seiten nun gefunden haben, erfüllt naturgemäß weder Arbeitgebern noch Arbeitnehmern die kühnsten Träume. Aber sie ist fair. Dass untere Einkommen mehr profitieren als hohe, ist in dieser Lage angemessen. Das deutliche Plus in der Pflege und gerade für Intensivkräfte ist berechtigt.

Was bleibt noch als Fazit – nach dieser hart geführten, aber konstruktiv beendeten Tarifrunde? Es wäre wünschenswert, wenn es anderen Branchen gelänge, Tarifrunden jenseits der gängigen Rituale schneller zum Ergebnis zu bringen.

Den Gewerkschaften muss klar sein, was die meisten Arbeitnehmer längst verstanden haben: Die wirtschaftliche Krise ist nicht der richtige Zeitpunkt, um den Betrieben noch zusätzlich riesige Belastungen aufzubürden. Die Arbeitgeber sollten aber auch der Versuchung widerstehen, in der Krise jetzt alles zu fordern, was sie unter anderen Umständen niemals durchbekämen. Deutschlands große Stärke im internationalen Vergleich war immer eine gute Sozialpartnerschaft. Dabei muss es gerade in der Krise bleiben.

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