Lange haben US-Justizministerin Bondi und die neuen Chefs des FBI Verschwörungserzählungen über Epstein befeuert. Nun wollen sie den Fall leise schließen.
SexualstraftäterFall Epstein verpufft – Verschwörungsideologen werden selbst zum Ziel der MAGA-Blase

Generalstaatsanwältin Pam Bondi spricht im Besprechungsraum des Weißen Hauses in Washington zu den Medien, während Präsident Trump zusieht.
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Normalerweise arbeiten sich die ultrarechten Internet-Größen der Trump-Bewegung an Joe Bidens vermeintlichen Verbrechen, den angeblichen Umsturzplänen des New Yorker Bürgermeisterkandidaten Zohran Mamdani oder sonstigen linken Ungeheuerlichkeiten ab. Doch seit ein paar Tagen hat die MAGA-Blase einen neuen Feind - die eigene Justizministerin. „Präsident Trump hat Pam Bondi ernannt. Nun muss er sie feuern. Sie ist eine Schande!“, wütete die Bloggerin Laura Loomer, die bei X mehr als 1,7 Millionen Follower hat.
Loomer hat eine regelrechte Kampagne gegen die Politikerin entfacht, die sie mal als „Barbie“, mal als „Blondi“ verunglimpft. Auch der frühere Fox-Moderator Tucker Carlson wittert eine „Vertuschungsaktion“ der Ministerin: „Pam Bondi hat im Fernsehen gesagt: Wir wissen die Wahrheit, und wir werden sie euch mitteilen.“ Nun mache sie das Gegenteil. „Die Leute werden das nicht akzeptieren“, warnt die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene.
Rechtsanwalt Alan Dershowitz: „Ich kenne die Namen auf der Liste, die geschützt werden sollen“
Seit das von Bondi geführte Justizministerium und die Bundespolizei FBI am Montag ein Memo veröffentlichten, in dem sie erklärten, der Sexualstraftäter Jeffrey Epstein sei durch Suizid gestorben und habe keine Liste mit prominenten Kunden seines Mädchenhandelsrings hinterlassen, befinden sich Amerikas Verschwörungsideologen im Aufruhr. „Ich weiß, dass Dokumente unterdrückt werden“, meldete sich am Donnerstag der umstrittene Rechtsanwalt Alan Dershowitz zu Wort, der Epstein in der Vergangenheit vertreten hatte: „Ich kenne die Namen auf der Liste, die geschützt werden sollen“. Leider sei er zur Geheimhaltung verpflichtet.
Die Empörung der ultrarechten Konspirationsfreunde richtet sich nicht nur gegen Bondi, sondern auch gegen FBI-Chef Kash Patel und seinen Stellvertreter Dan Bongino. Kein Wunder: Der Investmentbanker Epstein, der über viele Jahre systematisch hunderte minderjährige Mädchen missbrauchte und Kunden aus der High Society zuführte, ist für viele Anhänger der MAGA-Bewegung das Sinnbild des degenerierten Lebensstils der liberalen amerikanischen Eliten, gegen den sie aufbegehren.
Zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis gehörten Prinz Andrew, Ex-Präsident Bill Clinton und der Milliardär Bill Gates. Kurz nach seiner Inhaftierung wurde der Sexualverbrecher im August 2019 unter mysteriösen Umständen tot in seiner Zelle aufgefunden.

Gerät wegen des Falls Epstein mehr und mehr unter Druck: FBI-Chef Kash Patel
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Das ist der Stoff, aus dem wildeste Verschwörungserzählungen gemacht werden. Und die heutigen Spitzen des Justizapparats in den USA haben in der Vergangenheit kräftig daran mitgewirkt. Der Biden-Regierung warfen sie vor, bewusst eine Liste von Epstein-Kunden und hochbrisante Informationen über die Todesumstände des Sexualstraftäters zurückzuhalten.
„Glauben Sie nicht, dass Bill Gates Tag und Nacht Druck macht, um die Veröffentlichung der Liste zu verhindern?“, sagte Patel im Dezember 2023 in einer Talkshow. Er ging auch die Republikaner im Kongress hart an: „Sie können nicht einmal einfachste Dokumente vorlegen. Deshalb hasst Amerika den Kongress.“ Der schillernde Ex-Fox-Moderator Bongino unkte, die Veröffentlichung der angeblichen Epstein-Liste werde die Demokratische Partei erschüttern: „Es gibt einen Grund, warum sie sie verbergen.“
Eins Schlachtruf der Republikaner: „Wir müssen die Epstein-Liste veröffentlichen“
Im Wahlkampf wurde das ominöse Kundenverzeichnis zu einem regelrechten Schlachtruf der Republikaner: „Wir müssen die Epstein-Liste veröffentlichen“, forderte damals der heutige Vizepräsident J.D. Vance: „Das ist eine wichtige Sache!“ Auch Trump versprach „alle Akten zu öffnen“, damit die Bevölkerung sehe, „was passiert ist“.
Nach ihrer Vereidigung als Ministerin erklärte Bondi in einem Fox-News-Interview, die Kundenliste liege „gerade zur Prüfung auf meinem Schreibtisch“. Ein paar Tage später berichtete sie: „Eine ganze LKW-Ladung mit Beweismitteln ist angekommen. Sie liegt nun beim FBI“. Sie beschuldigte das New Yorker FBI-Büro, tausende Dokumente zurückgehalten zu haben und vergatterte die Beamten zu Zwölf-Stunden-Schichten, um das Material zu sichten.
Und nun das: Nichts. Keine Fremdeinwirkung beim Tod von Epstein. Keine Liste mit prominenten Kunden. Die Erfinder der großen Verschwörungserzählung werden nun selbst von ihr eingeholt. Genauen Beobachtern ist aufgefallen, dass in dem von Bondi veröffentlichen zehnstündigen Überwachungsvideo aus dem New Yorker Gefängnis eine Minute fehlt. Und hatte nicht auch Donald Trump bis 2004 freundschaftlichen Kontakt mit Epstein?
Mark Epstein: „Die vertuschen etwas. Vielleicht steckt Trump dahinter“
„Es ist Zeit, die echte große Bombe zu zünden“, hatte dessen einstiger Mitstreiter Elon Musk nach dem Zerwürfnis im Juni angedeutet und behauptet, der Name des Präsidenten stehe auf der angeblichen Kundenliste: „Das ist der Grund, weshalb sie nicht veröffentlicht wird.“ Für diese Unterstellung gibt es keine Belege. Im Zusammenhang mit der plötzlichen Kehrtwende der Regierung ist sie trotzdem brisant. Am Donnerstag meldete sich Mark Epstein, der ältere Bruder des toten Sexualverbrechers, bei dem rechten britischen TV-Talkmaster Piers Morgan zu Wort: „Bondi, Patel und Bongino arbeiten alle für Trump. Die vertuschen etwas. Vielleicht steckt Trump dahinter.“
Diese Deutung passt den Trump-Anhängern natürlich gar nicht. Der rechte Verschwörungsideologe Alex Jones sieht vielmehr Geheimdienste der USA und Israels hinter dem angeblichen Versuch, prominente Mittäter Epsteins zu decken. „Es gibt keinen Zweifel: Epstein wurde vom Deep State ermordet“, stellt sich auch der rechtsextreme Politstratege Roger Stone im Netz gegen die Erklärung des Justizministeriums.
Trump selber versuchte die ganze Affäre diese Woche zur Lappalie herunterzustufen. „Ich kann nicht glauben, dass Sie in einer Zeit wie dieser eine Frage zu Epstein stellen“, bügelte er einen Reporter im Weißen Haus ab. Doch so einfach wird er das Thema nicht los. „Ich glaube nicht, dass Trump auf der Liste ist“, versicherte die republikanische Parlamentsabgeordnete Anna Paulina Luna in einem Fernsehinterview eilig. Doch in der Bevölkerung herrschten Argwohn und Verunsicherung. Ihre Forderung: Nun müsse ein Sonderermittler den Fall Epstein übernehmen.