Bestseller-Autorin Juli Zeh hat mit der Staatsrechtsprofessorin Elisa Hoven ein Kinderbuch geschrieben: „Der war's“ handelt von Recht und Gerechtigkeit am Beispiel einer Schulklasse.
Autorin Juli Zeh: Schulsystem geht vor die Hunde

Juli Zeh ist Schriftstellerin und Richterin am Brandenburger Verfassungsgericht.
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In Deutschland fehlt nach Ansicht von Bestseller-Autorin Juli Zeh („Unterleuten“) die Bereitschaft, für Schulen ausreichend Geld auszugeben. „Einerseits werden Kinder heute stark in den Mittelpunkt gerückt und manchmal regelrecht zu Ego-Projekten ihrer Eltern gemacht. Andererseits lässt man das Schulsystem vor die Hunde gehen, als gäbe es kein Morgen“, sagte die zweifache Mutter vor der Veröffentlichung ihres neuen Kinderbuches „Der war's“.
Das ist alles direkt aus dem Leben gegriffen
Darin zeigen Zeh und die Staatsrechtsprofessorin Elisa Hoven, ihre beste Freundin, am Beispiel einer Schulklasse, wie die Gesellschaft mit Recht und Gerechtigkeit umgeht. Das Buch enthält aber auch versteckte Kritik am Bildungssystem, mit Lehrermangel oder fehlender technischer Ausstattung an Schulen.
Reichlich eigene Erfahrungen mit Schulsystem
Ihre Kritik richte sich nicht gegen die Arbeit von Lehrern, betonte Zeh, die dafür bekannt ist, sich in politische Debatten einzumischen. „Im Gegenteil, wir bewundern es, unter wie schlechten Bedingungen immer noch tolle Arbeit geleistet wird“, sagte sie der dpa. „Wir nehmen eher eine Gesellschaft aufs Korn, die ständig das Wohl des Kindes in den Himmel lobt, aber dann nicht bereit ist, das Bildungssystem zu finanzieren.“ Sie empfinde das als „schlimme Heuchelei“ und außerdem als „politischen Kardinalfehler“.
Beim Schreiben ihres sechsten Kinderbuchs hätten sie und Hoven auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können. „Das ist alles direkt aus dem Leben gegriffen“, so Zeh. Hovens Mann sei Gymnasiallehrer, ihre eigenen Kindern gingen zur Grundschule. „Wir hatten eine Fülle von absurden Episoden zur Verfügung, die wir auf witzige Weise verwenden konnten.“
Im Buch ist zum Beispiel an einer Schule seit Wochen das Smartboard kaputt oder es fehlt ein Laptopkabel, statt Unterricht zu machen, zeigt der Lehrer Filme. Zudem fällt der Unterricht aus, weil mal wieder die Vertretung des Vertretungslehrers nicht da ist.
Die Idee sei entstanden, nachdem Hoven in einer Buchhandlung ein Kinderbuch gesucht habe, in dem es unter anderem um das deutsche Justizsystem geht, erzählt Zeh. Gefunden habe sie dazu nichts - dafür viel über Polizei, Feuerwehr, Bauernhof und Flughafen. „Das Recht wird irgendwie ausgeblendet, obwohl es doch unser aller Leben bestimmt, schon vom Tag der Geburt an und sogar noch davor.“ Dabei interessierten Kinder sich sehr für das Thema Gerechtigkeit. „Man könnte fast sagen: Gleich nach Geliebtwerden ist gerechte Behandlung auf Platz zwei der emotionalen Bedürfnisse.“
Auf die Frage, wie sie dazu kam, auch für Kinder zu schreiben, antwortet Zeh, es liege für sie nahe. Als Kind habe sie gern gelesen und den Kinderbüchern von damals eine Menge zu verdanken. Seit sie selbst Mutter ist - Zeh hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Familie in einem Dorf in Brandenburg - sei es für sie noch logischer.
Glossar: Was machen Staatsanwälte? Darf man vor Gericht lügen?
Der Geschichte schließt sich eine Art Glossar an, in dem die Autorinnen in leichter Sprache Fragen beantworten, wie Kinder sie stellen würden. Wer ermittelt? Was machen Staatsanwälte? Darf man vor Gericht lügen? Warum tragen Richter schwarze Umhänge? Das ist nicht nur für junge Leser und Leserinnen interessant.
Ihr Ansatz beim Schreiben von Kinderbüchern unterscheide sich im Grunde nicht sehr stark von dem anderer Textsorten, erklärt Zeh. „Ich möchte immer Texte schreiben, die ich selbst richtig gerne lesen würde.“ Und die auch Probleme erfassen, die vom einzelnen Menschen erzählen, und auch „von der Welt, in der er lebt“.
Daraus ergebe sich automatisch, dass es auch in ihren Kinderbüchern um gesellschaftliche Fragen gehe. „Kinder leben ja genauso in der Gesellschaft wie Erwachsene, sie erleben die Auswirkungen davon vielleicht sogar manchmal noch intensiver.“
So taucht in „Der war's“ - wenn auch witzig verpackt - Kritik am deutschen Bildungssystem auf, mit Lehrermangel, Unterrichtsausfall und Technik-Defiziten. In der 6a fällt etwa der Mathe-Unterricht aus, weil die Vertretung des Vertretungslehrers nicht da ist. Dafür übernimmt die Fußpflegerin Frau Lukadu, die seit einigen Wochen an der Schule als Biologielehrerin tätig ist. Das klingt absurd.
Bei der Entwicklung von Geschichte und Figuren hätten sie und ihre Freundin sich daran orientiert, was sie selbst erfahren, erklärt Zeh. Ihre Kinder gehen auf die Grundschule, Hovens Mann unterrichtet an einem Gymnasium. „Wir hatten eine Fülle von absurden Episoden zur Verfügung, die wir auf witzige Weise verwenden können.“
Hilfe von den eigenen Kindern
Ob sie bei der Arbeit am Buch auch Hilfe von ihren eigenen Kindern bekommen hat? „Oh ja, sehr viel“, erzählt Zeh. „Ich lese ihnen die Rohfassungen der Kapitel vor, und sie sagen, was ihnen daran gefällt und was sie blöd finden. Sie helfen mir, die Figuren realistisch zu machen, so, wie sie es aus ihrem Alltag kennen.“ Und auch bei der Frage, ob man zu schnell darauf komme, wie die Geschichte ausgeht.
Dass ihre Kinderbücher weniger Aufmerksamkeit erhielten als ihre Romane, findet Zeh nicht so schlimm. Das sei normal, mediale Kommunikation werde ja „hauptsächlich von Erwachsenen für Erwachsene“ gemacht. „Kinder kommen dort eher am Rande vor.“ Doch es habe ihrer Ansicht nach Vorteile, wenn die Bedürfnisse von Kindern, und auch die Bücher, die sie lesen, nicht ständig Teil des öffentlichen Gesprächs sind. Das schaffe eine Art Schutzraum. Und das sei „gar nicht so schlecht“. (dpa)
Juli Zeh, Elisa Hoven, Lena Hesse (Illustrationen): Der war's
Carlsen, Erscheinungstermin 28. September, 160 Seiten, ISBN 978-3-551-65308-6, ab 8 Jahren, 12 Euro